Der Apfelanbau hat in Deutschland eine lange Tradition, ebenso wie in Polen, Italien und Frankreich. Mit 13,8 Millionen Tonnen (Eurostat 2018) ist der Apfel die bedeutendste Frucht in Europa. Weniger bedeutend ist der Birnenanbau. Beiden Obstkulturen gemein ist jedoch, dass sie unter weit verbreiteten Krankheiten leiden: Die Apfeltriebsucht und der Birnenverfall können zu kompletten Ernteausfällen befallener Bäume führen. Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Verursacher der Erkrankungen sind Phytoplasmen. Insekten übertragen die zellwandlosen Bakterien, die als Parasiten im Baum heranwachsen. Dort besiedeln sie vor allem die Siebröhren. Um die Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern, müssten gegen die Insekten prophylaktisch Insektizide eingesetzt werden. Die Phytoplasmen selber können bisher nicht direkt bekämpft werden.
Der Krankheitsbefall lässt sich nur durch eine teure molekulare Analyse – eine sogenannte PCR – feststellen. Alternativ nimmt geschultes Personal eine visuelle Bonitur vor, bei der jeder Baum einzeln untersucht wird. Symptome der Apfeltriebsucht sind Hexenbesen, vergrößerte Nebenblätter und eine vorzeitige Rotfärbung im Herbst, die durch einen Chlorophyllabbau hervorgerufen wird. Dann ist die Erkrankung aber schon weit fortgeschritten. Beim Birnenverfall gibt es keine typischen Symptome – nur eine Rotfärbung.
Spektrale Signatur – Reflexionsverhalten verändert sich je nach Wellenlänge des Lichts
Sinnvoll wäre es daher, wenn man den Abbau des Chlorophylls bereits im Sommer er-kennen und so die Ausbreitung von Apfeltriebsucht und Birnenverfall verhindern könnte. An einer solchen Frühdiagnostik arbeiten Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg gemeinsam mit dem Institut für Pflanzenforschung AlPlanta aus Neustadt an der Weinstraße und der Firma Spatial Business Integration GmbH aus Darmstadt. Dabei setzen sie auf die Fernerkundung aus der Luft, konkret auf die Hyperspektralanalyse. »Bei diesem Verfahren wird Licht in Wellenlängen zerlegt. Weist eine Pflanze bei einer Blattprobe im Labor Symptome auf, so zeigt sich dies in bestimmten Wellenlängenbereichen deutlicher und früher als allein im sichtbaren Bereich. Bei einer kranken Pflanze wird mehr rotes als grünes oder blaues Licht reflektiert«, erläutert Dr. Uwe Knauer, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF und Experte für maschinelles Lernen sowie der Analyse von Spektraldaten. Dies konnte in der ersten Projektphase durch Tests im Labor bereits erfolgreich nachgewiesen werden.
Ergänzt wird die Methode durch satellitengestützte Multispektralaufnahmen. Mit den Satellitenbildern lassen sich große Obstanbauflächen erfassen. »Wir wollen die Hyperspektralaufnahmen und die Satellitenbilder kombinieren, um ein Früherkennungssystem aus der Luft zu etablieren. Mit der an einer Drohne befestigten Hyperspektralkamera erkunden wir eher kleinere Flächen wie eine einzelne Plantage«, erklärt Knauer. Auch mit den Satellitenaufnahmen konnten die Forscherteams kranke und gesunde Bäume bereits voneinander unterscheiden.
An der Drohne ist neben der Hyperspektralkamera ein Rechner montiert, der die Messdaten aufzeichnet und auf die Server überträgt. Die Aufnahmen werden mit geographischen Informationen verknüpft und kartiert. Das Ergebnis ist eine hyperspektrale Karte mit geographischen Koordinaten. Zu jedem Bildpunkt wird ein Spektrum geliefert, das im Anschluss analysiert wird.
Digitale Bonitur mit Drohne
Der Clou: Um die krankhaften Veränderungen der Pflanze anhand der digitalen multi- und hyperspektralen Signaturen zu erkennen, nutzen die Projektpartner Verfahren des maschinellen Lernens. Sie trainieren und kombinieren verschiedene statistische Modelle und neuronale Netze mit Hilfe der Ergebnisdaten aus der visuellen Bonitur und der molekularen Analyse. Die so entwickelten Algorithmen ermöglichen dann eine spezifische Detektion von Apfeltriebsucht und Birnenverfall.
Im Herbst dieses Jahres stehen Feldmessungen und Testflüge mit der Hyperspektraldrohne an, um im Anschluss sowohl Sensorik als auch Modellierungsverfahren optimieren zu können. Das Forschungsvorhaben wird von der Landwirtschaftlichen Rentenbank gefördert. Zum Projektende im Jahr 2022, hoffen die Forscher, soll die Fernerkundungsmethode mittels Erfassung und Auswertung spektraler Daten Pflanzenschutzdiensten, Anbauern und Genossenschaften als Dienstleistung zur Verfügung stehen.