Fälschung oder Original? Selbst Experten mit geschultem Auge tun sich schwer, diese Frage in Bezug auf historische Münzen zu beantworten. Wie können Fälschungen von Münzen erkannt werden, wenn sie beispielsweise von einer Verleihung an eine externe Ausstellung ins Museum zurückkommen? Wie lassen sich Vertauschungen und Verwechslungen beim Verleih der Exponate zwischen Museen vermeiden? Antworten auf diese Fragen suchten auch die Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Rund 20 000 Münzen – oftmals mehrere Jahrhunderte alt – lagern in den Archiven und Tresoren des Amts, der Bestand wächst ständig. Die eindeutige Erfassung und Dokumentation der historischen Münzen, die in einer unüberschaubaren Form- und Variantenvielfalt vorliegen, ist mühsam und wird bislang manuell vorgenommen. Anders als Gemälde können die Münzen nicht beklebt und beschriftet oder mit einem Barcode versehen werden. Auf der Suche nach einer Lösung des Problems und im Rahmen einer Digitalisierungsoffensive des Landes Sachsen-Anhalt, die die Digitalisierung von Kulturgütern, archäologischen Funden und historischen Münzen umfasst, wandte sich das Landesamt an das Fraunhofer IFF in Magdeburg.
Digitaler Fingerabdruck für archäologische Funde
»Ziel des Landesamts war es, den kompletten Münzbestand zu digitalisieren. Dabei entstand die Idee, einen digitalen Fingerabdruck zu erstellen, mit dem man die einzelnen Münzen wiedererkennen und klassifizieren kann – ähnlich der Gesichtserkennung beim Menschen. Der Fingerabdruck ersetzt quasi den Barcode«, beschreibt Dr. Christian Teutsch, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF, den ersten Kontakt mit dem Landesamt für Denkmalpflege. Um dies zu realisieren und eine eindeutige Signatur der Münzen zu ermöglichen, konzipierten die Projektpartner in enger Zusammenarbeit im Projekt »Digitaler Fingerabdruck für archäologische Funde – Prototyp für die Individualisierung und Wiedererkennung von Fundstücken« ein optisches Datenerfassungssystem und Softwareanalyseverfahren, das die alten Münzen digital erfasst und eindeutig beschreibt. Das Messsystem sollte eine Wiedererkennungsrate von über 98 Prozent erzielen, berührungslos arbeiten und die beidseitige Datenerfassung gewährleisten. Geprüft werden sollen Gold-, Silber-, Bronze- und Kupfermünzen mit einem Durchmesser von fünf bis 75 Millimeter.
Fälschungen aufspüren
Der neuartige Scanner O.S.C.A.R. – kurz für Optical System for Coin Analysis and Recognition – erfasst nicht nur die optischen Merkmale der Münzen, sondern auch feinste Gebrauchsspuren wie Kratzer, Abbrüche, Konturen, Ecken, Vertiefungen und Dellen, die ein Objekt einzigartig machen. Dies ist unabdingbar, um viele Münzen des gleichen Typs identifizieren zu können. »Es ist naheliegend, dass man Veränderungen feststellen kann, wenn man eine Münze zweimal scannt. Hat man Münzen verliehen, kann man somit bei der Zurücknahme prüfen, ob beispielsweise Kratzer hinzugekommen sind, ob das Fundstück beschädigt wurde oder ob es sich gar um ein Plagiat handelt«, sagt der Ingenieur, Mitarbeiter der Abteilung »Mess- und Prüftechnik«.
Variable Lichtquellenverschiebung auf den digitalisierten Münzen
Der Scanner umfasst mehrere Kameras sowie mehrere Lichtquellen, die die Münzen aus unterschiedlichen Richtungen beleuchten und hochgenaue Auflösungen und Vergrößerungen erlauben. So können Teutsch und sein Team alle Merkmale hervorheben und erfassen, ohne dass Spiegelungen und Reflektionen auftreten. »Die Lichtquellen lassen sich am Bildschirm virtuell drehen und beliebig über die Münzoberflächen ziehen. Das ist ein großer Vorteil für Numismatiker, die nun nur sehr schlecht zu erkennende Ober- und Unterseiten schneller und exakter identifizieren können«, betont Teutsch.