Dr. Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Munich Re
Fraunhofer-Magazin 3.2021
Dringender kann der Appell kaum ausfallen: Im Juli warnte der Weltklimarat, dass die Welt die Begrenzung der Erderwärmung auf möglichst 1,5, höchstens 2 Grad zu verfehlen droht. Jedenfalls, wenn nicht bald mit sehr striktem Klimaschutz begonnen wird.
Die jüngsten Wetterkatastrophen wirken wie Vorboten dessen, was kommen kann. Die Wissenschaft ist sich einig: Durch den Klimawandel werden Naturgefahren wie Hitzewellen, verheerende Sturzfluten und Waldbrände häufiger. Drei Felder stehen für mich im Mittelpunkt, um den Klimawandel und dessen Folgen zu begrenzen:
1. Ein globaler, zunächst aber mindestens EU-weiter Markt für CO2-Emissionszertifikate.
Richtig ausgestaltet ist es der effizienteste Weg, Emissionen zu reduzieren und dabei klare Preissignale zu senden. Zudem ist die ungefähre Preisentwicklung für die Unternehmen aller Branchen antizipierbar. Sie müssen so keine Adhoc-Anpassungen befürchten. Für die Handelsperiode bis 2030 sind die Emissionsmengen im Handelssystem der EU zwar festgelegt, nun muss diese Mengensteuerung jedoch zügig und stimmig mit den politisch gesetzten Zeitzielen bis hin zu »Net-Zero« angepasst werden.
2. Die Entwicklung neuer Technologien für eine klimafreundliche Wirtschaft.
Die Transformation in eine kohlenstoffarme Wirtschaft bedarf einer Stimulierung von Technologien und Innovationen in exponentiellem Ausmaß. Deutschland benötigt dringend eine Innovations- und Aufbruchmentalität, denn das Know-how für die Technologien der Zukunft ist vorhanden.
3. Prävention, um die jetzt schon unvermeidbaren Folgen der globalen Erwärmung abzumildern.
Ein umfassendes Katastrophenmanagement mit Fokus auf Schadensvorbeugung und Stärkung der Resilienz wird nicht nur menschliches Leid reduzieren, sondern auch ein zunehmend relevanter Faktor im internationalen Wettbewerb um Standortvorteile sein.
Was man damit nicht sinnvoll verhindern kann, lässt sich meist mit Versicherung abdecken. Egal ob rein privatwirtschaftlich oder gemeinsam mit dem Staat, ein Risikotransfer muss dabei mit Preisen verbunden sein, die das Risiko möglichst genau widerspiegeln. Nur so verstehen Verbraucher, Unternehmen und Gesellschaft die Risiken und haben den Anreiz, diese zu reduzieren. Aufgabe der Versicherer ist es, mit Wissen und Daten die Basis dafür zu liefern.
Als Risikoträger nehmen wir den Klimawandel sehr ernst. Wir befassen uns seit fast fünf Jahrzehnten mit dessen Folgen. Auf beiden Seiten der Bilanz – bei Kapitalanlagen und dem Versicherungsgeschäft – kümmern wir uns um geringere Emissionen. Wir sehen uns bei der Markteinführung und Skalierung erneuerbarer Energien und anderer Klimatechnologien in einer wichtigen Rolle, durch spezifische Risikolösungen diese Technogien leichter finanzierbar und investierbar zu machen.
Ein paar Beispiele: Seit vielen Jahren decken wir Leistungsgarantien für Photovoltaikmodule, Ähnliches folgt nun für große Stromspeicher. Wir versichern die Folgen von zu wenig oder zu viel Wind für die Ausbeute von Offshore-Windanlagen. Wir arbeiten intensiv an Versicherungslösungen für Wasserstoff-Technologien. Wir befassen uns also ausgiebig mit den Technologietrends und den spezifischen Anforderungen einer klimafreundlichen Wirtschaft, um Know-how, Experten und dann letztlich auch passende Risikomanagement-Lösungen zu haben.
Eigenes Wissen und Daten sind für Versicherer dabei eine wichtige Grundlage – aber nicht ausreichend. Es bedarf auch enger Verbindungen zur Forschung, insbesondere zur angewandten Forschung, wie sie von der Fraunhofer-Gesellschaft betrieben wird. Ihre Forschungsprojekte zur besseren Wasserspeicherung in Städten bei Starkniederschlägen durch „Urbanes Grün“ oder zu Speichersystemen in Straßen sind für uns als Versicherer besonders relevant. Vielfach kooperieren wir daher mit Fraunhofer, zum Beispiel beim Betrieb von Testfeldern für Photovoltaik-Systeme oder dem Aufbau eines Windenergie-Datenpools. Alles sehr umsetzungsnahe Projekte und wichtig für Investoren in künftige Technologien.
Solche Technologien braucht es für den Kampf gegen den Klimawandel, sonst wäre Klimaschutz nur mit großem Wohlstandsverzicht möglich. Der Weg über neue Technologien hat zudem einen unschätzbaren Vorteil, der weit über die Erfüllung von Klimazielen hinausgeht: Wir würden damit in Deutschland und Europa sprunghaft die Wettbewerbsfähigkeit in zentralen Zukunftstechnologien erhöhen. Und wir würden unser Schicksal wieder beherzt in die Hand nehmen – etwas, das diesem Land sehr guttun würde.