Webspecial Fraunhofer-Magazin 1.2024
Resozialisierungsprogramm für den Klimakiller Nummer 1: Immer mehr technologische Innovationen wollen CO2 als nachhaltige Kohlenstoffquelle nutzbar machen.
Ein Teil Kohlenstoff, zwei Teile Sauerstoff: Kohlendioxid ist eine ziemlich simple chemische Verbindung. Mit aktuell 0,04 Prozent macht sie auch nur einen winzigen Teil unserer Luft aus. Doch das reicht aus, um der Welt große Probleme zu bereiten. Denn Kohlendioxid in der Atmosphäre kann die von der Erde abgegebene Wärme aufnehmen und zurückwerfen auf den Planeten. Das Gas gilt innerhalb der Treibhausgas-Mafia als Klimakiller Nummer 1. Und das nicht, weil es ein besonders hohes Treibhauspotenzial hat – hier liegen Lachgas, die Fluorkohlenwasserstoffe und Methan im Ranking deutlich vor CO2 –, sondern weil es mengenmäßig den größten Anteil aufweist und verhältnismäßig lange in der Atmosphäre verbleibt.
Die Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes gilt aktuell als Königsweg im Kampf gegen den Klimawandel. Doch das allein reicht nicht aus: Auf 60 Millionen Tonnen pro Jahr wird die Menge der unvermeidbaren CO2-Emissionen in Deutschland geschätzt. Dennoch will die Bundesregierung bis 2050 ein Negativ-Emissionsland sein. Wie soll das gehen? Der Zaubertrick dabei ist die Idee, mehr Kohlendioxid zu binden als freizusetzen. Und das soll über drei Mechanismen funktionieren: »Carbon Capture and Storage« (CCS), also das Auffangen und Speichern von Kohlendioxid, und »Carbon Capture and Usage« (CCU), was der Nutzung des Gases nach dem Abscheiden entspricht. Eine dritte Version ist CDR – »Carbon Dioxide Removal« – mit dem Ziel, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft in geologischen Formationen oder ozeanischen Speichern, in Biomasse oder in langlebigen Produkten zu speichern, um so echte Negativemissionen zu erreichen. Bei der Entwicklung der entsprechenden Technologien drängt die Zeit: Allein um die Klimaziele Deutschlands bis 2030 zu erreichen, sind CO2-Abscheidungen im Megatonnenbereich nötig.
Kohlendioxid direkt aus der Luft holen
Das Prinzip »Direct Air Carbon Capture and Storage« (DACCS) soll Kohlendioxid aus der Atmosphäre filtern. Dafür wird die Luft über einen Ventilator an einem Sorptionsmittel vorbeigeleitet, in dem sich CO2 anlagert. »Aufgrund der geringen natürlichen CO2-Konzentration in der Luft ist die Entnahme des Treibhausgases mit einem sehr hohen Energieverbrauch verbunden«, konstatiert Dr. Barbara Breitschopf, Projektleiterin am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, die mit ihrem Team die Potenziale von DACCS in einem Policy Brief ausgelotet hat. Sinn ergibt DACCS also nur dort, wo erneuerbare Energien ausreichend vorhanden sind. »Aus Gründen der Energieeffizienz sollte aber prioritär die Entnahme von CO2 aus verfügbaren Punktquellen erfolgen«, urteilt die Fraunhofer-Expertin: Lieber das Gas direkt am Ort des Entstehens auffangen, als es erst in die Atmosphäre zu entlassen, um es anschließend energetisch aufwendig und teuer wieder herauszufiltern.
Eine dieser Punktquellen für CO2 kann die Herstellung von Wasserstoff aus oder durch Biomasse sein. Denn H2 wird nicht nur über Elektrolyse gebildet, sondern auch durch Umwandlung von biogenen Rest- und Abfallstoffen etwa aus der Lebensmittelherstellung oder der Agrarwirtschaft: Im Projekt H2Wood – Blackforest beispielsweise arbeiten Forschende des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB daran, Holzabfälle im Schwarzwald für die Wasserstofferzeugung zu nutzen. Wird das bei solchen Prozessen als Nebenprodukt entstehende biogene Kohlendioxid aufgefangen und dauerhaft genutzt oder gespeichert, spricht man von einer CO2-negativen Wasserstoffproduktion – ein Zweifachgewinn aus ökologischer Sicht.