Draußen steht die Luft, drinnen laufen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Kühlen und Heizen machen rund 32 Prozent des globalen Energieverbrauchs und rund 30 Prozent der CO2-Emissionen aus. Mit dem Klimawandel steigt der Bedarf an Kühlung – und damit auch ein Gesundheitsrisiko: Werden Klimaanlagen nicht richtig gewartet, bildet sich in der Anlage und den Kanälen Schimmel. Dies belastet, ebenso wie die Zugluft, das Immunsystem. In Europa setzt sich zunehmend eine effizientere und gesündere Raumtemperierung durch: In Decken, Wänden und Fußbodenflächen werden aktive Systeme verbaut. Ähnlich den Heizkörpern einer Zentralheizung werden sie von kaltem Wasser durchströmt. Diese Bauteiltemperierung stößt jedoch schnell an ihre Grenzen: Erreichen die gekühlten Oberflächen den Taupunkt, bildet sich daran – wie an einem Glas kalter Limonade – Kondenswasser.
Hoher Temperaturkomfort bei minimalem Energieverbrauch
Eine neuartige Technologie von Forschern des IBP verhindert das Entstehen von Kondenswasser im System. Die multifunktionalen Deckenmodule sind mit wärmedurchlässiger Spezialpolymerfolie bespannt. Diese wirkt wie ein Isolierglas und ermöglicht den Paneelen, weit unterhalb der Taupunkttemperatur zu arbeiten, ohne Kondenswasserbildung. »Unser System ist weltweit einzigartig«, sagt Alexander Buff, Wissenschaftler am IBP in Rosenheim. Das Konzept wurde von der Fraunhofer Venture Group (siehe Link unten) gefördert und zum Patent angemeldet. Das inzwischen 6-köpfige Team erhielt den EXIST-Förderungstransfer I, eine Start-up Forschungsförderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Aktuell wird das Projekt »Clear Sky Cooling« unter dem Namen »Interpanel GmbH« aus Fraunhofer ausgegründet, mit Alexander Buff als Geschäftsführer. Mitte 2017 ist das multifunktionale Flächenkühl- und Heizsystem verfügbar.
Multifunktionale, aufrüstbare Module
Das Besondere: Die Technologie umgeht die Taupunkttemperatur und ist multifunktional. Die etwa zwei Quadratmeter großen Module lassen sich flexibel kombinieren und und sparen als effiziente LED-Flächenbeleuchtung Energie. Mit der akustischen Aktivierung vereinfacht das System die Schnittstellenplanung. Die hohe modulare Integrationsdichte spart Bauvolumen und Installationszeit. Die individuell bedruckbaren Folien sind einfach wechselbar. Die langlebigen Module können demontiert und neu eingesetzt werden.
Die erfrischende Wirkung der Kühldecke funktioniert ähnlich wie die des sternenklaren Himmels in einer heißen Sommernacht: Die Luft wird gleich nach dem Sonnenuntergang als so angenehm kühl empfunden, weil der offene, kalte Nachthimmel die Wärme aufnimmt. Hierdurch sinkt die gefühlte Temperatur sofort. Nach demselben physikalischen Prinzip wirken die Deckenpaneele: Die kalten Kühlflächen nehmen die von Personen abgegebene Wärme direkt, geräuschlos und zugluftfrei auf. Die Flächen werden auf Knopfdruck oder per Anwesenheitssensorik gekühlt, sodass sich – wie unter dem kühlen Nachthimmel – unterhalb der Module innerhalb von rund drei Minuten ein angenehmes Klima einstellt. Das Umgehen der Problematik der Taupunkttemperatur ermöglicht es, das System auch in offenen Bereichen, etwa an Industriearbeitsplätzen oder Großraumbüros, einzusetzen. Anstatt im Raum kalte Luft zu verwirbeln, absorbieren die Module die natürliche Strahlungswärme nur dort, wo ein Wohlfühlklima benötigt wird. Diese zonale Einsetzbarkeit macht Clear Sky Cooling besonders energiesparend. Anwendung findet sich insbesondere in gesundheitlich sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern, Rehazentren und Fitnessstudios, aber auch in Großraumbüros, Kongressräumen sowie an Industriearbeitsplätzen. Das System funktioniert unabhängig von umgebender Zugluft und Luftfeuchtigkeit und arbeitet daher besonders sicher und wartungsfrei.
Während der Messe BAU vom 16. bis 21. Januar 2017 in München führt die künftige Fraunhofer-Ausgründung Interpanel GmbH ihre Innovation auf der Sonderschau »Fraunhofer StadtLabor – mit Forschung und Entwicklung Lebensräume gestalten« der Fraunhofer-Allianz Bau vor (Halle C2, Stand 538).