Pestizide stehen in der Kritik: Werden diese auf Früchte, Getreide oder andere Pflanzen gesprüht, wirkt sich dies negativ auf die Umwelt aus. Denn: Die Insektizide dezimieren nicht nur Schädlinge wie den Maiszünsler oder den Herbstheerwurm, sondern reduzieren auch die Anzahl der nützlichen Insekten wie Bienen, Hummeln und Co. und senken somit die Biodiversität. Zum anderen können Reste der Pestizide auf den Nahrungsmitteln verbleiben. Die Kehrseite der Medaille: Die Weltbevölkerung wächst und muss versorgt werden – ohne Pflanzenschutzmittel ist dies kaum möglich. Eine nachhaltige Lösung bieten Pheromone. Statt die Insekten zu töten, sorgen sie dafür, dass die männlichen Schädlinge ihre weiblichen Partner nicht mehr finden und die Vermehrung verhindert wird. Die wirklichen Schädlinge – also die Larven, die die Pflanzen kahl fressen – gibt es somit kaum. Pheromone bieten zahlreiche Vorteile gegenüber Pestiziden: Sie schaden weder dem Landwirt noch den bestäubenden Insekten, auch bleiben keine Rückstände auf den Pflanzen zurück. Allerdings ist die chemische Synthese, über die die Pheromone bislang hergestellt werden, sehr kostenintensiv und oftmals umweltschädlich.
Pheromone kostengünstiger produzieren
Eine neue Herstellungstechnik soll dies künftig ändern – und die Kosten für die Pheromone langfristig deutlich senken. Forscherinnen und Forscher entwickeln das Verfahren derzeit im EU-Projekt OLEFINE, an dem auch das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP beteiligt ist. »Statt die Pheromone chemisch zu synthetisieren, setzt das Team auf eine biotechnologische Herstellung«, erläutert Eva Knüpffer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IBP. Das Prinzip ist unter anderem von der Insulinherstellung bekannt. Die Basis bilden Hefezellen, die unter bestimmten Bedingungen über ihren Stoffwechsel die Pheromone produzieren. Der Herstellungsprozess selbst wird federführend von der Firma Biophero inDänemark entwickelt. Die Kolleginnen und Kollegen des Fraunhofer IBP widmen sich der Nachhaltigkeit und der Ökobilanzierung – sowohl der Herstellungsmethode als auch der späteren Verwendung der Pheromone. »Wir untersuchen über Modelle beispielsweise, wie viel Materialien und Energie bei der Herstellung nötig sind und wie sich dies auf die Umwelt auswirkt. Dabei schauen wir uns die einzelnen Schritte sehr detailliert an und zeigen auf, bei welchen Einzelschritten sich Veränderungen stark auswirken würden. Diese Informationen spielen wir an die dänischen Partner zurück, die sie dann entsprechend umsetzen«, sagt Knüpffer.
Auswirkungen auf die Umwelt
Künftig wollen die Forscherinnen und Forscher auch die Wirkung der Pheromone auf die Umwelt näher untersuchen: Für 2020 sind Feldversuche mit den biotechnologisch hergestellten Pheromonen geplant. Mit den dort erhobenen Daten werden sie weitere Berechnungen und Untersuchungen basierend auf Ökobilanzmodellen durchführen. Eine der Fragestellungen: Wie wirken sich die Pheromone auf die Biodiversität aus? Wie ist ihre Wirkung auf die Schädlinge? Verglichen wird jeweils mit den herkömmlichen Insektiziden. Auf diese Weise können die Forschenden abschätzen, in welchem Ausmaß die Pheromone die Umweltbelastungen durch Pestizide reduzieren können.
Langfristig ähnlicher Preisrahmen wie bei Pestiziden denkbar
Auch eine Kostenanalyse führt das Forscherteam am Fraunhofer IBP durch. Zwar sind konkrete Aussagen derzeit noch nicht möglich, dennoch ist Knüpffer zuversichtlich: »Die biotechnologische Herstellung der Pheromone ist deutlich kostengünstiger als die chemische. Dazu kommt: Die Pheromone müssen nur einmal jährlich während der Flugphase der Falter ausgebracht werden, während Insektizide in der Regel mehrmals pro Jahr versprüht werden. Daher ist es durchaus denkbar, langfristig in einen ähnlichen Preisrahmen zu kommen wie bei den Pestiziden«, sagt die Forscherin. Ein weiterer Vorteil für die Landwirte: Sie müssen nicht mit dem schweren Traktor über das Feld fahren, um das Pflanzenschutzmittel auszubringen. Denn die Pheromone werden in bioabbaubaren Dispensern in regelmäßigen Abständen auf dem Feld verteilt. Hierbei ergibt sich auch eine Reduzierung des Dieselverbrauchs und der Bodenverdichtung und somit auch der Umweltbelastung.
Dieses Projekt wird mit Mitteln aus dem Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union unter Grant Agreement Nr. 760798 gefördert.