Stahl ist ein vielseitigster Werkstoff und wird für die Herstellung unzähliger Produkte eingesetzt – vom Küchenmesser über Stahlbeton bis hin zur Flugzeugturbine und zum Ozeanriesen. Jahr für Jahr werden weit über eine Milliarde Tonnen des metallischen Werkstoffs produziert und verarbeitet. Von der Herstellung bis zum fertigen Produkt ist es jedoch eine lange Reise, bei der jährlich mehrere 100 Millionen Tonnen Schrott anfallen. So schneiden zum Beispiel Stahlhändler ihre standardisierten Stahlstangen genau auf die kundenspezifischen Längen zu – ein Vorgang, bei dem eine Menge Schrott entsteht. Die Herausforderung ist es daher, die Schnitte so zu setzen, dass aus dem Lagerbestand möglichst viele verwendbare Stangen geschnitten werden können. Frühere Lösungen für diese Herausforderung waren oft wenig befriedigend. Doch Experten des Fraunhofer SCAI in Sankt Augustin haben mit einer selbst entwickelten Software, dem »AutoBarSizer«, eine Lösung vorgelegt, die den anfallenden Schrott deutlich reduziert, eine sehr gute Materialausnutzung erbringt und dadurch die Kosten für den Stahlhändler merklich senkt.
Merkliche Effizienzsteigerung
»Unsere Software errechnet Schnittpläne, die auf den Stangen im Lager des Händlers beruhen und sowohl neue Stangen mit Standardlänge als auch die unterschiedlich langen Restbestände miteinbeziehen«, erklärt Thomas Weyd vom Fraunhofer SCAI. »In einem Pilotprojekt konnten wir so die Materialausnutzung um sieben Prozentpunkte erhöhen und den Restlagerbestand um 25 Prozent reduzieren.« Bei den großen Mengen an Stahl, die umgesetzt werden, rechnet sich diese Effizienzsteigerung schnell. Ein Beispiel: Bei einem Stahlpreis von 500 Euro pro Tonne und einem Verarbeitungsvolumen von 50 Tonnen am Tag kann der Stahlhändler bei einer Verbesserung um nur einen Prozentpunkt bereits 5000 Euro im Monat einsparen.
Die Software lässt sich genau an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Dabei lassen sich nicht nur Parameter wie die Maschineneigenschaften einstellen. Auch ab wann ein Schnittrest weiterverwendet oder verschrottet werden soll, lässt sich festlegen. Darüber hinaus kann »AutoBarSizer« bei der Berechnung des optimalen Schnittplans auf die Daten des Lagers und des Restebestands zugreifen. Basierend auf diesen Faktoren kann der Verantwortliche mit dem Programm verschiedene Schnittpläne mit unterschiedlichen Schwerpunkten erstellen. Beispielsweise einen Schnittplan, bei dem möglichst wenig Schrott anfällt und einen, bei dem möglichst viele Restbestände aufgebraucht werden. Der Händler kann so wahlweise materialsparend arbeiten, das Restelager optimieren oder eine Kombination aus den verschiedenen Varianten wählen.
Algorithmisch optimierter Schnittplan
Basierend auf dem Materialbestand berechnet der Algorithmus des Fraunhofer SCAI sehr gute und häufig beweisbar optimale Ergebnisse. »Das mathematische Grundproblem ist bereits gut erforscht«, sagt Weyd vom Fraunhofer SCAI. »Die Herausforderung, die wir mit »AutoBarSizer« gelöst haben, lag in den alltäglichen Nebenbedingungen. Vor allem Gehrungsschnitte sind eine echte Herausforderung: Bei einem geraden Schnitt ist das Ganze in erster Linie eine Frage der Anordnung. Beim Gehrungsschnitt sind einige zusätzliche Parameter zu beachten.« So müssen zum Beispiel Abstände bei inkompatiblen Gehrungswinkeln mit einberechnet werden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, die Stange zu drehen, die Winkel zu tauschen oder zu spiegeln. Die Software des Fraunhofer SCAI bildet diese Faktoren nicht nur mathematisch ab, sondern schlägt auch effiziente Lösungen vor, die Material, Kosten und Zeit sparen.
Mit »AutoBarSizer« haben die Experten des Fraunhofer SCAI verschiedene Fragestellungen gelöst, die bei der Planung in Walzwerken und bei Stahlhändlern, aber ebenso in der holzverarbeitenden Industrie sowie bei Herstellern und Verarbeitern von Leisten aller Art auftreten.