Ammoniak – Synthese, Spaltung und Nutzung
Mit einer Produktion von 180 Millionen Tonnen jährlich ist Ammoniak einer der bedeutendsten nicht fossilen Rohstoffe. Auch wenn das Molekül keinen Kohlenstoff beinhaltet, so basiert der enthaltene Wasserstoff meist auf Erdgas, weshalb die Ammoniaksynthese für etwa 2 bis 3 % der globalen CO2- Emissionen verantwortlich ist. Da es aber auch der wichtigste Grundstoff für Düngemittel ist, können wir bei steigender Bevölkerung nicht darauf verzichten. Allerdings lässt sich der eingesetzte Wasserstoff durch grünen Wasserstoff ersetzen. Der für die Herstellung notwendige Stickstoff kann aus der Luft gewonnen werden. Zudem wird an neuen Verfahren geforscht, die insbesondere an dezentralen Standorten die bekannte Haber-Bosch-Synthese ersetzen können.
Im Projekt Process Intensification & Advanced Catalysis for Ammonia Sustainable Optimized Process (»PICASO«) arbeitet das Fraunhofer ISE gemeinsam mit Partnern an einem neuartigen Power-to-Ammonia (PtA) Prozess für die nachhaltige Ammoniaksynthese. Das Verfahren könnte die CO2-Emissionen im Vergleich zum konventionellen Haber-Bosch-Prozess um 95 % senken. Das Hauptziel von PICASO ist die Entwicklung einer integrierten Reaktortechnologie und dynamischer Betriebsstrategien für einen flexiblen Ammoniaksyntheseprozess auf Basis von erneuerbarem, grünem Wasserstoff, die auch für die Implementierung in abgelegenen Regionen geeignet sind. In einem Folgeprojekt soll die Hochskalierung des integrierten Reaktors auf Demonstrationsniveau und dessen Erprobung in einer Pilotanlage erfolgen.
Ammoniak ist nicht nur ein wichtiger Grundstoff, sondern stellt auch eines der potenziell wichtigsten Trägermoleküle für Wasserstoff dar. Insbesondere bei großen Mengen und langen Strecken über See erscheint der Transport in Form von Ammoniak derzeit am wirtschaftlichsten. Somit bietet Ammoniak die vielversprechende Möglichkeit, Energie aus Regionen der Welt zu transportieren, wo diese günstiger verfügbar ist als beispielsweise in Deutschland. Ammoniak spielt daher eine zentrale Rolle bei der zukünftigen Versorgung mit bezahlbarer Energie. Ein entscheidender Punkt vor einer erfolgreichen Realisierung ist derzeit noch die Entwicklung von Verfahren für die effiziente Wasserstoffgewinnung aus Ammoniak. Hier arbeitet Fraunhofer an der Entwicklung effizienter Verfahren und Katalysatoren für die Ammoniakreformierung. Beispielsweise wurde am Fraunhofer UMSICHT im Rahmen des Leistungszentrums DYNAFLEX® ein Verfahren für die direkte elektrische Beheizung des Trägermaterials entwickelt, wodurch der Prozess ohne CO2-Emissionen und ohne die Verbrennung von Ammoniak selbst betrieben werden kann, was die Effizienz der gesamten Prozesskette von der Wasserstoffherstellung über Transport und Nutzung deutlich steigert. Das Fraunhofer ISE hat mit der Plattform ELIAS (Electrically Heated Catalysts Carriers) für endotherme Reaktionen ein wertvolles Tool entwickelt, um sie in sehr kompakten Reaktoren umzusetzen. Gleichzeitig entwickeln das Fraunhofer ISE sowie das Fraunhofer UMSICHT neue Katalysator- und Trägermaterialien zur Reduzierung der Prozesstemperatur. Die Gewinnung von reinem Wasserstoff stellt dabei nur eine Alternative des Verfahrens dar. Auch für die energetische Nutzung oder die Nutzung in einer Brennstoffzelle kann es sinnvoll sein, zumindest einen Teil des Ammoniaks zu cracken und es danach zu verbrennen oder in einer Brennstoffzelle CO2-frei in Strom und Wärme umzuwandeln. Das Fraunhofer IMM befasst sich im Rahmen mehrerer Projekte mit dem Einsatz von Ammoniak für Anwendungen im mobilen und stationären Bereich und mit der Katalysator- und Reaktorentwicklung für die Ammoniakzersetzung und dessen homogene Verbrennung sowie nachgeschalteten Wasserstoffreinigungstechnologien (Projekte »Ammonpaktor«, »ShipFC«, »Spaltgas« und weitere). Hierbei kommt eine Plattenwärmeübertragertechnik mit beschichteten Katalysatoren zum Einsatz, die sowohl eine hohe Systemeffizienz von bis zu 90 % ermöglicht als auch eine Größenreduzierung der Anlagen um ebenfalls 90 %
Synthetische Kraftstoffe
Während Ammoniak und Methanol selbst als Kraftstoffe eingesetzt und zukünftig insbesondere in der Schifffahrt eine wichtige Rolle einnehmen werden, bietet gerade Methanol noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten Kraftstoffe zu synthetisieren. Beispielsweise kann aus Methanol DME (Dimethylether) oder OME (Polyoxymethylendimethylether) für die Nutzung in Dieselmotoren synthetisiert werden. OME kann in der bestehenden Infrastruktur eingesetzt werden, insbesondere als Alternative oder Zusatz zu Dieselkraftstoff, was zu einer erheblichen Verringerung der lokalen Emissionen (z. B. Ruß und NOx) führt. Im Projekt »NAMOSYN« hat das Fraunhofer ISE an der Entwicklung von Prozessen zur Herstellung der OME bis in den Maßstab von einer Million Tonnen pro Jahr gearbeitet. Parallel dazu wurde die Verwendung und die Kompatibilität dieser OME mit dem Verbrennungsmotor unter Laborbedingungen und in der Praxis untersucht. Diese Arbeiten sind abgeschlossen und veröffentlicht. Über den Methanol-to- Gasoline-Prozess kann die Energiedichte signifikant gesteigert und ein vollständig kompatibler Ottokraftstoff hergestellt werden. Weitere vielversprechende Einsatzmöglichkeiten bietet auch die so genannte Methanol-to-Jet Route. Dabei bildet Methanol die Basis für die Herstellung von Kerosin, indem daraus zuerst Olefine synthetisiert werden, die anschließend oligomerisiert und dann hydriert werden. Im Forschungsvorhaben »Sustainable Aviation Fuels based on Advanced Reaction and Process Intensification« (SAFari) wird ein Konsortium aus Forschungsinstituten und Industriepartnern unter Projektleitung des Fraunhofer ISE nachhaltig Kerosin aus Methanol in einer Pilotanlage herstellen und testen. Das Projekt soll dazu beitragen, die vollständige Marktzulassung dieser methanolbasierten Prozessroute durch die American Society for Testing and Materials (ASTM) zu ermöglichen.
Während bei der Rohstahlproduktion durch den Einsatz von grünem Wasserstoff die CO2-Emissionen weitgehend vermieden werden können, besteht bei unvermeidbaren prozessbedingten Emissionen, wie sie vor allem bei der Kalk- und Zementproduktion anfallen, die Möglichkeit, das CO2 über keramische Membranen abzutrennen und zur Erzeugung hochwertiger Produkte zu nutzen. Im Projekt »WaTTh« baut das Fraunhofer IKTS basierend auf der eigenen Hochtemperatur-Co-Elektrolyse eine vollautomatisierte Demonstrationsanlage, in der aus CO2 und Wasser flüssige Kohlenwasserstoffe und Wachse über die Fischer-Tropsch-Synthese erzeugt werden. Diese können zum Einsatz in der chemischen Industrie sowie für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen wie e-Kerosin genutzt werden. Die Kapazität der Anlage liegt bei jeweils 8 L an flüssigen Produkten und Wachsen pro Tag. Mittels der entwickelten Tools zur Prozesssimulation arbeiten die Forschenden aktuell am Scale-up der Verfahren für den industriellen Maßstab.
Solid Hydrogen Carriers und POWERPASTE
Im Gegensatz zu Druckgas- oder Flüssig-Wasserstoffspeichern stellen Metallhydride als H2-Feststoffspeichermaterialien, auch Solid Hydrogen Carriers (SHC) genannt, eine ökonomisch vielversprechende Option dar, Wasserstoff mit höchster Reinheit (7.0) unter niedrigem Betriebsdruck (2 bis 40 bar), auf engem Raum (bis zu 0,15 kg H2/dm³) und ohne Abdampfverluste sicher zu speichern. In SHC ist Wasserstoff chemisch an ein solides Trägermaterial gebunden, so dass bei Leckagen des Speichers der gebundene Wasserstoff nicht schlagartig, sondern nur sehr langsam austritt. Damit ist eine sehr hohe Systemsicherheit von SHC-Speichern gegeben. Hydride bieten weitere Einsatzfelder in der Wasserstofftechnologie wie zum Beispiel die thermo-chemische Kompression von Wasserstoff und auch die Aufreinigung von wasserstoffhaltigen Gasgemischen.
Neben der reversiblen Thermolyse ist mit Metallhydriden eine Hydrolysereaktion, d. h. Zersetzung des Hydrids durch eine Reaktion mit Wasser, möglich. »POWERPASTE« ist eine Suspension aus Magnesiumhydrid, einem Metallsalz als Katalysator und einem Ester zur Fluidisierung. Magnesiumhydrid reagiert mit Wasser exotherm unter Freisetzung von Wasserstoff. Als Nebenprodukt entsteht ungiftiges Magnesiumhydroxid (siehe Gleichung 1). Bemerkenswert für die technische Anwendung ist die Mitnutzung des Wassers zur Wasserstofferzeugung – und demzufolge die Verdopplung der Menge an erzeugtem Wasserstoff pro Äquivalent Metallhydrid.
Gleichung 1: MgH2 + 2 H2O → 2 H2 + Mg (OH)2
POWERPASTE kann drucklos und bei normaler Temperatur unter Abschluss von Feuchtigkeit gelagert werden. Zur Freisetzung des Wasserstoffs sind Wasserstoffgeneratoren notwendig, die die Paste mit dem Wasser zusammenführen. Mit Partnern aus Industrie und Forschung werden mehrere Demonstratoren und Prototypen zur Wasserstofferzeugung für verschiedene Einsatzzwecke (stationär, portabel, mobil) in den Leistungsklassen 500 bis 1.000 W am Fraunhofer IFAM entwickelt. Die Wasserstoffgeneratoren werden dabei mit PEM-Brennstoffzellen der entsprechenden Leistungsklasse gekoppelt. Die aktuellen Entwicklungen betreffen zum einen gewichtsseitige Optimierungen für mobile Anwendungen, um auch auf Systemebene eine möglichst hohe spezifische Energie zu erreichen. Meilensteine für die Technologie wurden zum Beispiel 2022 erreicht: Auf der Hannover Messe wurde gemeinsam mit der Grünland Innovations GmbH ein autarkes Powerpaste-basiertes Notstrom-System vorgestellt. Neben stationären Anwendungen werden in öffentlich geförderten Projekten auch mobile Anwendungen bearbeitet und demonstriert (»PowerPaste – Mobile Wasserstoffversorgung der nächsten Generation« (BMWK). Weiterhin ist die Erhöhung der Hydrolyseleistung ein weiterer wichtiger Gegenstand laufender Projekte, um auch neue Anwendungsfelder zu erschließen. Das Up-Scaling der Produktion von POWERPASTE wird im Fraunhofer-Projektzentrum für Energiespeicher und Systeme ZESS in Braunschweig bearbeitet. 2023 sollen bis zu 5 t POWERPASTE am ZESS für Pilotanwendungen produziert werden.