Das vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt ES-FLEX-INFRA steht dabei für die »Kopplung von Energiesektoren zur Flexibilisierung der Energieinfrastruktur«. Die dafür entwickelte Software soll Energieversorger in die Lage versetzen, Lastverlagerungen und die Integration von Speichern in der städtischen Infrastruktur analysieren und betreiben zu können. Beteiligt sind neben dem Fraunhofer SCAI noch die Technische Hochschule Köln, die Werusys GmbH & Co. KG sowie die Rheinische NETZGesellschaft mbH.
»Was passiert, wenn der Strombedarf hoch ist, aber die Sonne nicht scheint – oder umgekehrt, wie kann überschüssige Energie genutzt werden? Wenn der Anteil der erneuerbaren Energien weiter wächst, wird die bisher übliche Energieoptimierung innerhalb der einzelnen Energiesektoren nicht mehr ausreichen. Vielmehr wird es notwendig, Energiesektoren wie Strom, Erdgas, Fernwärme und Verkehr miteinander zu koppeln«, so Dr. Bernhard Klaaßen, der beim Fraunhofer SCAI das Projekt begleitet. »Denn verglichen mit der Energiespeicherung in Form von Elektrizität ist z.B. der Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch durch Lastverlagerung, Nutzung industrieller Abwärme und thermische Energiespeicherung deutlich kostengünstiger und effizienter.«
Effizienz durch Cross Energy Management
Eine gut funktionierende Sektorkopplung, die Vernetzung verschiedener Energiesektoren, regelt Produktion und Speicherung auch von Wärme. Denn Wärme entsteht auch immer bei der Produktion von elektrischer Energie – und ist weit mehr als nur ein »Abfallprodukt«. Ein so optimiertes »Cross Energy Management« ist demnach eine ideale Kombination aus Strom- und Wärmegewinnung auf der einen Seite – und deren jeweils bestmögliche Speicherung, Verteilung und Nutzung. Das verbessert signifikant die Versorgungssicherheit beim umfassenden Einsatz erneuerbarer Energien und steigert deren Akzeptanz nachhaltig.
Als Grundlage für die Entwicklung von ES-FLEX-INFRA als Softwarestudie wurden nicht nur virtuelle Simulationen durchgeführt – sondern auch exemplarische Ausschnitte aus dem Netz der Rheinischen Netzgesellschaft unter verschiedenen Lastzuständen untersucht. Dabei wurden die Sektoren Strom, Gas und Wärme betrachtet.
Beispielsweise kommen folgende Flexibilitätsoptionen in Frage:
• Die Nutzung bisher ungenutzter Wärme (Abwärme, Flüsse) mit Wärmepumpen und Wärmespeichern bzw. Wärmenetzen,
• die Nutzung von Überschussstrom zur Erzeugung von Methan (Power-to-Gas) und gleichzeitige Nutzung des hohen Prozesswärmeanteils durch Kraft-Wärme-Kopplung,
• der Bezug und die Einspeisung von Methan in Gasnetze bzw. Speicher, Nutzung in Kraftwärmekopplungs-Prozessen sowie
• die Nutzung von Überschussstrom in der Elektromobilität bzw. über Power-to-Gas in Erdgas-betriebenen Fahrzeugen.
Weiterentwicklung für industrielle Anwendung
»Der Bedarf an Speicherung und anderen Flexibilitätsoptionen wird noch weiter zuneh-men. Effizient und ökonomisch kann die Energiewende nur gelingen, wenn die Sektoren Strom, Wärme, Gas – und auch Transport etwa durch Elektromobilität oder mit Erdgas betriebenen Fahrzeugen – untereinander vernetzt und Synergien in Lastflüssen und Speicherung genutzt werden«, schließt Klaaßen.
Die Vorteile der Sektorenkopplung werden zunehmend erkannt. Die Projektergebnisse fließen in die vom Fraunhofer SCAI entwickelte Simulations-Software ein, die von der Industrie bereits nachgefragt wird, um zukünftige Planungen – etwa im Wasserstoffbereich – zu unterstützen, so beispielsweise beim größten Fernleitungsbetreiber für Gas, der Open Grid Europe GmbH (OGE) in Essen.