Innovation braucht Freiheit und Zuversicht

Ein Standpunkt von Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes »Die Familienunternehmer e.V.«

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes »Die Familienunternehmer e.V.«

Fraunhofer-Magazin 4.2024

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes »Die Familienunternehmer e.V.«
© Foto: Anne Großmann/Die Familienunternehmer e.V.
Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbandes »Die Familienunternehmer e.V.«

Weniger staatliche Regulierungen, mehr Mut zu Investitionen in unsere Zukunft – das könnte die deutsche Wirtschaft wieder nach vorne bringen.

 

Erinnern Sie sich an große staatlich induzierte Erfindungen oder Errungenschaften? Ja, sicher, es gab sie – zum Beispiel die von den USA unter Präsident Kennedy angestrebte und dann schließlich auch erreichte Mondlandung. Ein großer Wurf, der in unglaublich vielen Feldern Fortschritt und Grundlagen geschaffen hat. Aber letztendlich sind erfolgreiche Wissenschaftsprojekte, bei denen der Staat die Richtung vorgibt, sehr selten. Zu oft dienen sie nur kurzfristigen politischen Zielen oder dem Prestige. Auch die Mondlandung war, trotz der unglaublichen Katalysatorleistung für unzählige Wirtschaftszweige, ein Projekt mit Hintergedanken. Das schnelle Ende der auskömmlichen Finanzierung der NASA nach dem Sieg im »Space Race« spricht hier Bände.

Aber wie viele Innovationen kommen dagegen von privat startenden Erfindern, Tüftlern, Ingenieuren, Freigeistern? Wie viel mehr könnten es gerade bei uns in Deutschland sein, wenn nicht alles von vornherein staatlich vorgegeben würde? Wie oft höre ich von Familienunternehmern, dass die PV-Anlage nicht aufs Dach kann, weil sie zu groß ist, weil das Netz nicht ausreicht, weil rechtliche Hemmnisse sie unwirtschaftlich machen.

Wie oft stehen staatliche Regularien im Weg? Wie oft fehlt das Eigenkapital für Wagnisse, weil die Steuerlast in Deutschland im internationalen Wettbewerb so hoch ist, dass nur Ersatzinvestitionen möglich sind und keine Erweiterungsinvestitionen. Laut einer Umfrage unter Familienunternehmern wollen bzw. können nur noch 18 Prozent ihr Unternehmen durch Investitionen erweitern. 49 Prozent der Unternehmen wollen gar keine Investitionen tätigen, nicht einmal Ersatzinvestitionen.

Ich lese die neuesten Meldungen über das US-amerikanische Raketensystem Starship via Google News auf meinem iPhone und verfasse in Microsoft Word Gastbeiträge dazu – und frage mich: Wo sind eigentlich die deutschen Musks, Pages, Brims, Jobs´ und Gates´? Wo sind unsere deutschen Genies und wirtschaftlichen Einhörner? Es gibt sie sicherlich, denn unser Land ist ja zu Recht berühmt für seinen Erfindergeist. Aber werden sie hier auch erfolgreich? Nein, weil bei uns die Rahmenbedingungen nicht stimmen.

Eine private Finanzierung mit Risikokapital – genau das, was für Innovationen nötig ist – finden die wenigsten. Denn in Deutschland ist mutiges unternehmerisches Risiko immer verdächtig, weshalb auch privates Kapital als Ressource von deutschen Politikern abschätzig oder zumindest gierig betrachtet wird. Wenn überhaupt muss es aus Sicht der um sich greifenden Staatsgläubigkeit besteuert werden. Aber privat eingesetzt? Um Erfolg zu haben? Womöglich noch, um Geld zu verdienen? Schockschwerenot. Also gehen die deutschen Stars von morgen doch lieber dorthin, wo sie Chancen haben: ins Ausland.

Auch die »alteingesessenen« Familienunternehmer würden gern mehr wagen, haben aber die gleichen Probleme wie die Start-ups. Wir haben in Deutschland hohe Lohnnebenkosten – von denen bei meinen Mitarbeitern leider netto viel weniger ankommt –, hohe Energiekosten, hohe Steuerlasten, wahnsinnig hohe Bürokratiekosten, eine lahmende Digitalisierung, eine ineffiziente Verwaltung.

Von der Rendite des eingesetzten Kapitals halten wir trotz all dieser Kosten unsere Betriebe am Laufen. Wir Unternehmerinnen und Unternehmer investieren, was wir können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber viel bleibt dann nicht übrig, um mal ins Risiko zu gehen und einfach etwas auszuprobieren und womöglich auch zu scheitern. Und vieles, was man ausprobieren möchte, stößt dann auch noch auf bürokratische Hürden. Schon allein unser Arbeitsrecht ist derart restriktiv, dass wir Unternehmer Angst haben müssen, wenn vielleicht ein paar leidenschaftliche Mitarbeiter noch nach Feierabend an einer pfiffigen Idee basteln wollen. So bringen wir keine Innovationen hervor!

Statt Verzagtheit brauchen wir Zuversicht und Freiheit. Freiheit, um zu wirtschaften und Eigenkapital anzusammeln und um eine Idee oder einen Versuch wagen zu können. Wir brauchen ein Steuersystem, das Mut akzeptiert, Investitionen und Verlustphasen geltend werden lässt und auch Gewinne nicht bestraft. Denn wer keine Aussicht auf Gewinn hat, der investiert nicht – auch nicht in Innovationen.

Vor allem aber brauchen wir eine neue Mentalität. Eine Gesellschaft, die ein Scheitern nicht verurteilt, sondern die anerkennt, die etwas versuchen. Wir brauchen einen Staat, der die Freigeister, Ingenieure und Unternehmer machen und ausprobieren lässt, statt sich anzumaßen, es besser zu wissen, oder vorzugeben, wie die Zukunft auszusehen hat. Innovation braucht Freiheit – auf allen Ebenen.     

Marie-Christine Ostermann

  • ist seit 2015 Gesellschafterin der Startup Teens GmbH und stellvertretende Vereinsvorsitzende des STARTUP TEENS Netzwerk e.V., der junge Menschen für das Unternehmertum begeistern will.

  •  trat 2013 in die FDP ein und wurde im selben Jahr Präsidiumsmitglied des Verbands »Die Familienunternehmer e.V.«; seit April 2023 ist sie dessen Präsidentin – die erste
    Frau in dieser Position seit Gründung der Lobbyorganisation vor 75 Jahren.

  •  war zunächst als Bereichsleiterin bei Aldi Süd in München tätig, bevor sie 2006 bei dem von ihrem Urgroßvater 1923 gegründeten Lebensmittelgroßhandel Rullko Großeinkauf GmbH & Co. KG als geschäftsführende Gesellschafterin einstieg.

  •  wurde 1978 in Hamm geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie von 1997 bis 1999 eine Ausbildung zur Bankkauffrau, studierte anschließend Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und machte 2004 ihren Abschluss als Diplomkauffrau.