Laut einer optimistischen Schätzung des ADAC wird der Anteil der Neufahrzeuge, in denen sich die fahrende Person auf allen Autobahnen anderen Aufgaben widmen kann, bis zum Jahr 2050 auf 70 Prozent steigen. Doch bemängeln Kritiker noch einige ungeklärte Fragen bei selbstfahrenden Shuttles: Kann ein automatisches System auch im Notfall zuverlässig reagieren, und was passiert, wenn es durch einen sich ausbreitenden Kurzschluss zusammenbricht?
In den heutigen Bordnetzarchitekturen von hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen ist es üblich, den betroffenen Bereich durch eine Überlastsicherung abzugrenzen. Dieser Aufbau führt allerdings dazu, dass die betroffene Komponente im Fehlerfall gänzlich abgeschaltet wird. Für das hoch- und vollautomatisierte Fahren ist eine solche Vorgehensweise nur dann möglich, wenn alle Komponenten und das Bordnetz redundant, also doppelt vorhanden sind. Ein vor allem im Falle des Bordnetzes teurer und platz- sowie gewichtstreibender Ansatz. Um die Sicherheit während der Fahrt auch ohne ein zweites Bordnetz hochzuverlässig zu gewährleisten, entwickelten Forschende des Fraunhofer IZM im Projekt HiBord gemeinsam mit Partnern aus der Industrie und dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB ein Trennelement, welches die fehlerhafte Komponente des Bordnetzes abschaltet und die Versorgung von sicherheitsrelevanten Komponenten trotzdem gewährleistet.
Fahrt auf den Standstreifen ist noch möglich
Was wie ein Sparansatz klingt, ist in punkto Sicherheit eine wesentliche Verbesserung für das autonome Fahren. Phillip Arnold, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IZM, erklärt: »Mit den bisherigen Systemen kann es bei Unterspannungen während der Fahrt zu einem abrupten und unkontrollierten Ausfall der gesamten Elektronik, also auch der Lenk- und Bremssysteme kommen. Gerade bei hohen Geschwindigkeiten ist das ein nicht tolerierbares Risiko. Dank unseres neuen Moduls funktioniert ein Teil des Bordnetzes weiter und das vollautomatisierte Auto hat noch ausreichend Zeit, um die Passagiere in einen sicheren Bereich, z.B. auf einen Standstreifen oder Parkplatz, zu fahren.«
In der Leistungselektronik werden Feldeffekttransistor-Schalter – so genannte MOSFETs – verwendet, um große elektrische Ströme oder Spannungen zu leiten oder zu sperren. Das neu entwickelte Trennelement verfügt über 16 dieser MOSFET-Schalter und kann bis zu 180 Ampere problemlos leiten. Wird dieser Schwellwert, etwa bei einem Kurzschluss überschritten, öffnet der elektrische Schalter und trennt den Strom. Da die MOSFET-Schalter sogar bis 300 Ampere belastbar sind, werden sie weit unter ihrer Belastungsgrenze betrieben und weisen dadurch eine deutliche höhere Lebensdauer auf als bisherige Lösungen.
Modul ist 60-mal schneller als herkömmliche Sicherungssysteme
In Tests erzeugten die Forschenden künstliche Kurzschlüsse. Die Ergebnisse zeigten, dass das Elektronikmodul bis zu einer Stromstärke von 700 Ampere zuverlässig isolieren kann, ohne dass sich der Kurzschluss ausbreitet. Auch die Schaltschnelligkeit weist klare Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Prinzip auf: Während eine übliche Schmelzsicherung rund 20 Millisekunden zum Auslösen benötigt, detektiert das Trennelement einen Fehler binnen 10 Mikrosekunden und löst innerhalb von 300 Mikrosekunden aus. Damit ist es über 60-mal schneller als derzeitige Sicherungssysteme.
Das fertige Modul wurde bereits in einem elektrischen BMW i3-Demonstrator erfolgreich getestet und ist so ausgelegt, dass es prinzipiell in jedem Elektrofahrzeug eingesetzt werden kann. Als Ausfallschutz für unerwartete elektronische Ereignisse stellt es einen wegweisenden Schritt dar, um das autonome Fahren sicher und zuverlässig zu realisieren.