Wenn sich die Dunkelheit bereits nachmittags übers Land senkt, ist man im Winter froh über jeden Sonnenstrahl. An heißen Sommertagen dagegen könnte man auf den Wärmeeintrag verzichten, den die Sonne ins Büro bringt. Elektrochrome Scheiben schaffen Abhilfe: Ist es draußen eher dunkel, sind sie transparent und lassen Licht und Wärme durch. Knallt dagegen die Sonne vom Himmel, können die Fenster abgedunkelt werden, so dass ein Großteil der Hitze draußen bleibt. Diese Scheiben schimmern in schönem Blau. In anderen Farben sind sie bislang nicht erhältlich.
Schnelle Schaltzeiten
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm haben eine neue Herstellungsmethode für solche elektrochromen Glasscheiben entwickelt – gemeinsam mit der TILSE FORMGLAS GmbH. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft BMWi. »Wir können zum einen Glasscheiben mit einer großen Farbvielfalt herstellen, zum anderen erreichen wir deutlich schnellere Schaltzeiten als bei bisherigen Modellen«, sagt Dr. Volker Eberhardt, Wissenschaftler am IAP.
Das Prinzip der elektrochromen Scheiben: Üblicherweise verwenden Hersteller Glas, das mit lichtdurchlässigen Indium-Zinn-Oxid oder dem kostengünstigeren Fluor-Zinn-Oxid beschichtet ist. Durch diese Beschichtung wird das Glas elektrisch leitfähig. Für eine intelligente Fensterscheibe sind zwei solcher Glasscheiben erforderlich. Auf eine der beiden wird noch eine weitere Schicht aufgedampft, das elektrochrome Wolframoxid. Die Gläser werden mit den beschichteten Seiten aufeinander gelegt, ein gelartiger Elektrolyt verbindet sie. Legt man eine Spannung an das Glas an, verdunkelt sich die Wolframoxidbeschichtung. Durch Umkehrung der Polung hellt sie sich auf. Dies dauert jedoch lange – vor allem bei großen Scheiben von zwei bis drei Quadratmetern können 15 bis 20 Minuten vergehen, eh sie vollständig abgedunkelt sind.
Organische Monomere sorgen für den Abdunkelungseffekt
Die Forscher am IAP setzen auf eine andere Technologie, um die Scheiben abzudunkeln. »Wir nutzen organische Monomere, die wir in ein speziell entwickeltes Gießharz mischen«, sagt Eberhardt. Wie beim bisherigen Verfahren nutzen die Forscher als Ausgangssubstrat zinnoxidbeschichtete Glasscheiben. Sie verzichten allerdings auf eine weitere Beschichtung. Stattdessen legen sie die Scheiben mit der Zinnoxidbeschichtung aufeinander, füllen das Gießharz samt den elektrochromen Molekülen in den entstehenden Hohlraum und härten das Harz über Hitze oder UV-Strahlung aus. Nun legen die Wissenschaftler eine Gleichspannung an: Dies führt dazu, dass sich die Monomere auf einer der Elektroden zu einem elektrochromen Polymer verbinden. Bei einer deutlich geringeren Spannung lässt sich die Scheibe dann schalten. Der organische Farbgeber hat verschiedene Vorteile. Zum einen lassen sich durch die Wahl anderer Monomere künftig auch rote oder lila Scheiben verbauen. Zum anderen reagieren diese deutlich schneller. »Eine 1,2 Quadratmeter große Scheibe abzudunkeln, dauert nur etwa 20 bis 30 Sekunden. Klassische Wolframoxid-basierende elektrochrome Systeme würden dafür sicherlich zehn Minuten brauchen«, konkretisiert Eberhardt.
Sichere und stabile Scheiben
Auch die Stabilität der Scheiben spricht für das neue Verfahren. »Wir haben die Stabilität unserer elektrochromen Scheiben entsprechend geltender DIN-Normen testen lassen: Bereits ein Verbund aus zwei Scheiben reicht aus, um eine Überkopf-Verglasung oder begehbare Scheiben zu realisieren. Bisher brauchte man dazu einen Vielfach-Glas-Verbund«, so Eberhardt. Das heißt: Mit dem speziellen Gießharz lassen sich zum einen Materialkosten sparen, da man statt drei oder vier Scheiben nur zwei braucht, zum anderen kann man diese erstmalig auch elektrochrom schalten. Auch für den Schiffsbau sind die Gläser stabil genug. Einen Prototyp der elektrochromen Gießharz-Verglasung gibt es bereits, er schaltet momentan in der Farbe Blau. Im nächsten Schritt realisieren die Forscher andere Farben, etwa Rot.