Ist ein Riss, Korrosion oder ein anderer Makel in einem Bauteil, etwa in Dampfleitungen von Kohlekraftwerken, muss es dringend repariert werden. Ultraschallsensoren, die von außen angebracht werden, können solche Fehlstellen aufspüren. Allerdings nur dann, wenn die Bauteile nicht heißer als etwa 200 Grad Celsius sind. Denn ab dieser Temperatur verlieren konventionelle piezoelektrische Materialien ihre Funktion, die zum Bestimmen von Druck, Kraft, Spannung, Beschleunigung oder als Gassensor eingesetzt wird. Zudem versagen Kapselungen aus Kunststoffen, die nicht hitzeresistent sind.
Erste Sensoren für Hochtemperaturanwendungen
Forschern am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC ist es gelungen, Piezo-Sensoren für Hochtemperaturanwendungen zu realisieren. »Unsere Sensoren haben wir bereits bei bis zu 600 Grad Celsius eingesetzt, generell sind bis zu 900 Grad Celsius möglich«, sagt Dr. Bernhard Brunner, Leiter der Applikationstechnik beim Center Smart Materials des Fraunhofer ISC. Zudem sind die Ultraschallsensoren langzeitstabil – zwei Jahre halten sie in jedem Fall, für viele Anwendungen erwarten die Forscher eine Lebenszeit von mehreren Jahrzehnten. Das Prinzip ist das gleiche wie bei anderen Piezosensoren auch: Dieser wird von außen an das Bauteil appliziert, etwa an ein heißes Stahlrohr. Legt man nun eine elektrische Wechselspannung an den Piezokristall an, verformt dieser sich mechanisch und sendet eine Ultraschallwelle in das Material. Der Sensor schaltet nach dem Schallpuls um auf Empfang und detektiert das Signal, das vom Bauteil zurückgeworfen wird. Üblicherweise erhält er dabei immer das gleiche Ursprungssignal. Ist jedoch ein Riss im Bauteil oder eine Stelle korrodiert, ändert dieser Defekt das zurückgeworfene Signal und weist damit auf eine Defektstelle hin. Verwendet man mehrere Wandler, die als Sender und Empfänger dienen, kann man den Ort des Fehlers sogar auf wenige Millimeter genau lokalisieren. Die Reichweite des Sensors beträgt je nach Material des Bauteils einige Meter.
Die Herausforderung bestand darin, handelsübliche Piezokristalle so aufzubauen, dass sie einen Dauereinsatz an heißen Bauteilen als Schallwandler überstehen. Problematisch ist vor allem der Klebstoff, mit dem die Sensoren umhüllt und am Bauteil befestigt werden: Er verträgt zu hohe Temperaturen nicht. »Wir verwenden daher Glaslote als Klebstoff und Gehäusematerial«, erläutert Brunner. Nun müssen diese Gläser, die zur Gruppe der Klebstoffe gehören, jedoch nicht nur Hitze vertragen, sondern vor allem auch die Temperaturunterschiede zwischen der Raumtemperatur und der Betriebstemperatur von mehreren hundert Grad Celsius. Während sich der Stahl des Bauteils beim Erhitzen sehr stark ausdehnt, verändert der Kristall seine Ausmaße nur marginal. Das Glaslot, in das der Sensor gebettet wird, muss diese verschiedenen Ausdehnungen mitmachen und darf dabei nicht zerspringen. Die Forscher umhüllen den Sensor daher mit mehreren Schichten aus verschiedenen Glasloten, die exakt aufeinander sowie auf die Materialspezifika des Bauteils abgestimmt sind. Die entsprechenden Glaslote sowie die Prozess- und die Verarbeitungstechnik stammen ebenfalls aus dem Fraunhofer ISC. Damit die elektrischen Signalleitungen bei den hohen Einsatztemperaturen nicht korrodieren, bestehen die Zuleitungen aus Edelmetallen wie Platin.
Breite Anwendungspalette
Die Anwendungen für die Hochtemperatur-Ultraschallwandler sind zahlreich: Die Forscher können mit ihren Sensoren beispielsweise auch messen, wie viel einer heißen Flüssigkeit – etwa Öl – durch ein Rohr strömt sowie die Temperatur eines Gases oder einer Flüssigkeit berührungslos bestimmen: Während ein Fühler einige Sekunden braucht, bis er die Temperatur ermittelt hat, kommt der Ultraschallwandler innerhalb weniger Millisekunden zu dem Ergebnis. Denn er misst die Temperatur über die Schallgeschwindigkeit, die temperaturabhängig ist. Auf der Messe Sensor+Test vom 30. Mai bis 1. Juni 2017 in Nürnberg stellen die Forscher Prototypen ihrer robusten Spürnasen vor (Halle 5, Stand 248).