Zurück zum Trabi mit seiner Karosserie aus gehärtetem Kunstharz?
Immerhin ist der heute Kult (lacht)! Wir müssen die alten Vorurteile gegenüber Rezyclaten oder biobasierten Materialien hinter uns lassen. Solche Materialien können heute schon haptisch ansprechend und hochwertig wirken. Es kommt auf die Verarbeitung an. Die Kolleginnen und Kollegen am Fraunhofer WKI haben mit ihren flachsbasierten Komponenten gezeigt, dass das möglich ist.
Gibt es weitere Lösungen?
Es gibt viele spannende Einzellösungen, egal, ob Batteriefertigung, intelligenter Leichtbau oder Assistenzsysteme. Wenn man diese im Fahrzeugbau miteinander kombiniert, verschafft das dem Automobil einen Qualitätssprung.
Läuft alles auf das E-Auto zu?
Es ist schlüssig, dass die Automobilindustrie verstärkt auf das E-Auto setzt. Wenn bei der Herstellung und beim Laden zunehmend erneuerbare Energien genutzt werden und zugleich weniger Verbrenner unterwegs sind, haben Sie einen positiven Effekt bei den CO2-Emissionen.
Das alles macht das Auto aber noch nicht zu einem attraktiven Verkehrsmittel der Zukunft.
Das eine Auto der Zukunft wird es nicht geben. Es wird Teil einer ganzheitlichen Mobilitätsstrategie sein und sich in komplexe Verkehrssysteme einbinden lassen. Die Vision der vernetzten Mobilität ermöglicht ein Miteinander von Autos, Bussen und Bahnen, E-Scootern und Lastenfahrrädern, Taxis und Fußgängern. Um hier noch bessere Lösungen zu entwickeln und zu verbreiten, engagieren wir uns als Fraunhofer-Allianz Verkehr – koordiniert durch die Fraunhofer-Institute IAO und IML – in der europäischen Initiative EIT Urban Mobility. Neben den Chancen, die uns durch Digitalisierung eröffnet werden, muss das Automobil in allen Komponenten, in Leistung und Ausstattung immer wieder neu gedacht und als Element einer nachhaltigen, vernetzten Mobilität konzipiert werden.
Muss die Politik den Markt mit Verboten und Ausstiegsterminen regeln?
Davon halte ich nichts. Aufgabe der Politik muss es sein, Anreize für die Entwicklung zu setzen, Impulse zu geben und Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur so wird der Ideenwettbewerb für die künftige Mobilität in Gang gesetzt. Am Ende gewinnen Ideen und clevere Konzepte, von denen die Menschen wirklich einen Nutzen haben. Technologien, die nicht gut sind, verschwinden ganz von selbst.
Welche Rolle werden Komfort und Infotainment spielen?
Eine sehr große. Der Mensch lebt nicht vom Nutzen im Sinne des Transports allein. Komfort spielt grundsätzlich eine große Rolle. Und beim elektrisch angetriebenen Fahrzeug müssen Fragen auch neu beantwortet werden. Während ein Verbrennungsmotor viele störende Geräusche einfach überdeckt hat, ist das beim leisen Elektromotor völlig anders. Hier haben wir viele Lösungen, z.B. Metamaterialien, die beim Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit undSystemzuverlässigkeit LBF entwickelt werden. Das große Ziel ist die Vernetzung des Automobils mit dem gesamten Verkehrsgeschehen. 5G-Funktechnikund KI-gesteuerte Software bilden dafür eine technologische Grundlage. Institute wie das Fraunhofer HHI oder das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS arbeiten daran, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Vernetzung wird viele spannende Ansätze ermöglichen, von denen nicht nur Autos profitieren. Es wird Mobilitäts-Dienstleister mit ganz neuen Ideen und ungeahntem Komfort geben. Denken Sie nur an die Möglichkeit, Ihr selbstfahrendes Auto als mobiles Büro zu nutzen! Konstrukteure und Designer bei den Autoherstellern müssen sich heute an die Arbeit machen und Konzepte entwickeln. Wir bei Fraunhofer tun das.
Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Logistik. Gibt es Technologien, die in die private Mobilität hineinspielen?
Definitiv! Beim Megatrend »automatisch fahren« gibt es Lösungen für den Güter- wie den Personenverkehr und wir lernen gemeinsam mit unseren Industriepartnern in Projekten auch für den jeweils anderen Bereich. Wir sehen mehr Online-Handel und innovative Letzte-Meile-Lösungen, von der Packstation über Lastenräder bis zu autonom fahrenden Lieferrobotern. Mehr Logistikservices im Consumer-Bereich erlauben dann, wenn sich Privatpersonen ein Auto anschaffen oder eines nutzen wollen, mehr Flexibilität etwa bei der Fahrzeuggröße.
Wird die Automobilindustrie auch in Zukunft der bedeutendste Industriezweig in Deutschland bleiben?
Es spricht sehr viel dafür – allerdings als Teil eines tief greifenden Strukturwandels. Automobilhersteller müssen sich als Mobilitätsanbieter verstehen, bei denen Maschinenbau, Design, Energiekonzepte, Softwarekompetenz und Verkehrskonzepte zu einer attraktiven Einheit zusammenfließen.