In diesem Jahr war der 29. Februar der »End of Fish Day« – jener Tag also, andem Deutschland 2024 rein rechnerisch die eigenen Fischreserven in Nord- und Ostsee aufgebraucht hat und seither durch Importe den Fischteller füllt. 2020 lag dieser Tag noch am 4. April. Der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND fordert deshalb die Menschen auf, weniger Fisch und mehr pflanzliche Alternativen zu essen. Aber ist das die einzige Lösung?
Fisch ist gesund. Doch um den Fischbeständen in den Ozeanen eine Chance auf Genesung zu geben, sollte künftig ein deutlich größerer Teil des Fischkonsums durch Bestände aus Aquakulturen gedeckt werden. »Die Herausforderung dabei ist, diese Verfahren so ressourcenschonend und tiergerecht wie möglich zu gestalten«, erklärt Dr. Henrike Seibel, die an der Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE in Büsum die Abteilung Aquakultur und Aquatische Ressourcen leitet. »Wenn wir den ›End of Fish Day‹ wieder nach hinten verschieben wollen, müssen wir Aquakulturen effizienter und damit ökonomisch attraktiver machen, indem wir das vorhandene Wasser intensiver nutzen, ohne dabei die Umwelt zu schädigen«, führt ihr Kollege, der Biologe Michael Schlachter, aus. »Und das geht über Kreislauftechnik.«
Geschlossene Wasserkreislaufsysteme bieten den Vorteil, Einflüsse wie Licht, Klima und Wasserversorgung zu kontrollieren und entsprechend der Fischart zu moderieren. So können wir auch in Deutschland Meerestiere züchten, die eigentlich in anderen Teilen der Welt zu Hause sind und dort oft unter extremer Umweltbelastung im großen Stil produziert werden. Als Beispiel nennt Schlachter die Garnelenzucht: »In geschlossenen Salzwasseranlagen, bei denen nur noch rund zwei Prozent des Wassers regelmäßig ausgetauscht werden müssen, können Garnelen nun beispielsweise auch in Bayern gezüchtet werden.«
An der Fraunhofer IMTE stehen den Forschenden diverse Systeme von kleinen Aquarien bis hin zu großen Bassins zur Verfügung, um Fragestellungen der Industrie hinsichtlich Filtertechnologien, Ernährung der Fische, Reproduktion und Fischgesundheit zu beantworten. Im Fokus der Forschung steht dabei das Schließen von Kreisläufen und die Kaskadennutzung der verschiedenen Stoffströme im Sinne der Bioökonomie – unter anderem mit dem Konzept der Integrierten Multitrophischen Aquakultur (IMTA). Hier werden die Fische entlang der Nahrungskette mit passenden anderen Meeresbewohnern und -pflanzen kombiniert,um auch jenen Teil der Nährstoffe aus dem Fischfutter zu verwerten, den die Fische übrig lassen. »Muscheln oder Würmer können beispielsweise die partikulären Substanzen aufnehmen, die von den Fischen abgegeben werden, während Makroalgen die gelösten Nährstoffe umsetzen«, erklärt Michael Schlachter. Dies vermindert nicht nur Emissionen und erleichtert dadurch die Aufreinigung des Wassers, sondern erhöht auch die Produktvielfalt.
»Aquakulturen haben im Bewusstsein der Konsumenten oft einen schlechten Ruf – doch zu Unrecht«, findet Henrike Seibel. Denn die Zeiten, in denen die Betreiber in großen Mengen Antibiotika einsetzten, um Krankheiten im Fischbestand zu verhindern, seien vorbei: »EU-weit kann man als Verbraucher oder Verbraucherin davon ausgehen, dass in Aquakulturen nur noch inAusnahmefällen Antibiotika eingesetzt werden.« Denn in der Aquakultur ergeben sich längst bessere Möglichkeiten wie die vorbeugende Impfung der Tiere oder in Kreislaufsystemen die volle Kontrolle über die Wasserqualität und den Einsatz etwa von UV-Licht zur Entkeimung. Aquakulturen, so Seibel, »sind in der Regel deutlich besser kontrolliert als das Wasser in den Ozeanen«.