Ermüdungsprüfungen erfolgreich bestanden
Dieser Aufgabe widmen sich Forscher am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Bremerhaven gemeinsam mit der WindMW Service GmbH, dem Bremer Institut für Messtechnik, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ) und der Deutsche WindGuard Engineering GmbH im Rahmen einer Konzeptstudie. Mit dem Ziel, Stillstandszeiten der Anlagen und Personeneinsätze zu reduzieren, verfolgen sie zwei parallele Ansätze. Zum einen testen sie die Kombination von Drohnen und mobiler Thermografietechnik, zum anderen wird ein Schallemissionsverfahren angewendet. Das im Rotorblatt eingebaute Schallemissionsmesssystem erkennt auch tiefliegende Schäden, zum Beispiel am Steg des Rotorblattes, und dient als Frühwarnsystem. Mit der Thermografiekamera lassen sich dagegen oberflächliche Schäden ermitteln, die zum Beispiel durch Regenerosion ausgelöst wurden. Das zerstörungsfrei arbeitende Akustik-Emissions-System wird vom Fraunhofer IWES für die Untersuchung von Rotorblättern optimiert. Schallemissions- beziehungsweise Piezosensoren werden im Inneren der Rotorblätter an strukturrelevanten Bereichen – besonders an typischen Schwachstellen – angebracht. Den Messrechner, der die Sensordaten sammelt und verarbeitet, verbauen die Forscher in der Nabe.
»Im Prinzip funktionieren die Sensoren wie Mikrofone. Treten im Rotorblatt plötzliche Spannungsänderungen auf, wird lokal Energie freigesetzt, die in Form von Wärme und Oberflächenwellen mit den Sensoren messbar wird. Die Wellen kommen zu unterschiedlichen Zeitpunkten an den einzelnen Sensoren an. Durch die zeitliche Differenz lässt sich der Ursprungsort des Schadens lokalisieren«, erläutert Stefan Krause, Projektleiter am Fraunhofer IWES, die Funktionsweise des Akustik-Emissions-Systems, das im Labormaßstab bereits in den Rotorblattprüfständen des Instituts erfolgreich getestet wurde. Während statischer Rotorblatttests und Ermüdungsprüfungen konnten die Forscher beispielsweise Kleb- und Zwischenfaserbrüche, Schäden in der Gurt-Steg-Verklebung, Risse in der Hinterkante von Rotorblättern, aber auch fehlerhafte Verklebungen im Wurzelbereich orten. Der Praxistest unter Realbedingungen steht noch aus: Er wird im Frühjahr 2018 im Offshore-Windpark Meerwind Süd | Ost vor Helgoland stattfinden.
Große Rotorblattstrukturen permanent überwachen
Mit dem Akustik-Emissions-System lassen sich sehr große Strukturen effizient und zuverlässig permanent überwachen. Sobald die Sensoren eine potentielle Schadstelle detektieren, können gezielt weitere Maßnahmen eingeleitet werden. Je nach Art und Position des Schadens kann zur näheren Untersuchung beispielsweise eine Außeninspektion des Rotorblattes mit Thermografieaufnahmen erfolgen.
An Fehlstellen entsteht Reibung und infolgedessen Wärme, den Wärmefluss im Material kann man mittels Thermografieaufnahmen sichtbar machen. Im Projekt wird die passive Thermografie eingesetzt, bei der man sich die Eigenerwärmung des zu untersuchenden Objekts oder Temperaturunterschiede durch den natürlichen Tag-Nacht-Zyklus zunutze macht. Thermografiemessungen zur Strömungsvisualisierung an drehenden Onshore-Windenergieanlagen setzen Deutsche WindGuard Engineering GmbH und BIMAQ schon seit einigen Jahren erfolgreich ein. Die Herausforderung besteht nun darin, das Verfahren Offshore-tauglich zu machen.
Auf Drohnen befestigt lassen sich so mit Thermografiekameras Fehlstellen unterhalb der Oberfläche von Verbundmaterialien aufspüren, wie zum Beispiel Delaminationen (Schichtablösungen), Einschlüsse, Fehlverklebungen in den Last tragenden Gurt-Steg-Verbindungen und Hohlräume, sogenannte Lunker. Diese Schäden in der Tiefe des Rotorblatts sind Ausgangspunkte für wachsende Strukturschäden im Betrieb, die bei Nichterkennung zum Totalverlust führen können. »Ziel ist es, durch das kombinierte Prüfverfahren Schäden früher zu erkennen und so Notabschaltungen zu vermeiden. Außerdem besteht die Möglichkeit, Blätter gezielt zu inspizieren«, so Nicholas Balaresque, Geschäftsführer bei der Deutschen WindGuard Engineering.
Erste Thermografietests in den Räumlichkeiten des Partners Deutsche WindGuard Engineering GmbH wurden erfolgreich abgeschlossen, im nächsten Schritt muss die Auswahl der Kameratechnik und der Drohnen getroffen werden. Im Zuge der Validierung von Thermografieaufnahmen zur Strukturanalyse der Rotorblätter werden darüber hinaus Messungen an der Forschungswindenergieanlage der Universität Bremen durchgeführt und darauf basierend Auswertealgorithmen entwickelt. Die WindMW Service GmbH als Betreiber eines Offshore-Windparks konzipiert Einsatzszenarien für die Offshore-Rotorblattinspektionen mit dem Ziel der nachhaltigen Reduzierung und Optimierung der regelmäßig anstehenden Prüfungen.
Kosten für die Windenergieerzeugung auf See reduzieren
Das neue kombinierte Prüfverfahren kann dazu beitragen, Inspektionskosten zu senken, aber vor allem auch den Energieertrag durch weniger Stillstandszeiten zu erhöhen. Industriekletterer benötigen einen Tag, um einen Rotor zu untersuchen. »Eine Inspektion des Rotors mittels Drohne ist in einer Stunde machbar«, schätzt Krause. »Für eine gezielte Inspektion auf Basis der Ergebnisse der Schallemissionsprüfung wird noch weniger Zeit benötigt. Speziell in Kombination mit autonomen unbemannten Flugfahrzeugen können diese neuen Technologien einen Beitrag zu einem effizienten, sicheren und energie- sowie materialoptimierten Rotorblattinspektionsverfahren liefern und somit Inspektionsaktivitäten ergänzen und unterstützen.«