53 Prozent aller Geschäftsreisenden empfinden Dienstreisen als Stress – so das Ergebnis einer Studie des DRV Deutscher Reiseverband. Lange Fahrtzeiten, schlecht geplante Reiseverbindungen, die Trennung von Familie und Freunden – all dies sind Faktoren, die diese negative Einschätzung beeinflussen. Auch der berufliche Hotelaufenthalt wird oftmals als belastend empfunden. Hier setzen die Forschungsarbeiten von Vanessa Borkmann, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IAO an. In Kooperation mit Hoteliers und Partnern aus der Industrie geht die Architektin im Projekt FutureHotel der Frage nach, wie Hotels durch ihre räumliche Gestaltung, persönliche Services, schnelle Check-in- und Check-out-Prozesse, soziale Faktoren und Erholungsangebote zu einem Wohlfühlambiente beitragen und die psychische Erholung fördern können. Die Forschungsergebnisse sind in ihrer Dissertation »Ein Modell – Ermittlung psychischer Beanspruchung am Beispiel von geschäftlich Reisenden während des Hotelaufenthalts« veröffentlicht, die im Buchhandel unter der ISBN 978-3-8396-1418-1 erhältlich ist.
»Insbesondere in Zeiten verstärkter Reisetätigkeit und hohen Leistungsdrucks ist es für Dienstreisende entscheidend, während des Aufenthalts im Hotel ein entspannendes Ambiente vorzufinden«, so Borkmann. Dies ist oftmals nicht der Fall, wie Befragungen der Gäste im Rahmen des Forschungsprojekts ergaben. Als besondere Stressoren genannt wurden nicht eingehaltene Hygienefaktoren wie unangenehme Gerüche im Zimmer, mangelnde Sauberkeit und akustische Belastungen durch Straßenlärm oder störende Geräusche aus dem benachbarten Hotelzimmer. Ebenfalls auf die Beschwerdeliste schafften es nicht intuitiv bedienbare technische Komponenten wie Leuchten oder Dusch-Interfaces sowie lange Check-out-Wartezeiten.
Hotelzimmer mit Wohlfühlfaktor
Welche Schalthebel sorgen also für mehr Erholung und Komfort? Wie lassen sich positive Gefühle beim Gast wecken und ihn bewegen, wiederzukehren? Wie können Licht, Temperatur und Hintergrundmusik genutzt werden, um das Stressempfinden des Gastes zu regulieren? Maßgeblich für gute Erholung ist der Schlafkomfort, so eines der Ergebnisse des Forschungsprojekts. Technisch hochgerüstetete Hotelbetten sind beispielsweise mit Matrazen unterschiedlicher Härtegrade, Massagefunktionen und Temperaturreglern ausgestattet, und lassen sich auf die Bedürfnisse des Gastes individuell einstellen. Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor für die Erholung ist das Hotelzimmer, das sauber und behaglich sein muss. Erwartet werden eine gute Internetverbindung und ausreichend Steckdosen. Über Steuerungstechnologien wird sich der Raum künftig an seinen Gast persönlich anpassen und mit dessen Mobilgeräten wie Smartphone oder Wearable kommunizieren können. Zudem wird sich das Zimmer auf Vitalparameter des Gastes wie seinen Blutdruck oder Körpertemperatur einstellen. Auch die Stimmung könnte mit Sensorik ausgelesen und Raumparameter wie Beleuchtung auf den Dienstreisenden adaptiert werden: »Je nach Anforderung bestünde die Möglichkeit, ein anregendes, stimulierendes oder ein konzentrationsförderndes, kaltblaues Licht einzuspielen«, schildert die Architektin einige Optionen der Digitalisierung.
Auch das Badezimmer kann das Wohlbefinden steigern – ausreichende Ablageflächen und helle Spiegelbeleuchtung vorausgesetzt. Künftig wird es vermehrt digitalisiert werden, so die FutureHotel-Studie zum Bad der Zukunft. Per Augmented Reality wird sich der Reisende in eine Waldlichtungs-Wohlfühlatmosphäre versetzen können. »Umweltpsychologische Forschungen haben nachgewiesen, dass das Betrachten von Natur eine erholungsfördernde Wirkung hat, die bereits nach 15 Minuten eintreten kann«, erläutert Borkmann.
Maßgeschneiderte Konzepte
Eine bedeutende Rolle spielt darüber hinaus das soziale Umfeld. Räumliche Möglichkeiten, um mit anderen Hotelgästen in Kontakt treten zu können, tragen nach Angaben der Befragten wesentlich zur Erholung bei, so die Forschungsergebnisse. »In Zukunft werden Hotels für Dienstreisende maßgeschneiderte Wohlfühlkonzepte schaffen müssen, um erfolgreich am Markt bestehen zu können«, resümiert Borkmann. Wer sich als Vorreiter etablieren und von der Masse abheben möchte, wird spezialisierte Angebote, Services und Produkte anbieten. Für Business-Hotels sieht die Forscherin großes Potenzial darin, Geschäftsreise-Konzepte noch weiter zu spezialisieren: »Es macht einen Unterschied, ob jemand zwei Wochen oder zwei Tage auf Dienstreise ist, ob er alleine oder in der Gruppe reist und welche spezifischen Anforderungen an die Räume und den Service im Hotel gestellt werden. Solche Aspekte kann man bei seiner Unternehmensstrategie berücksichtigen.«
In Innovationsworkshops informiert die Wissenschaftlerin vom Fraunhofer IAO Hoteliers auf Anfrage hin über zukunftsweisende Konzepte und die Förderung von psychischer Erholung und Minderung von Stressoren auf Geschäftsreisen. »Raum verändert Menschen, ihre Gedanken und ihre Stimmung. Diese Erkenntnis möchten wir in die Hotels bringen und gemeinsam mit den Hoteliers umsetzen«, so die Forscherin, die bereits neue Projekte initiiert hat: »Im Zuge der Digitalisierung stellt sich die Frage, wie sich das Hotel künftig als Arbeitgeber präsentieren wird. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Berufsprofile und Arbeitskontexte. Im nächsten Schritt konzipieren wir innovative Arbeitsmodelle für die Hotellerie.«