In der Schule des Lichts
Prof. Andreas Tünnermann, Sprecher der Max Planck School of Photonics, leitet das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena und ist Vorsitzender des Wissenschaftlich-Technischen Rats WTR der Fraunhofer-Gesellschaft. Gleichzeitig ist er Direktor des Instituts für Angewandte Physik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Mitglied des Direktoriums des Helmholtz-Instituts Jena. Für seine Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Faserlaser wurde er 2005 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. 2011 erhielt er den Verdienstorden des Freistaats Thüringen.
Wie kommt es, dass Sie als Leiter eines Fraunhofer-Instituts Sprecher einer Max Planck School geworden sind?
Bei den Max Planck Schools geht es nicht darum, bestimmte Einrichtungen zu repräsentieren. Die Schools sind ein Zusammenschluss herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eines Fachgebiets. Die Initiative zur Gründungder Max Planck School of Photonics ging von Prof. Gerd Leuchs vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und von mir aus. Wir konnten Kolleginnen und Kollegen gewinnen, die in ihrem Fach über eine hohe Sichtbarkeit verfügen, darunter renommierte Experten des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena und des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen. Zum Netzwerk gehören auch mehrere Leibniz-Preisträger und mit Prof. Stefan Hell aus Göttingen auch ein Nobelpreisträger. Er erhielt für seine Arbeiten auf dem Gebiet der ultrahochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie 2014 den Nobelpreis für Chemie.
Warum wurde die Photonik als Thema für eine der drei Max Planck Schools ausgewählt?
Da das Programm der Max Planck Schools auch Studierende adressiert, die erst im vierten oder fünften Fachsemester sind, braucht man Themen, die die jungen Menschen interessieren und denen sie in ihrem Studium bereits begegnet sind. Weil die Photonik sowohl für die Wissenschaft als auch für die Wirtschaft eine wichtige Schlüsseltechnologie ist, genießt sie eine hohe Attraktivität. Zudem wurden in den letzten Jahren sieben Nobelpreise im Bereich der Photonik verliehen.
Mit welchen Themen werden sich die Studierenden beschäftigen?
Das übergeordnete Thema lautet: »Kontrolle von Licht auf allen Skalen«. Wir kontrollieren Licht verschiedenster Wellenlänge – von der Röntgenstrahlung bis zu den Mikrowellen. Wir arbeiten mit extrem kurzen Pulsen genauso wie mit sehr hohen Lichtintensitäten. Mit unseren optischen Forschungsmethoden können wir Elektronen in Atomen aber auch das Universum untersuchen.
Wie unterscheidet sich das Studium an der Max Planck School of Photonics von einem klassischen Studium?
Es handelt sich um ein integriertes Master-Promotionsprogramm nach US-amerikanischem Vorbild, das jetzt erstmals in Deutschland etabliert wird. Wir wollen in den Max Planck Schools in einer Pilotphase untersuchen, inwieweit wir durch dieses integrale System exzellente internationale und deutsche Bachelorabsolventen gewinnen können. In vielen Ländern, wie zum Beispiel den USA, orientieren sich die Studierenden nach dem Bachelorabschluss neu und suchen aktiv nach einem Studienplatz für den Master oder direkt nach einem Promotionsprogramm. Diese Studierenden möchten wir erreichen.
Für die 20 Plätze, die in der Max Planck School of Photonics 2019 zur Verfügung stehen, rechnen wir mit über tausend Bewerbungen. Daraus werden wir in einem mehrstufigen Verfahren die Besten der Besten auswählen. Zum zweijährigen Masterstudium kommen die Studierenden nach Jena, Erlangen oder Karlsruhe, wo bereits internationale Photonik-Studiengänge existieren. Die Studierenden werden sehr eng von Tutoren betreut. Sie besuchen zusätzliche Vorlesungen und Seminare, die über Standardcurricula hinausgehen. Darüber hinaus werden Forschungsaufenthalte unterschiedlicher Dauer innerhalb des Netzwerkes ermöglicht. Nach dem Masterstudium können sie sich auf Promotionsstellen bei den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in ganz Deutschland bewerben. Auch ein Quereinstieg direkt in das Promotionsprogramm ist möglich. Die Promotionsphase dauert dann drei Jahre.
Im internationalen Wettbewerb um die besten Studierenden konkurrieren Sie mit Top-Universitäten auf der ganzen Welt. Warum soll ein Student aus Hongkong ausgerechnet nach Jena kommen?
Wir haben in unserem Netzwerk Mitglieder mit einer international hohen wissenschaftlichen Reputation. Die Photonik wird ganz maßgeblich durch deutsche Wissenschaftler geprägt. Das trägt entscheidend zur Attraktivität des Studiengangs bei. Gleichzeitig sind deutsche Unternehmen mit ihren innovativen Produkten Weltmarktführer im Bereich der Lasertechnik.
Welche Kompetenzen bringt das Fraunhofer IOF in die Graduiertenschule ein?
Einer unserer Forschungsbereiche ist die Entwicklung komplexer optischer Systeme zur Bildaufnahme und Bildwiedergabe. Diese Systeme stellen wir Dritten zur Verfügung, die damit Grundlagenforschung betreiben. Ein schönes Beispiel für ein Gemeinschaftsprojekt ist das Infrarot-Spektrometer MERTIS, das gerade mit der Raumsonde BepiColombo auf dem Weg zum Merkur ist, um dort die Mineralvorkommen zu charakterisieren. Wir haben aber auch aus der Industrie initiierte Projekte, in denen wir unter anderem Hochleistungslaser-Systeme entwickeln und zur Verfügung stellen.
Wie kann die Max Planck School die Forschung in der Photonik beflügeln?
Unser Ziel ist, dass wir über die School die Zusammenarbeit unter uns Kolleginnen und Kollegen standort-, instituts- und institutionenübergreifend intensivieren. Dazu gehört, dass wir die Promotionen zu zweit betreuen und auch Themen gemeinsam definieren. Wir wollen die Community noch enger zusammenbringen und einen virtuellen Campus gründen. Sie leiten ein Fraunhofer-Institut, ein Universitätsinstitut, sind Mitglied im Direktorium eines Helmholtz-Instituts und Vorsitzender des Wissenschaftlich-Technischen Rats der Fraunhofer-Gesellschaft, um nur einige Ihrer Funktionen zu nennen.
Wie schaffen Sie es, Ihre vielen Aufgaben miteinander zu vereinbaren?
Das frage ich mich auch immer (lacht). Es ist wichtig, dass man an dem, was man tut, Spaß hat. Der entscheidende Punkt aber ist, dass man in Kooperation mit anderen versucht, solche Herausforderungen zu meistern. Ich habe sowohl bei Fraunhofer als auch am Lehrstuhl exzellente Teams, die an einem Strang ziehen, um miteinander Großes zu bewegen.
Das Motto des Fraunhofer-Jubiläumsjahrs lautet: #WHATSNEXT. Daher die Frage an Sie: Welche Technologie wird Ihrer Meinung nach die Gesellschaft in Zukunft am meisten verändern?
Die größte Herausforderung der nächsten Jahre wird die Mensch-Maschine-Interaktion sein. Hier können wir mit der Photonik einen wichtigen Beitrag leisten. Der Mensch ist ein visuelles Wesen. Er kommuniziert zu 80 Prozent über Gesten, über Mimik, über Körpersprache. In den nächsten Jahren wird die Photonik vor der großen Aufgabe stehen, Maschinen nicht nur zum Sehen, sondern vielmehr zum Verstehen und zur Interpretation von Situationen zu bringen. Nur dann werden wir es wirklich schaffen, die Mensch-Maschine-Interaktion auf eine völlig neue Qualitätsstufe zu heben.