Die Digitalisierung hat enormes Potenzial für die deutsche Industrie: Sie kann effizienter und automatisierter fertigen, neue Geschäftsmodelle umsetzen oder Kunden individuellere Produkte anbieten. »Das erfordert hochproduktive, wirtschaftliche und flexible Fertigungsprozesse, die auf sicherer IoT-Technologie basieren, und vertrauenswürdige Dateninfrastrukturen sowie verlässliche Maschinelle Lernverfahren nutzen. Das Fraunhofer CCIT bündelt diese Kompetenzen und forscht an konkreten Anwendungsszenarien«, sagt Prof. Claudia Eckert, Sprecherin des Direktoriums.
Aktive, intelligente Fertigungswerkzeuge
Das Cluster hat eine intelligente Werkzeugkomponente entwickelt, die die Qualität und Produktivität von Zerspanungsprozessen erhöht. Durch die Integration von kabellosen Komponenten und breitbandiger Funktechnologie, die das Schwingungsspektrum des Werkzeugs erfasst, in Echtzeit auswertet und Abweichungen detektiert, wird es möglich, Prozessdaten wirkstellennah zu erfassen. »Wir erkennen sofort, ob der Fertigungsprozess gestört ist – zum Beispiel durch einen Defekt des Werkzeugs«, sagt Hendrik Rentzsch vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Sicherheitsprotokolle gewährleisten die Integrität, Vertraulichkeit, Verfügbarkeit bzw. Authentizität des Ursprungs der erfassten Daten. Die intelligente IoT-Komponente ist Sensor und Aktor zugleich: Ultraschallwellen bringen das Werkzeug aktiv zum Schwingen, die Schwingungssignale verstärken sich und das Werkzeug lässt sich aktiv steuern. Rentzsch: »Qualität und Produktivität des Fertigungsprozesses lassen sich auch unter Hochleistung kontinuierlich aufrechterhalten. Die vom Fraunhofer CCIT entwickelte Lösung kann ohne größere Kosten in jedes beliebige Werkzeug integriert werden, beispielsweise in ein Metallbohrwerkzeug.«
Daten sicher austauschen und kontrolliert nutzbar machen
Anhand eines vernetzten »Operation Desks« zeigt das Fraunhofer CCIT einen »Shared Digital Twin«, mit dem Unternehmen sensible Daten aus Fertigungsprozessen sicher und kontrolliert mit Partnern und Kunden teilen können. Diese IT-Lösung besteht aus den drei Komponenten IoT-Architektur, digitaler Zwilling und International Data Spaces (IDS). Zunächst können mit der IoT-Architektur RIOTANA aus den Rohdaten laufender Prozesse – etwa Schwingungen, Temperatur oder Reibung – in Echtzeit aussagekräftige Kennzahlen generiert werden. Die Informationen werden in einem digitalen Zwilling auf den Servern des Unternehmens hinterlegt. Hier kann das Unternehmen festlegen, welche Daten es mit wem unter welchen Nutzungsbedingungen teilen will. IDS-Konnektoren ermöglichen die sichere Übertragung und kontrollierbare Weiterverarbeitung beim Empfänger. Dies ist aber kein einseitiger Prozess: Beide Unternehmen können den Digitalen Zwilling mit Informationen anreichern. »Unsere Technologie verbindet IoT-Architektur und bereits existierende sichere Lösungen für den Austausch von industriellen Prozessdaten, wie die Verwaltungsschale der Plattform Industrie 4.0 oder die IDS-Architektur. Sie ist offen für jede Art von Datenbank und Anwendung. Zum Beispiel können Maschinenanwender und -hersteller die Prozessdaten austauschen, um den Zustand von Fertigungswerkzeugen besser zu überwachen«, sagt Hendrik Haße vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST.
Die Schnelligkeit von KI nutzen
Doch nicht nur der Austausch der Daten über Unternehmensgrenzen hinweg bietet für die Industrie einen Mehrwert. Technologien wie Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz können auf die in laufenden Produktionsprozessen gewonnen Daten angewendet werden. Ein Beispiel aus der industriellen Fertigung: Damit Produktionswerkzeuge produktiv, genau und stabil arbeiten, müssen Verschleißerscheinungen frühzeitig erkannt werden. Nach wie vor häufigstes Kriterium sind dabei die Erfahrung und das Wissen des Maschinenbedieners – allen voran seine Sinneswahrnehmungen. Technische Hilfsmittel gibt es dafür bisher kaum. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT und des Fraunhofer-Instituts für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI haben deshalb einen Algorithmus entwickelt und mit speziellen Verfahren des Maschinellen Lernens trainiert. Er kann den Zustand eines Werkzeugs anhand dessen Klangspektrums ermitteln und dabei kleinste Abnutzungsgrade identifizieren. »Zwar ist dazu auch ein Mensch in der Lage. Aber die KI kann viel schneller große Mengen von Spektren durchgehen und feingliedriger als der Mensch lernen, Abnutzungsgrade zu unterscheiden«, sagt Sebastian Mayer vom Fraunhofer SCAI. Der Algorithmus unterstützt den Menschen z. B. bei der Entscheidung, ob das Werkzeug ausgetauscht werden muss oder nicht. »Die KI achtet auf andere Klangfrequenzen als der Mensch bzw. sie kann ihm zeigen, auf welche Frequenzen er besonders achten soll«, sagt Arno Schmetz vom Fraunhofer IPT.