Wasserstoff, das Allround-Talent

Ein Standpunkt von Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW

Wasserstoff, das Allround-Talent

500 000 Kilometer vorhandene Gasinfrastruktur, die größten Gasspeicher-Kapazitäten in der Europäischen Union – lange nicht die einzigen Vorteile, wenn Deutschland Wasserstoff auf dem Weg zur Klimaneutralität nutzen will.

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des BDEW.
© Thomas Trutschel/photothek.de/BDEW
Kerstin Andreae, 53, wechselte von der Politik in die Wirtschaft. Als BDEW-Vorsitzende plädiert sie für ein Handelssystem für erneuerbare Gase.

»Wasserstoff ist zentraler Baustein für ein klimaneutrales Deutschland. Deswegen ist es jetzt umso wichtiger, dass die Bundesregierung ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie zeitnah Taten folgen lässt.«
 

Vor uns liegt ein großes Ziel: ein klimaneutrales Deutschland bis zum Jahr 2045. Dieses Ziel ist hochambitioniert, aber machbar. Um die Energiewende realisieren zu können, ist die Nutzung von erneuerbaren und de­karbonisierten Gasen unverzichtbar. Insbe­sondere Wasserstoff bietet hier erhebliches Potenzial. Denn Wasserstoff kann Energie speichern und wieder freigeben, ohne dabei CO2 auszustoßen. Insbesondere die vielfäl­tigen Einsatzmöglichkeiten – ob zur klima­freundlichen Wärme- und Stromproduktion in der Industrie, in privaten Haushalten oder für umweltfreundliche Mobilität – machen Wasserstoff zu einem echten Multitalent.

 

Vorhandenes als Chance

Ein großer Vorteil von Wasserstoff und damit ein wichtiger Baustein für das Erreichen der Energiewende, ist die Fähigkeit, dass Wasser­stoff Strom über lange Zeiträume hinweg ohne Verluste speichern kann. Durch den Einsatz von Wasserstoff kann Energie somit trans­portiert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder freigegeben werden, ohne dabei CO2 auszustoßen. Um dieses Potenzial voll aus­zuschöpfen, sollten wir dringend die vorhan­denen Infrastrukturen nutzen: Deutschland verfügt nämlich über die größten Gasspei­cherkapazitäten in der Europäischen Union. Diese vorhandenen Speicherkapazitäten für Erdgas könnten zum Teil künftig auch für klimaneutrale Gase genutzt werden und so­mit einen wichtigen Beitrag für eine flexible Energiewende leisten. So ließen sich in soge­nannten Untergrund-Kavernenspeichern, die fast zwei Drittel des Volumens der deutschen Gasspeicher ausmachen, bis zu 100 Prozent Wasserstoff speichern. Dadurch könnte in Zukunft Strom aus Wind- und Solarenergie in Form von Wasserstoff gespeichert werden, um beispielsweise saisonale Schwankungen in der Stromerzeugung oder im Wärmebedarf auszugleichen.

Zudem besitzt Deutschland eine vorhan­dene Gasinfrastruktur mit einem Netz von rund 500 000 Kilometern Länge. Diese Infra­struktur ist die Basis für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft über Sektoren und Län­dergrenzen hinweg. Insbesondere den Ver­teilernetzen kommt hier eine hohe Bedeutung zu. Nun gilt es, Netze, Speicher und Endgerä­te zu ertüchtigen und wasserstoffkompatibel zu machen. Wir als BDEW plädieren dafür, den bewährten Regulierungsrahmen für das Gasnetz zu nutzen und Wasserstoffnetze dort zu integrieren. Zusätzlich zu den Gasnetzen werden auch reine Wasserstoff-Netze notwen­dig sein, zum Beispiel für die Industrie. Die ersten regulatorischen Grundlagen dafür wur­den mit der letzten Novellierung des Energie­wirtschaftsgesetzes geschaffen.

Wir brauchen zudem ein Handelssystem für erneuerbare und dekarbonisierte Gase wie etwa Wasserstoff. Der BDEW hat hier einen konkreten Vorschlag vorgelegt. Ein wichtiges Element ist aus Sicht des BDEW ein standar­disiertes System für Herkunftsnachweise, über welches Endverbraucher, Industrie und Ge­werbe eindeutig nachvollziehen können, aus welchen Quellen das erneuerbare und dekar­bonisierte Gas stammt. Die Verbraucher kön­nen damit auf transparente Weise auswählen, welche Form solcher Gase sie beziehen wollen (sogenannte »clean choices«). Zunächst wäre der Markt im europäischen Raum und perspektivisch auch durch außereuropäische Lie­ferländer organisiert.

Hemmnisse für Investitionen müssen jetzt beseitigt werden!

Damit das große Potenzial von Wasserstoff für den Klimaschutz voll ausgeschöpft wer­den kann, sollte dieser klimaneutral und zu­nehmend erneuerbar produziert werden. Hier nimmt die Energiewirtschaft eine zentrale Rolle ein: Sie liefert den grünen Strom, mit dem künftig ein wesentlicher Anteil des benö­tigten Wasserstoffs hergestellt werden kann. Dieser grüne Wasserstoff kann einen erheb­lichen Beitrag dazu leisten, den CO22-Ausstoß maßgeblich zu reduzieren. Um dies zu ermög­lichen, ist der weitere Ausbau der erneuerba­ren Energien von zentraler Bedeutung. Dazu müssen die noch bestehenden Hemmnisse für Investitionen beseitigt, sowie Hindernisse für Wind und Photovoltaik überwunden werden. Denn Hindernisse für den Ausbau der Erneu­erbaren sind immer auch Hindernisse für die Erzeugung erneuerbarer Gase. Wasserstoff ist ein Hoffnungsträger für eine CO2-neutrale Energieerzeugung und somit ein zentraler Baustein für ein klimaneutrales Deutschland bis zum Jahr 2045. Deswegen ist es jetzt um­so wichtiger, dass die Bundesregierung ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie zeitnah Taten folgen lässt.

 

Fraunhofer-Magazin
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