Viele Kunstgegenstände fallen Plünderungen, Kriegen und Naturkatastrophen zum Opfer. Doch was sollte Forschung daran ändern können? Schließlich lassen sich Kriege und Naturkatastrophen schwerlich verhindern. Dennoch gibt es einen Weg, das Kulturerbe für die Nachwelt zu retten – und zwar die Digitalisierung der Kunstobjekte in 3D. Auf diese Weise lassen sie sich jederzeit nutzen, und das parallel: Während Forschungsteams einen digitalisierten Tempel online untersuchen, können zur selben Zeit Museumsbesucher auf aller Welt virtuell durch das antike Bauwerk schlendern.
Bisher war diese Digitalisierung in 3D jedoch zeitaufwändig. »Mit unserer automatisierten Scanstraße namens CultLab3D ist es nun erstmalig möglich, ganze Museumssammlungen in die digitale Welt zu übertragen«, erläutert Pedro Santos, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt. Einfach den QR-Code des Objekts einlesen, den Gegenstand auf ein Tablett legen – alles Weitere läuft von selbst. Heraus kommt eine dreidimensionale digitale Kopie. Und zwar mit einer irren Geschwindigkeit: Alle fünf Minuten lässt sich ein neues Objekt digitalisieren. Das Prinzip: mehrere Kameras – im Fall der Scanstraße sind es neun – nehmen den Gegenstand von mehreren Seiten auf. Eine Software erstellt aus diesen Aufnahmen die dreidimensionale digitale Rekonstruktion. Die Methode funktioniert auch mit großen Statuen, dann allerdings nicht automatisiert, sondern per Hand. So digitalisierten die IGD-Forscher etwa den Pergamon-Altar – mit einem leichten Laserscanner. Nun gehen die Forschenden sogar noch einen Schritt weiter: »Wir stellen künftig nicht nur die Geometrie, Textur und optischen Mate-rialeigenschaften, kurz das Äußere eines Objekts dar, sondern berücksichtigen auch das Innere«, sagt Constanze Fuhrmann, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IGD. »Die von verschiedenen Technologien gewonnenen Daten zum Inneren und Äußeren des Objekts werden erstmalig in einem 3D-Modell einheitlich zusammengeführt und dreidimensio-nal vor dem Bildschirm im Raum visualisiert.«
3D-Digitalisierung trifft Ultraschall
So haben die Experten den Ansatz von CultLab3D unter anderem um eine Ultraschall-Untersuchung erweitert. »Die Restauratoren können also in der digitalen Darstellung in das Innere des Objekts hineinzoomen und erkennen somit sofort, ob sich dort Instabilitäten, Korrosion und Löcher verbergen«, sagt Peter-Karl Weber, Gruppenleiter am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT. Das Besondere: Mussten solche Untersuchungen bisher von Hand durchgeführt werden, was durchaus mehrere Stunden dauern konnte, sind sie nun innerhalb weniger Sekunden abgeschlossen.
Möglich macht es ein elastischer Gurt, der an dem Objekt befestigt wird. »An ihm ist jeweils ein Ultraschallwandler angebracht. Über eine spezielle Elektronik können die Wandler zwischen Sender und Empfänger umschalten. Statt die Ultraschallwandler ständig neu positionieren zu müssen, reicht es nun, dem Kunstobjekt den Gurt umzulegen«, sagt Weber. Eine Kamera erkennt über QR-Codes auf den Wandlern, an welcher Stelle das Ultraschall-Tomogramm aufgenommen wurde, eine Software fügt die Ultraschallbilder in den digitalen Scan ein.
Bei Ultraschalluntersuchungen tragen Mediziner ein Gel auf die Haut der Patienten auf, um den Ultraschall in den Körper zu leiten. Dies ist bei Kunstgegenständen keine gute Idee, das Gel würde die Objekte beschädigen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP entwickeln daher ein Material, mit dem sich der Ultraschall trocken einkoppeln lässt. Dieses Material hat die gleichen Eigenschaften wie das Gel, seine Konsistenz ähnelt Knete – und lässt sich rückstandsfrei entfernen. »Die Messung an den Haaren der Statue Dresdner Knabe hat damit bereits gut funktioniert«, berichtet Weber. Die gewünschten Eigenschaften konnten die IAP-Teams über ein Matrixmaterial, in das kleine Partikel eingebracht werden, erreichen.