Klimaschutz braucht Technologie

Dr. Torsten Jeworrek | Vorstandsmitglied der Munich Re

Dr. Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Munich Re

Fraunhofer-Magazin 3.2021

Dr. Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied der Munich Re
© Munich Re / Andreas Pohlmann
Dr. Torsten Jeworrek ist der Meister der Wahrscheinlichkeiten. Zu seinem Verantwortungsbereich gehört unter anderem die Georisikenforschung.

Dringender kann der Appell kaum ausfallen: Im Juli warnte der Weltklimarat, dass die Welt die Begrenzung der Erderwärmung auf möglichst 1,5, höchstens 2 Grad zu verfehlen droht. Jedenfalls, wenn nicht bald mit sehr striktem Klimaschutz begonnen wird.

Die jüngsten Wetterkatastrophen wirken wie Vorboten dessen, was kommen kann. Die Wissenschaft ist sich einig: Durch den Klima­wandel werden Naturgefahren wie Hitzewel­len, verheerende Sturzfluten und Waldbrände häufiger. Drei Felder stehen für mich im Mit­telpunkt, um den Klimawandel und dessen Folgen zu begrenzen:

1. Ein globaler, zunächst aber mindestens EU-weiter Markt für CO2-Emissionszertifikate.

Richtig ausgestaltet ist es der effizienteste Weg, Emissionen zu reduzieren und dabei klare Preissignale zu senden. Zudem ist die ungefäh­re Preisentwicklung für die Unternehmen aller Branchen antizipierbar. Sie müssen so keine Adhoc-Anpassungen befürchten. Für die Han­delsperiode bis 2030 sind die Emissionsmengen im Handelssystem der EU zwar festgelegt, nun muss diese Mengensteuerung jedoch zügig und stimmig mit den politisch gesetzten Zeitzielen bis hin zu »Net-Zero« angepasst werden.

2. Die Entwicklung neuer Technologien für eine klimafreundliche Wirtschaft.

Die Trans­formation in eine kohlenstoffarme Wirtschaft bedarf einer Stimulierung von Technologien und Innovationen in exponentiellem Aus­maß. Deutschland benötigt dringend eine Innovations- und Aufbruchmentalität, denn das Know-how für die Technologien der Zu­kunft ist vorhanden.

3. Prävention, um die jetzt schon unvermeid­baren Folgen der globalen Erwärmung abzu­mildern.

Ein umfassendes Katastrophenma­nagement mit Fokus auf Schadensvorbeugung und Stärkung der Resilienz wird nicht nur menschliches Leid reduzieren, sondern auch ein zunehmend relevanter Faktor im interna­tionalen Wettbewerb um Standortvorteile sein.

Was man damit nicht sinnvoll verhindern kann, lässt sich meist mit Versicherung abde­cken. Egal ob rein privatwirtschaftlich oder ge­meinsam mit dem Staat, ein Risikotransfer muss dabei mit Preisen verbunden sein, die das Ri­siko möglichst genau widerspiegeln. Nur so ver­stehen Verbraucher, Unternehmen und Gesell­schaft die Risiken und haben den Anreiz, diese zu reduzieren. Aufgabe der Versicherer ist es, mit Wissen und Daten die Basis dafür zu liefern.

Als Risikoträger nehmen wir den Klimawan­del sehr ernst. Wir befassen uns seit fast fünf Jahrzehnten mit dessen Folgen. Auf beiden Seiten der Bilanz – bei Kapitalanlagen und dem Versicherungsgeschäft – kümmern wir uns um geringere Emissionen. Wir sehen uns bei der Markteinführung und Skalierung er­neuerbarer Energien und anderer Klimatech­nologien in einer wichtigen Rolle, durch spezi­fische Risikolösungen diese Technogien leich­ter finanzierbar und investierbar zu machen.

Ein paar Beispiele: Seit vielen Jahren de­cken wir Leistungsgarantien für Photovoltaikmodule, Ähnliches folgt nun für große Strom­speicher. Wir versichern die Folgen von zu wenig oder zu viel Wind für die Ausbeute von Offshore-Windanlagen. Wir arbeiten intensiv an Versicherungslösungen für Wasserstoff-Technologien. Wir befassen uns also ausgiebig mit den Technologietrends und den spezifi­schen Anforderungen einer klimafreundlichen Wirtschaft, um Know-how, Experten und dann letztlich auch passende Risikomanagement-Lösungen zu haben.

Eigenes Wissen und Daten sind für Versi­cherer dabei eine wichtige Grundlage – aber nicht ausreichend. Es bedarf auch enger Ver­bindungen zur Forschung, insbesondere zur angewandten Forschung, wie sie von der Fraun­hofer-Gesellschaft betrieben wird. Ihre For­schungsprojekte zur besseren Wasserspeiche­rung in Städten bei Starkniederschlägen durch „Urbanes Grün“ oder zu Speichersystemen in Straßen sind für uns als Versicherer besonders relevant. Vielfach kooperieren wir daher mit Fraunhofer, zum Beispiel beim Betrieb von Testfeldern für Photovoltaik-Systeme oder dem Aufbau eines Windenergie-Datenpools. Alles sehr umsetzungsnahe Projekte und wichtig für Investoren in künftige Technologien.

Solche Technologien braucht es für den Kampf gegen den Klimawandel, sonst wäre Klimaschutz nur mit großem Wohlstandsver­zicht möglich. Der Weg über neue Technolo­gien hat zudem einen unschätzbaren Vorteil, der weit über die Erfüllung von Klimazielen hinausgeht: Wir würden damit in Deutsch­land und Europa sprunghaft die Wettbewerbs­fähigkeit in zentralen Zukunftstechnologien erhöhen. Und wir würden unser Schicksal wieder beherzt in die Hand nehmen – etwas, das diesem Land sehr guttun würde.