Nichts geht in der Elektromobilität ohne leistungsfähige Permanentmagneten. Ihre guten magnetischen Eigenschaften verdanken sie den chemischen Elementen Neodym und Dysprosium aus der Gruppe der Seltenen Erden. Doch das Angebot auf dem Weltmarkt für diese Rohstoffe ist knapp, die Preise steigen seit Jahren kontinuierlich an. Man nennt sie auch kritische Rohstoffe, weil nicht sicher ist, ob es mittel- bis langfristig genug davon geben wird. Der Ausbau von Zukunftstechnologien hängt auch davon ab, ob ausreichende Mengen der begehrten Rohstoffe vorhanden sind. Fraunhofer-Forscher arbeiten deshalb im Leitprojekt an Technologien, um Seltene Erden effizienter zu verarbeiten, wieder aufzubereiten oder Ersatzmaterialien zu finden.
Handy, Laptop, Elektromotor oder Windturbine haben eines gemeinsam: Will man sie herstellen, sind Seltene Erden ein unverzichtbarer Rohstoff. Insbesondere Motoren für Elektrofahrzeuge oder Generatoren für Windkraftwerke brauchen leistungsfähige Permanentmagnete, die Seltene Erden wie Neodym und Dysprosium enthalten. Dass diese Elemente heute so unverzichtbar sind, verdanken sie ihren hervorragenden hartmagnetischen Eigenschaften in Verbindung mit anderen Elementen wie Eisen oder Kobalt.
Die historische Bezeichnung »Seltene Erden« für die chemischen Lanthanoid-Elemente ist nicht ganz korrekt, denn bei den so bezeichneten Industrierohstoffen handelt es sich um metallische Legierungen oder oxydische Verbindungen aus diesen Elementen. Selten heißen sie, weil sie nur in geringer Konzentration in weit verstreut lagernden Mineralien vorkommen und man sie nur mit hohem Aufwand gewinnen kann.
Durch den Fortschritt grüner Technologien in den nächsten Jahren ist es heute bereits abzusehen, dass sich die Versorgungslage von Seltenen Erden mittel- bis langfristig als kritisch erweisen wird. Dies betrifft vor allem die Automobilindustrie sowie die erneuerbare Energieversorgung. Das gefährdet den Ausbau dieser Zukunftstechnologien. China dominiert mit etwa 48 Prozent der weltweiten Reserven sowie zurzeit mit ca. 85 Prozent Fördermenge den Weltmarkt. Als Hochtechnologieland hat China ein großes Eigeninteresse an strategischen Metallen und drosselt deshalb mit Exportquoten die verfügbaren Mengen. Dies bewirkt, dass die Preise für Seltene Erden in den letzten Jahren stark gestiegen sind.
Ein Konsortium von sieben Fraunhofer-Instituten hat das Fraunhofer-Leitprojekt »Kritikalität Seltener Erden« initiiert, um eine ressourceneffiziente Versorgung der Industrie mit Hochleistungsmaterialien für Permanentmagnete sicherzustellen.
Projektziel: Die Halbierung des spezifischen, primären Bedarfs an schweren Seltenen Erden
Das Forscherteam will im Leitprojekt zeigen, wie sich der Bedarf an Neodym und Dysprosium für Permanentmagnete bis 2017 halbieren lässt. Die Herausforderungen bestehen darin, Ersatzmaterialien zu finden, Produktionstechnologien effizienter zu gestalten und Konzepte zu entwickeln, damit gebrauchte Elektromotoren wieder verwendet oder recycelt werden können.
Die Forscherinnen und Forscher werden zu Demonstrationszwecken zwei Elektromotoren aus Magnetmaterialien herstellen, die einen geringeren Anteil an Neodym und Dysprosium aufweisen. Dazu wollen sie einen einfachen, elektrischen Kleinantrieb, und später einen komplizierten Traktionsmotor für Straßen- und Schienenfahrzeuge oder für Wind- und Wasserkraftgeneratoren bauen. Dabei wird erstmals die komplette Prozesskette von der theoretischen Vorhersage neuer Magnetwerkstoffe bis hin zu einem praxistauglichen Elektromotor abgebildet. Die Breite an fachlicher Kompetenz, mit der das Projektteam für diese Aufgabe aufgestellt ist, ist in Deutschland einzigartig.
Das Leitprojekt ist in folgende Teilschritte aufgeteilt:
Suche nach Ersatzmaterialien
Im Teilprojekt Materialsubstitution sucht das Forscherteam mit materialwissenschaftlichen Methoden nach neuen Werkstoffen, die vergleichbar gute magnetische Eigenschaften aufweisen wie Hartmagnete aus Seltenen Erden. Die Wissenschaftler setzen dabei theoretische Modellierungs- und Simulationsmethoden ebenso ein wie experimentelle Methoden der Schmelzmetallurgie. Durch systematisches »Computational High-Throughput Screening« und »Data Mining« werden viele verschiedene Materialkombinationen numerisch berechnet und gleichzeitig deren hartmagnetische Eigenschaften geprüft. Solche Strategien sind bereits erfolgreich im Einsatz, um neue Lithiumionen-Batterie-Werkstoffe zu finden.
Permanentmagneten effizienter herstellen
Ein Standardverfahren, um Hochleistungsmagnete zu fertigen ist das Sintern. Ein Pulvergemisch aus Neodym, Dysprosium, Eisen und Bor wird in eine Form gepresst und anschließend bei hoher Temperatur und Druck das Werkstück hergestellt. Weitere Nachbearbeitungsschritte sind notwendig, um es in die gewünschte Form zu bringen. Beim Sinterverfahren wird das Rohmaterial nicht effizient verarbeitet. Deshalb entwickeln die Forscher alternative Technologien mit dem Ziel, die Magnete bereits beim ersten Herstellungsschritt in der geforderten Form und Größe zu produzieren. Das spart die aufwändige Nachbearbeitung und reduziert Material und Kosten.
Elektrische Antriebe optimieren
Elektrische Kleinantriebe, z.B. für Motorkühlung oder Lenkkraftunterstützung, werden nach Volumen- und Gewichtsvorgaben, bezogen auf Leistungsmerkmale wie Betriebsdauer, Einschalthäufigkeit, Drehzahl und Drehmoment, entwickelt. Durch einen konstruktiven Entwurf der Kleinantriebe, der die späteren technischen Anforderungen berücksichtigt, kann auch die Gestaltung der Magnete optimiert werden. Dadurch ist es möglich, den Anteil an Dysprosium zu reduzieren. Allein durch eine verbesserte Kühlung kann die Betriebstemperatur der Elektromotoren soweit gesenkt werden, dadurch könnten nach Expertenmeinung bis zu 21 Prozent des Dysprosiumanteils eingespart werden.
Rohstoffe und Komponenten wiederverwenden und verwerten
Im Teilprojekt »Design for Recycling« untersuchen die Forscher die Recyclingmöglichkeiten von Komponenten und Materialien aus Elektromoren. Derzeit gibt es noch keine geeigneten Konzepte für die Rücknahme und die Aufbereitung von gebrauchten Elektromotoren. Auch hier muss die Wiederverwendung gleich bei der Konstruktion eingeplant werden. In Zukunft sollten Elektromotoren so konstruiert sein, dass man die einzelnen Komponenten nach dem Ende der Produktlebensdauer problemlos demontieren und die Rohstoffe zurückgewinnen kann.
Marktchancen und Umwelteinflüsse berechnen
Durch die dominante Stellung Chinas als Hauptproduzent von Seltenen Erden und die steigende Nachfrage ist das Versorgungsrisiko bei Neodym und Dysprosium sehr hoch. Die Risiken und ihre möglichen Gegenmaßnahmen lassen sich aufgrund des intransparenten Marktes schwer kalkulieren. In einem dynamischen Marktmodell berechnen die Forscher verschiedene Variablen und können dadurch die technologischen Entwicklungen im Projekt und deren Anwendbarkeit im Markt besser einschätzen.
Noch unkalkulierbarer sind jedoch die Risiken für die Menschen und die Umwelt, die bei der Gewinnung von Seltenen Erden auftreten. Bei deren Abbau werden giftige und radioaktive Stoffe eingesetzt. Diese schädigen die Umwelt und die Gesundheit der Menschen. Zudem ist ein sehr hoher Energieaufwand nötig, um an die begehrten Rohstoffe zu kommen. Eine wichtige Aufgabe für die Forscher ist es deshalb, zu evaluieren, wie die Maßnahmen des Leitprojekts dazu beitragen können, die Umwelt künftig zu entlasten.
Die Erkenntnisse aus dem Leitprojekt sollen dazu beitragen, strategische Entscheidungen durch Industrie und Politik zu unterstützen.