Schaut man auf die Zulassungsstatistiken, werden neue Autos etwa durch bessere Sicherheitsfunktionen und mehr Elektronik immer schwerer. In Kauf nimmt man dabei ein höheres Gewicht und dadurch mehr Verbrauch. Beides läuft dem generellen Ziel einer CO2-Reduzierung entgegen. Auch bei E-Autos spielt das Gewicht eine große Rolle – denn um die für den Kauf kritische Reichweite von E-Autos zu erhöhen, braucht es größere und damit schwerere Batterien. Wirkliche Effizienz geht auch bei E-Autos dann nur mit neuen Entwicklungen im Leichtbau. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey muss der Anteil von Leichtbauteilen in Autos bis zum Jahr 2030 von 30 auf 70 Prozent steigen, um das höhere Fahrzeuggewicht durch E-Antrieb und Motortechnik zu kompensieren.
Die Lösung dafür sind bisher Leichtbaustähle – und mit Kohlenstofffasern verstärkte Kunststoffe. Doch diese Lösung bringt auch Nachteile mit sich. Zum einen sind die technischen Herausforderungen bei Verarbeitung, Reparatur und Recycling sehr hoch. Zum anderen ist die Herstellung dieser Materialien sehr energieintensiv, was den positiven Umweltaspekt der Gewichtsersparnis wieder eintrübt.
Gute Ergänzung zu Carbonfasern
Das Fraunhofer WKI stellte sich daher die Frage, ob es nicht andere Faserstoffe gibt, mit denen sich Gewichtseinsparungen bei Bauteilen realisieren lassen, damit die Stärken von etwa Carbonfasern nur dort genutzt werden, wo sie strukturell von Vorteil sind. So untersuchten die Forscherinnen und Forscher ausreichend verfügbare ökologische Materialien nach ihren technischen Eigenschaften, ihrer Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Denn eine für die Industrie umsetzbare Lösung muss positive Effekte in technischer, ökologischer und ökonomischer Hinsicht bieten.
Als Lösung präsentierte sich naturfaserverstärkter Kunststoff. Pflanzenfasern als Bestandteile von Bioverbundwerkstoffen sind eine nachhaltige Alternative für leichte Fahrzeugkarosserien. Durch den biogenen Anteil verbessern sie die ökologische Bilanz der industriellen Hochleistungsverbundwerkstoffe während der Herstellungs-, Gebrauchs- und Entsorgungsphase.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen vorteilhaft, denn Naturfasern aus Flachs, Hanf, Holz oder Jute sind günstiger als Carbonfasern und benötigen weniger Energie bei der Herstellung. Die Vorzüge der Gewichtsersparnis werden also nicht teuer erkauft.
Hinzu kommen noch Vorteile in der industriellen Verarbeitung – und der Anwendung im Fahrzeug, denn durch ihre natürlich gewachsene Struktur bieten die Bioverbundwerkstoffe gute akustische Dämpfungseigenschaften und eine geringe Splitterneigung, was bei Unfällen von Vorteil ist.
Porsche geht in Serie
Diese Argumente überzeugten auch Porsche. Gemeinsam mit Porsche Motorsport erprobten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer WKI zunächst am rollenden Entwicklungslabor des deutschen Rennteams »Four Motors« bei einem Porsche Cayman GT4 Clubsport biobasierte Werkstoffe unter Extrembedingungen auf deren Serientauglichkeit.
»Das »Bioconcept-Car« ist seit 2015 bereits in dritter Generation auf der Rennstrecke unterwegs. Die Untersuchungen verbinden dadurch den Vorteil extremer Belastungen mit einem Fahrzeug, das modifiziert auch für die Straße zugelassen ist. Durch die Zusammenarbeit mit der Porsche AG kann die Entwicklung außerdem unter den realen Bedingungen eines Automobilherstellers erfolgen«, so Ole Hansen, Projektleiter am Anwendungszentrum für Holzfaserforschung HOFZET des Fraunhofer WKI. »Über die letzten vier Jahre hinweg konnten wir so die Materialeigenschaften kontinuierlich verbessern.«
Von Beginn an sah auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMEL die Vorteile von Naturfasern und begleitet das Projekt bis heute als strategischer Partner. Über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. FNR. fördert das BMEL die Entwicklung biogener Leichtbauteile im Rahmen des Förderprogramms »Nachwachsende Rohstoffe«.
Diese jahrelangen Erfahrungen beim »Bioconcept-Car« flossen in die Materialentwicklung für die Bauteile des neuen 718 Cayman GT4 Clubsport ein, des ersten in Serie produzierten Autos, das über Karosserieteile aus einem Biofaser-Verbundwerkstoff verfügt. Fahrer- und Beifahrertür sowie der Heckflügel sind aus einem Naturfasermix hergestellt. Mit 1320 Kilogramm ist der Cayman ein echtes Leichtgewicht. Hier kommt die im Vergleich mit Stahl hohe Gewichtseinsparung von bis zu 60 Prozent bei den Türen durch Bioverbundwerkstoffen zum Tragen.
Der Verbundstoff besteht aus einem duroplastischen, polymeren Matrixsystem, das mit Naturfasern verstärkt wird. Verwendet wird Naturfasergewebe, da es gut verfügbar, zugfest, besonders fein, homogen, und drapierfähig ist – und sich damit gut an die Bauteilformen anpassen lässt. Mit den so exakt herstellbaren Abmessungen ist eine problemlose und qualitätssichernde Verarbeitung auch in der Kombination mit den anderen, herkömmlich hergestellten Bauteilen möglich.
Grundlage für die Großserienproduktion
Dies ist eine wichtige Grundlage für die mögliche Großserienproduktion. Darüber hinaus hat das Fraunhofer WKI aber auch weitere Faktoren dafür in die Betrachtung einbezogen – unter anderem Verwertungsstrategien und Recyclingkonzepte sowie Up-scaling-Ansätze für die in höherer Stückzahl zu produzierenden Bauteile.
»Nach den ausgiebigen Tests unter Extrembedingungen auf der Rennstrecke haben wir unsere Komponenten immer weiter evaluiert – mit dem Ergebnis, dass die ökologisch vorteilhaften Biowerkstoffe das Potenzial einer Serienherstellung erfüllen«, ergänzt Ole Hansen.
Die Praxistauglichkeit getestet haben zumindest auch schon einmal Smudo, der Frontmann der »Fantastischen Vier« und dauerhafter Pilot des »Bioconcept-Cars« von Four Motors, sowie eine besondere Beifahrerin bei einer Testfahrt auf dem Nürburgring im August letzten Jahres: die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner.