Aquatische Zelltechnik:
Dem Koi-Herpesvirus die Stirn bieten
Egal ob gegrillt, scharf mit Paprikagemüse oder in Mehl gewendet und schwimmend in Fett gebacken – der Karpfen ist einer der beliebtesten Speisefische. Eine gefürchtete Bedrohung für den bis zu 15 Kilo schweren Friedfisch: das Koi-Herpesvirus (KHV). Es kann monatelang im Karpfen schlummern, bevor die meist tödliche KHV-Infektion ausbricht – genug Zeit, um zahlreiche andere Zuchtfische zu infizieren. Fraunhofer-Forscher haben jetzt zusammen mit drei weiteren Partnern ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Virus zuverlässiger und präziser diagnostizieren lässt.
Rund die Hälfte aller Speisefische stammt heute aus Aquakulturen, denn die Überfischung der Meere führt dazu, dass dieser Markt kontinuierlich wächst. Für den fischereiwirtschaftlichen Ertrag ist die Gesundheit der Fische entscheidend.
Nach der Forelle ist der Karpfen der wichtigste Aquakulturfisch in Deutschland. Große Karpfenzuchten finden sich in der sächsischen Oberlausitz, aber auch Franken und die Oberpfalz gelten als traditionelle Karpfenregionen mit zahlreichen kleineren Betrieben. Seit Jahren kämpfen Züchter in ganz Deutschland gegen das Koi-Herpesvirus, das sich immer weiter ausbreitet und die anzeigepflichtige KHV-Infektion verursacht. Bei einem Ausbruch der Krankheit in Sachsen in den Jahren 2003 bis 2005 starben in einigen Fischzuchten fast alle Tiere, 28 Tonnen Karpfen gingen verloren.
Verbesserte Diagnostik mittels Zellkulturen
»Die KHV-Infektion ist nicht therapierbar, daher ist es wichtig, möglichst gut vorzubeugen. Wir haben mit unseren Projektpartnern eine verbesserte Diagnostik entwickelt, mit der man infizierte Tiere zuverlässig identifizieren kann. Je schneller die kranken Karpfen separiert werden, desto größer die Chance, die anderen Fische vor dem KHV zu bewahren«, sagt Dr. Sebastian Rakers, der an der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik EMB in Lübeck die Arbeitsgruppe Aquatische Zelltechnologie und Aquakultur leitet.
Bisher wird das Koi-Herpesvirus mit Hilfe von PCR-Tests nachgewiesen, die die Erreger-DNA in einer Gewebeprobe sichtbar machen. »Wenn in der Probe allerdings zu wenig Virus-DNA vorhanden ist, bekommt man mit PCR falsch negative Ergebnisse.«
Ein weiterer, erheblicher Nachteil der PCR-Tests: Sie erlauben keine Aussage darüber, wie infektiös das Virus ist, da der genomische Nachweis nicht dem Nachweis von vermehrungsfähigem Virus entsprechen muss.
»Mit unseren verbesserten und teils neu entwickelten Verfahren mittels Zellkulturen können wir feststellen, wie viele Viruspartikel pro Zelle vorhanden sind – und damit auch, wie stark das Virus in den Zellen repliziert wird.« So dienen die Zellkulturen nicht nur als zusätzliches Diagnostikinstrument, sondern auch dazu, das Virus besser zu verstehen.
Impfstoffentwicklung ist auf gutem Weg
Rakers und seinem Team gelang es, Zellkulturen zu züchten, die pro Zelle wesentlich mehr Viren replizieren können als herkömmliche Kulturen. »Bisher lag der bestmögliche Titer, also die Anzahl von infektiösen Viren pro Milliliter, die benötigt wird, um die Hälfte der Zellen zu töten, bei 106. Wir konnten den Virustiter auf 108 erhöhen und hoffen, durch weitere Optimierungsmaßnahmen einen Titer von 1010 zu erreichen.«
Das ist nicht nur wichtig für eine verbesserte Diagnostik, sondern auch Voraussetzung für die Entwicklung eines gut wirksamen Impfstoffs gegen KHV. »Unsere Projektpartner vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Tierärztlichen Hochschule Hannover arbeiten intensiv an der Impfstoffentwicklung und konnten bei der asiatischen KHV-Linie die Mortalitäten bereits erheblich reduzieren.«
Gefördert wird das Verbundprojekt »KHV-Vacc« durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen 2815HS011.