Das Internet ist schon wieder zu langsam? Das soll sich künftig ändern: Denn bis Ende 2025 soll ganz Deutschland Zugriff auf Gigabit-Netze haben. Das ist erklärtes Ziel der Bundesregierung. Dies ist allerdings nur über Glasfaser-Kabel zu realisieren. Doch wo verlegt man diese am besten? Diese Frage war bislang kaum zu beantworten. Schließlich gilt es unzählige Parameter zu beachten: Werden Bäume durch die Tiefbauarbeiten verletzt? Wird teurer Bodenbelag wie Pflaster durchquert? Bisher begehen Mitarbeiter des jeweiligen Telekommunikationsunternehmens jede einzelne Straße des entsprechenden Gebiets, machen Fotos, nehmen Maße und werten diese manuell aus.
Trassenplanung: wenige Tage statt mehrerer Wochen
Prof. Alexander Reiterer, Dominik Störk und Dr. Katharina Wäschle vom Fraunhofer IPM in Freiburg liefern mit ihrer Forschung eine Lösung und wurden dafür mit dem diesjährigen Joseph-von-Fraunhofer-Preis geehrt. »Wir haben eine einzigartige Prozesskette entwickelt: Sie kann zwei- und dreidimensionale Daten vollautomatisiert auswerten, die entsprechenden anwendungsspezifischen Objekte erkennen und in digitale Planungskarten einbinden«, erläutert Prof. Alexander Reiterer, der die Entwicklung am Fraunhofer IPM verantwortet. Für die Deutsche Telekom, die als erstes Unternehmen auf die neue Prozesskette des Fraunhofer IPM setzt, heißt das: Die Planung des Glasfaserausbaus für eine Kleinstadt dauert statt mehrerer Wochen nur noch wenige Tage. »Erste Tests zeigen: Mit der Datengrundlage aus unserem Tool kann die Deutsche Telekom den gesamten Planungsprozess bis zu 70-mal schneller durchführen – und dies vollautomatisiert«, ergänzt Dominik Störk, Informatiker am Fraunhofer IPM.
100 000 Bilder als Trainingsdaten
Das »Futter« des Prozesses bilden zentimetergenaue Daten, die von speziellen Messfahrzeugen mit Kameras, Laserscannern und Systemen für die räumliche Verortung der Daten aufgenommen werden. Der Clou liegt in der Auswertung dieser Daten: Über Machine-Learning-Verfahren erkennt das System automatisch, welche Objekte in dem betrachteten Areal stehen. Doch bevor das System die erfassten Daten auswerten kann, muss es zunächst einmal trainiert werden. Die große Herausforderung lag daher vor allem darin, eine entsprechende Datenbasis für das Training aufzubauen. »Aus fast zwei Millionen Messbildern wurden rund 100 000 repräsentative Aufnahmen ausgewählt und manuell von 50 Mitarbeitern über zwölf Monate ausgewertet: 30 unterschiedliche Objektklassen wurden dabei annotiert«, erklärt Dr. Katharina Wäschle, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IPM. Der entstandene Datensatz ist hinsichtlich Diversität – etwa unterschiedlichen Witterungen – und Qualität weltweit einzigartig. Mit diesem trainierte das Team ein neuronales Netz, quasi die Kernkomponente der automatisierten Erkennung. Ein heuristisches Regelwerk optimiert die Auswertung zusätzlich. Darin sind Informationen hinterlegt wie »Kanaldeckel auf dem Boden« oder »Gehwege befinden sich neben Straßen«. Auf diese Weise ordnet das System jedem Datenpunkt die Information zu, zu welchem Objekt er gehört. Daraus lässt sich umfangreiches Kartenmaterial automatisiert ableiten.
Das Beispiel Deutsche Telekom zeigt, wie wichtig solche semantischen Karten sind: Mehr als 1800 Tiefbauunternehmen in Deutschland werden solche Daten, geschaffen durch das Fraunhofer-Tool, zukünftig für den Ausbau des Glasfasernetzes nutzen. Auch das Bauunternehmen STRABAG AG, das Baustellen auf Autobahnen und Straßen mit einem Drohnensystem überwacht, wird zukünftig für die Auswertung auf die Fraunhofer-Technologie setzen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen BASt nutzt sie in einem Pilotprojekt, um ihre Kartierung von Straßenmöbeln aktuell zu halten.