Die Auswahl an Gesichtscremes ist riesig. Doch welches Pflegeprodukt ist das richtige für die eigene Haut? Die passende Creme für den individuellen Hauttyp zu finden, ist gar nicht so einfach. Zahlreiche Faktoren wie Jahreszeit, Stress, Hormonhaushalt und Alter beeinflussen den Zustand der Haut zusätzlich und erschweren die Kaufentscheidung. Eine Gesichtscreme, die auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmt ist, wünschen sich viele Frauen. Eine solche personalisierte Tagespflege haben Viktor Balzer und sein Kollege Dr. Lars Rüther, Molekularbiologe bei der Dermatest GmbH, mit ihrem Unternehmen Skinmade, einer Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Produktions-technik und Automatisierung IPA auf den Markt gebracht. Bereits in drei Douglas-Filialen in Frankfurt, Hamburg und Sindelfingen können Kundinnen die Hautcreme kaufen. Bis Ende 2019 soll Skinmade Personal Skin Care in allen Großstädten erhältlich sein.
Losgrößen 1-Produktion ohne hohe Stückkosten
In dem Produkt, das alle Regularien der EU-Kosmetikverordnung erfüllt und dermatologisch überprüft ist, stecken fünf Jahre Forschung, zahlreiche Tests mit Probanden sowie das Know-how eines multidisziplinären Teams aus IT-Spezialisten, Ingenieuren, Maschinenbauern, Dermatologen, Pharmazeuten und Biologen. Das Ergebnis ist ein neuartiges Cyberphysisches Produktionssystem, das es ermöglicht, die personalisierte Hautcreme massenhaft und zugleich wirtschaftlich herzustellen. Der Preis für Skinmade Personal Skincare (30 ml) beträgt 40 Euro. Die Beauty-Minifabrik in der Größe eines Kleiderschranks umfasst eine komplette Produktionsstraße, die Maschinensteuerung, Rohstoffe, Tiegel und Deckel sowie Messgeräte, um den Feuchtigkeits- und Fettgehalt der Haut zu analysieren. Die Bedienung erfolgt über ein Touchdisplay, am Ende der Produktion landet das fertige Produkt in einem Ausgabefach. »Aus produktionstechnischer Sicht geht es im Prinzip um die Massenfertigung in Losgröße 1. Also darum, individuelle Produkte profitabel herzustellen«, sagt Balzer, Wissenschaftler am Fraunhofer IPA. Das Forscherteam rund um den Wirtschaftsingenieur hat ein Patent entwickelt, das die Losgrößen 1-Produktion bei zugleich positiven Skalen- und Verbundeffekten, sprich bei sinkenden Stückkosten, ermöglicht. »Wir heben den eigentlichen Widerspruch zwischen maßgeschneiderten Produkten und hohen Stückkosten auf. So kann ein verhältnismäßig geringer Endverbraucherpreis realisiert werden. Natürlich verraten wir nicht, wie unser Patent funktioniert. Nur soviel sei gesagt: Die erforderlichen Abläufe dosieren, homogenisieren und reinigen sind in einem Prozessschritt integriert. Daher können wir sehr schnell fertigen«, erläutert Balzer. Dabei gelingt es den Unternehmern, geringste Konzentrationen präzise – bis zu 3 Mikroliter genau – zu dosieren. Ein weiterer Baustein des Erfolgs ist das spezielle Know-how in puncto Dermopharmazie, also der Wirkung von Inhaltstoffen auf wichtige Biomarker.
Personalisierte Creme in sieben Minuten herstellen
Bevor die Produktion starten kann, wird an Stirn, Wange und unterhalb des Mundwinkels der Feuchtigkeits- und Fettgehalt der Haut ermittelt. Bei dieser Hautanalyse werden Biomarker gemessen, die den aktuellen Hautzustand anzeigen. Mithilfe der Corneometrie bestimmen die Forscher die Hautfeuchtigkeit. Die Methode basiert auf der Messung der Dielektrizitätskonstanten von Wasser in der obersten Hautschicht, dem Stratum corneum. Diese Hautschicht reicht etwa 20 Mikrometer tief. Mittels Sebumetrie kann der Gehalt an Oberflächenlipiden an der Haut quantifiziert werden. Das Messverfahren basiert auf der sogenannten Fettfleck-Photometrie. Ein mattiertes Band wird über eine standardisierte Messdauer von 30 Sekunden auf die Haut gehalten. Nach Kontakt mit dem Sebum wird das Band lichtdurchlässig und gibt über das Maß der Transparenz des Bandes Aufschluss über den Fettgehalt der Haut. Eine weitere Messung bestimmt die Elastizität der Haut. Selbstlernende Algorithmen und eigens programmierte neuronale Netze werten das Messergebnis aus und berechnen, welche Inhaltsstoffe die personalisierte Creme in welcher Konzentration enthalten soll. Die hierfür erforderlichen KI-Trainingsdaten haben Balzer und seine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls aufbereitet. Eine Cloudlösung steuert das komplette Cyberphysische Produktionssystem. Nach abgeschlossener Auswertung und Analyse werden die Messergebnisse an die Maschinensteuerung übertragen. Am Ende des kompletten Produktionsprozesses, der lediglich sieben Minuten dauert, erhält die Kundin einen fertig abgefüllten Tiegel mit 30 Millilitern. Sie kann sogar Duft und Textur der Gesichtscreme wählen. Nach sechs Wochen empfiehlt sich eine erneute Messung. Nur so lässt sich herausfinden, ob sich die Haut verändert hat und eine andere Mischung der Inhaltsstoffe sinnvoll ist. Die Käuferin erhält also immer ein an den aktuellen Hautzustand angepasstes Produkt. »Ein Produkt von der Stange kann nie so gut wirken wie ein personalisiertes. Möglicherweise enthält die Standard-Pflege Inhaltsstoffe in einer Konzentration, die man gar nicht benötigt. In der Folge kann es zu Über- oder Unterpflegung kommen«, sagt Dr. Lars Rüther.
Mini-Hautmessgerät für zuhause in Planung
Wer möchte, kann sich künftig zuhause messen lassen: Beraterinnen kommen auf Bu-chungsanfrage mit einer mobilen Messstation zur Kundin. Die Daten werden nach der Messung in der Cloud ausgewertet, die fertig hergestellte Hautcreme per Post versandt. Für zusätzlichen Komfort sorgt ein Mini-Hautmessgerät samt App, dass man online bestellen kann. Die Kundin ist dann in der Lage, die Haut-Messung eigenständig zuhause durchzuführen und die Daten per App an Skinmade zu übermitteln. Diese Variante soll 2020 erhältlich sein. Doch das Skinmade-Team hat noch viel vor – weitere personalisierte Produkte sind in Planung: Ein Sortiment aus Cleanser, Tonikum und Serum sollen das Portfolio komplettieren. Ziel ist eine maßgeschneiderte Systempflege, deren Produkte optimal aufeinander abgestimmt sind.