Bioprodukte boomen. Denn statt Massentierhaltung und Chemikalien-Cocktails auf den Feldern wünschen sich viele Verbraucher sattgrüne Weiden für die Tiere, möglichst unbehandeltes Obst und Gemüse sowie Textilien aus ökologisch erzeugter Baumwolle. Allerdings ist es nicht damit getan, Kunststoffe durch Materialien wie Holz oder Kork zu ersetzen. Wirklich nachhaltig sind die Produkte nur dann, wenn auch die Klebstoffe und Lacke aus biobasierten Rohstoffen hergestellt werden.
Bisher bestehen Klebstoffe und Co. meist aus duroplastischen Epoxidharzen auf Erdölbasis. Einfacher gesagt: aus Kunstharzen, die sich – einmal erwärmt – nicht mehr verformen lassen. Als Bausteine für diese Epoxidharze dienen Monomere. Gibt man einen Härter hinzu, vernetzen sich die Einzelmoleküle zu einem festen Kunststoff, der sich nicht mehr aufschmelzen lässt. Über zugegebene Funktionsstoffe lassen sich die Eigenschaften feinjustieren und an die jeweiligen Anwendungen anpassen. So können sie die Epoxidharze färben, vor Feuer schützen oder dafür sorgen, dass sie sich besser verarbeiten lassen.
Pflanzenölepoxide mit naturbasierten Additiven
Doch lassen sich solche Epoxidharze auch auf ökologische Weise herstellen? Einen neuartigen Ansatzpunkt gibt es bereits: die Pflanzenölepoxide, also die ökologische Variante der herkömmlichen Epoxidharze. Basis bilden Pflanzenöle, die einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren haben. Diese Fettsäuren werden epoxidiert, also mit einem Drei-Ring aus zwei Kohlenstoffatomen und einem Sauerstoffatom versehen. Kombiniert man diese Pflanzenölepoxide mit entsprechenden Härtern, entstehen hochbelastbare Kunststoffe. Nachhaltige Klebstoffe, Lacke oder auch Schaumharze rücken somit in den Bereich des Möglichen. Doch die chemische Zusammensetzung von natürlichen Rohstoffen kann stark schwanken, schließlich werden sie aus der Saat von Ölpflanzen extrahiert. Dies stellt Produzenten vor große Herausforderungen.
Ökologische Klebstoffe mit optimalen Eigenschaften
Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS nehmen die Eigenschaften solcher neu entwickelter biogener Harze daher genau unter die Lupe. »Wir untersuchen die Harze von der Mikro- bis zur Makroebene«, bestätigt Andreas Krombholz, Gruppenleiter am IMWS. Wie wirken sich die variierenden Inhaltsstoffe auf die Harze aus? Ist dieser erste Schritt getan, optimiert das IMWS-Team die Harze und passt sie an die Verarbeitungsverfahren an.
Zudem entwickeln die Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler aus den Pflanzenölepoxiden neuartige Klebstoffe. So sind alle diese Klebstoffformulierungen aus den Fraunhofer-Laboren vollkommen frei von Lösungsmitteln. Weiterhin widmen sich die Forschenden der Frage: Welche Füll- und Funktionsstoffe bieten welchen Nutzen? Ein solcher wäre beispielsweise eine hohe elektrische Leitfähigkeit: Durch das Anlegen einer elektrischen Spannung lässt sich die Klebschicht von innen heraus aufheizen – und härtet somit schnell und gezielt aus. Oder aber man bringt modifiziertes Thymianöl in den Kleber ein. So erhält er eine antibakterielle Wirkung.
Epoxidierung auf Enzyme umgestellt
Der biobasierte Anteil der aus den Pflanzenölepoxiden gefertigten Klebstoffen liegt mittlerweile bei 86 Prozent, weil die Materialien viel Pflanzenöl enthalten und auch die bisher erdölbasierten Härterchemikalien gegen biobasierte Substanzen ausgetauscht wurden. Zum Vergleich: Bereits ab einem biobasierten Anteil von 35 Prozent gilt ein Material als nachhaltig. »Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben wir die Epoxidierung erstmalig auf Enzyme umgestellt, wir können die Pflanzenöle also ohne Erdöl-basierende Chemikalien mit diesem Verfahren behandeln. Und da dies via Enzymen bei 40 Grad Celsius vonstatten geht statt bei über 100 Grad Celsius wie bisher, sparen wir zudem Energie«, erläutert Krombholz. Doch damit nicht genug: Bisher verwendete die Industrie Leinöl aus Kanada für die Pflanzenölepoxide – was schon allein im Hinblick auf die Lieferwege nicht ökologisch ist. Der Wissenschaftler und sein Team haben den Prozess daher von Leinöl auf Drachenkopföl umgestellt, das in Deutschland ökologisch hergestellt wird. Das verbessert zusätzlich die Umweltbilanz. Und den Härter, bislang ein hochgiftiges Produkt, haben die Expertinnen und Experten durch eine ökologische Variante ersetzt.