5G – Die Zukunft im Netz

5G gilt als Nachfolger von 4G (LTE), dabei ist die fünfte Generation wesentlich mehr als nur ein neuer Mobilfunkstandard. Die extrem leistungsfähige Mobilfunktechnologie macht die Verheißungen von Industrie 4.0 und autonomem Fahren erst möglich. Fraunhofer ist maßgeblich an der Entwicklung der 5G-Technologien beteiligt. Die Forschenden wissen genau, was mit 5G alles möglich ist – und welche Hürden zu überwinden sind

Die 5G-Aktivitäten der Fraunhofer-Gesellschaft

Die Herstellung von Flugzeugtriebwerken gehört zu den großen Herausforderungen in der industriellen Fertigung. Hier gelten hohe Anforderungen an Sicherheit und Qualität. Allein die Herstellung der Triebwerksschaufeln, der Blisks (Blade Integrated Disks), kann in der Serienfertigung bis zu 80 000 Euro kosten. Ein Problem hierbei sind die Eigenschwingungen der Bauteile während der Bearbeitung auf der Maschine. Werden die Schaufeln in der Eigenfrequenz angeregt, dann ist die Oberflächenqualität nicht mehr gewährleistet und das Bauteil muss aufwendig per Hand nachbearbeitet werden.

Am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen ist es nun gelungen, das Problem mithilfe der 5G-Technik elegant zu lösen. Ein Sensor überwacht die Schwingungsspektren der Blisks während der Bearbeitung und schlägt beim Überschreiten einer bestimmten Amplitude Alarm. Die entsprechenden Daten werden drahtlos per 5G aus der Maschine heraus übertragen und extern weiterverarbeitet. So lassen sich Steuerimpulse an die Maschinen übertragen, die die Eigenschwingungen verhindern. Am Ende der Fertigung steht ein perfektes Bauteil, das keinerlei Nachbearbeitung benötigt. Diese Anwendung der 5G-Technik wurde vom IPT zusammen mit dem schwedischen Mobilfunk-Infrastruktur-Anbieter Ericsson im Fraunhofer-Leistungszentrum »Vernetzte Adaptive Produktion« entwickelt. Sie ist nur eine von vielen Anwendungen, die durch 5G in Zukunft möglich sein werden.

Video: Prof. Dr. Thomas Magedanz

»Mit 5G wird die Internetrevolution Fahrt aufnehmen«

Datenschutz und Datenverarbeitung

Wir setzen zum Einbinden von Videos den Anbieter YouTube ein. Wie die meisten Websites verwendet YouTube Cookies, um Informationen über die Besucher ihrer Internetseite zu sammeln. Wenn Sie das Video starten, könnte dies Datenverarbeitungsvorgänge auslösen. Darauf haben wir keinen Einfluss. Weitere Informationen über Datenschutz bei YouTube finden Sie in deren Datenschutzerklärung unter: https://policies.google.com/privacy

5G gilt als Zukunftstechnologie par excellence. Neben dem Fraunhofer IPT und dem Fraunhofer FOKUS arbeiten das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS und das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI daran. Sie setzen dabei drei Schwerpunkte:

  • Entwicklung neuer Technologien und technischer Komponenten 
  • Mitarbeit in internationalen Standardisierungsgremien 
  • Tests von praktischen Implementierungen in realer Umgebung.

Die Beiträge der Fraunhofer-Experten sind jetzt umso wichtiger, da Fraunhofer seit Jahren gut vernetzt mit verschiedenen vertikalen Industrien zusammenarbeitet und sowohl deren Anforderungen als auch die Fähigkeiten und Grenzen derzeitiger Mobilfunklösungen kennt.

Die Anforderungen an 5G sind hoch. Dazu gehören zum Beispiel eine Ende-zu-Ende-Übertragungslatenz von wenigen Millisekunden und Übertragungsgeschwindigkeiten von mehr als zehn Gigabit pro Sekunde (Gbit/s). Diese Ziele sind nur durch Veränderungen an vielen Elementen der Kommunikationsübertragung zu erreichen. Je nach Anwendung können die Anforderungen bereits mit frühen oder erst mit späteren Versionen des 5G-Standards voll unterstützt werden. Bisher konnte die Machbarkeit von höchsten Datenraten oder von Latenzen um eine Millisekunde bereits prototypisch realisiert werden. Es wird aber noch einige Zeit vergehen, bis dies in Mobilfunknetzen alltäglich ist. 

Professor Magedanz weist darauf hin, dass die benötigten Leistungsdaten stark von der Anwendung abhängen. »Für das Streamen von Videos beispielsweise kommt es vor allem auf hohe Bandbreite an, bei der große Datenmengen schnell übertragen werden können. Die Latenzzeit spielt hier eine untergeordnete Rolle.«
 

Anwendungs-Cluster für 5G 

Deutlich wird das, wenn man sich die drei großen Bereiche ansieht, in denen 5G künftig eine Rolle spielen wird:

  • Enhanced Mobile Broadband (eMBB)
  • Massive Internet of Things (MIoT) beziehungsweise Massive Machine-type Communication (mMTC) 
  • Mission Critical IoT (Ultra-Reliable LowLatency Communications – URLLC).   

Bei Enhanced Mobile Broadband kommt es auf den Durchsatz an, also die Datenmenge, die pro Zeiteinheit übertragen werden kann. Dies ist etwa beim Videostreaming wichtig. Bei Massive Internet of Things geht es darum, dass Millionen von Endgeräten Daten über das Funknetz übertragen. In Umweltschutz und Landwirtschaft messen Sensoren beispielsweise die Wasserqualität von Flüssen, das Pflanzenwachstum oder die Luftverschmutzung. Die Herausforderung besteht in erster Linie darin, dass möglichst viele Sensoren mit möglichst energieeffizienter Übertragungstechnik drahtlos mit dem Netzwerk kommunizieren können.

Für Anwendungsszenarien der Mission Critical Communication, zum Beispiel bei der industriellen Fertigung und der vernetzten Mobilität, sind Zuverlässigkeit und Latenzzeit entscheidend. Bei Industrie 4.0 müssen Maschinen, Bauteile und Steuersoftware miteinander kommunizieren. Nur so ist es möglich, dass die Steuersoftware unverzüglich auf Probleme reagiert, sodass sich Produktionsstraßen bei Pannen selbst neu organisieren können. 


Die Kriterien Latenz und Zuverlässigkeit sind auch im Bereich autonomes Fahren entscheidend. Hier dient das schnelle Funknetzwerk dazu, dass Automobile während der Fahrt miteinander und mit der Infrastruktur kommunizieren. Auf diese Weise können Fahrzeuge in Kolonne hintereinander fahren und gleichzeitig aktuelle Infos zur Fahrtroute oder zu Stau- und Unfallmeldungen empfangen. 

Warum 5G so schnell ist

Die neuartige Technik Massive MIMO liefert erhöhte Reichweiten und eine energieeffiziente, gerichtete Übertragung. Besonders bei hohen Frequenzen im Millimeterwellenbereich, etwa bei 28 Gigahertz (GHz), erlauben diese Antennen eine kompakte Bauform und einen hohen Bündelungsgewinn. Eine Voraussetzung für die hohen Datenübertragungsraten ist die Erweiterung des Frequenzspektrums. Während der bisherige Mobilfunk 4G (LTE) im Bereich zwischen 700 Megahertz (MHz) und 2,7 GHz genutzt wird, ist das Spektrum, in dem 5G betrieben wird, deutlich größer. »Das Spektrum für 5G wird bis auf 6 GHz im Frequenzbereich 1 erweitert. Hinzu kommt ein weiteres 5G-Spektrum im Millimeterwelenbereich, welches im Frequenzbereich 2 derzeit bis 52 GHz reicht. Ein mehr als zehnmal breiteres Spektrum«, erklärt Dr. Thomas Haustein.

Weitere Tricks, mit denen die Forschenden etwa die Zuverlässigkeit der Datenübertragung erhöhen, lassen sich unter dem Stichwort Redundanz zusammenfassen. So werden identische Datenpakete gleichzeitig über mehrere Basisstationen und in verschiedene Richtungen verschickt, sodass diese garantiert beim Empfänger ankommen.

Tests in realer Umgebung

Mit Theorien über Antennen und Frequenzen geben sich die Fraunhofer-Experten aber nicht zufrieden. Sie arbeiten an der Weiterentwicklung verschiedener Systemkomponenten und erproben diese mit Industriepartnern. Und sie betreiben Testanlagen und Demonstratoren. So erlaubt eine Over-the-Air-Testanlage (OTA-Anlage) des Fraunhofer IIS in Ilmenau die Erprobung von Antennen und Endgeräten.

Die L.I.N.K.-Halle des Fraunhofer IIS in Nürnberg ermöglicht es, neue Technologien für Kommunikation und Positionierung auszuprobieren. Dort dient eine Testanlage der Untersuchung von Positionierungsverfahren, wichtig für autonomes Fahren und Navigation im Innenbereich ohne GPS-Satellitenabdeckung. Ende-zu-Ende 5G-Anwendungen für IoT, autonomes Fahren, Industriekommunikation und Enhanced Mobile Broadband können in den Testfeldern in Erlangen und Nürnberg sowie in den Testfeldern in Berlin ausprobiert werden. Dazu gehören unter anderem Funkübertragungstechniken oder rekonfigurierbare Netzwerkarchitekturen und ein Kernnetz, das es erlaubt, unterschiedliche Anwendungen wie Massive IoT oder URLLC parallel zu betreiben, ohne dass diese Anwendungen sich gegenseitig stören.

5G-Bavaria-Testbed »Industrie 4.0«

 

Am Fraunhofer IPT in Aachen wird ein 5G-NR-System in einer Halle mit Maschinen und Robotern genutzt, sodass hier 5G unter realen Produktionsbedingungen geprüft wird. 

Ortung und Navigation

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von 5G spielen Satelliten. Bei 5G werden Satellitenkommunikation und terrestrische Funkkommunikation nahtlos miteinander verschmelzen. Bei der Definition des 5G-Standards berücksichtigt man die technischen Besonderheiten der Satelliten. Eine besondere Rolle werden vor allem die LEO-Satelliten (Low Earth Orbit) spielen, die in relativ niedriger Höhe zwischen 500 und 2000 Kilometern um die Erde kreisen. Notwendig sind die LEOs etwa für IoT-Anwendungen unter freiem Himmel, bei denen Tausende von Sensoren von Messstationen Daten senden. Hier sind vor allem in Umweltschutz und Landwirtschaft Anwendungen denkbar. Schon heute nutzen landwirtschaftliche Maschinen die GPS-Technik, um Ernte- und Mähmaschinen durch Positionsbestimmung exakt in der Spur zu halten.

GPS und 5G ergänzen sich hier bestens. Gerade dort, wo GPS an seine Grenzen gerät, wie im innerstädtischen Bereich oder in Gebäuden, ist in Zukunft eine hohe Dichte von 5G-Knoten zu erwarten. Das dicht gespannte Funknetz ermöglicht hochpräzise Ortung. Die IIS-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler entwickeln hierzu passende Algorithmen und Ortungsverfahren. 

5G-Lokalisierung

Fraunhofer Cluster of Excellence »Cognitive Internet Technologies CCIT«

Auch im kognitiven Internet soll 5G Einzug halten. Im Fraunhofer Cluster of Excellence »Cognitive Internet Technologies CCIT« sind die Kompetenzen von 13 Fraunhofer-Instituten gebündelt in den Bereichen kognitive, vertrauenswürdige Sensorik, Datensouveränität und Maschinelles Lernen. Ein Beispiel für eine Anwendung ist die im CCIT entwickelte intelligente Warenverfolgung mit kognitiven Sensoren. 5G unterstützt die Kommunikation und den Austausch großer Datenmengen, sodass die Akteure innerhalb einer Warenkette alle notwendigen Informationen in Echtzeit erhalten. 

Cloud-Konzepte und Edge Computing

Die über 5G versandten Datenpakete müssen nicht nur schnell übertragen, sondern auch verarbeitet werden. Dazu sind Rechenkapazität, Speicherplatz und intelligente Algorithmen nötig. Deshalb erweitern die Forscherinnen und Forscher die 5G-Systeme mit Cloud-Konzepten.

In der künftigen Smart Factory können Daten, die Sensoren, Bauteile, Roboter oder Maschinen senden, in der Cloud verarbeitet werden. Hier erfolgt die schnelle und intelligente Auswertung der Daten, hier kann die Steuersoftware die gesamte Anlage steuern. Wenn sich ein Unternehmen eine eigene lokale Cloud einrichtet und die Server auf dem Betriebsgelände stehen, sind auch sehr niedrige Latenzzeiten realisierbar. »Ein Vorteil dabei ist, dass die Rechenkapazitäten in der Cloud leicht skalierbar sind«, erklärt Niels König, Abteilungsleiter Produktionsmesstechnik am Fraunhofer IPT.

Auch Edge Computing trägt zur Beschleunigung des Datenverkehrs bei. Dabei werden Daten bereits an neuartigen Basisstationen oder speziellen Gateways und Datenzentren am Rand der Netze verarbeitet. 

Components of the 5G Playground
© Fraunhofer FOKUS
Components of the 5G Playground.

Software-Entwickler am FOKUS

Am Fraunhofer FOKUS in Berlin setzen die Expertinnen und Experten noch einen anderen Schwerpunkt: Sie entwickeln spezielle Software-Tools für den Aufbau von 5G-Testbeds. So naheliegend es sein mag, dass Mobilfunknetze ohne intelligente Software nicht funktionieren, so verblüffend ist, wie sehr die softwaregesteuerte Netzvirtualisierung die Möglichkeiten erweitert. Solche Netze machen es möglich, dass alle Funktionen durch Software-Komponenten realisiert werden, die sich entsprechend den Anforderungen wie Legosteine dynamisch auf zentralen oder lokalen Datenzentren zusammenstecken lassen. 

Dann schlägt auch die Stunde des Network Slicing. Dabei werden verschiedene virtuelle Netze nebeneinander auf die Rechenzentren aufgespielt und betrieben. Während ein Slice beispielsweise im Enhanced Mobile Broadband läuft und den Nutzern eines Videostreaming-Dienstes hohe Bandbreiten zur Verfügung stellt, läuft im Nachbar-Slice vielleicht eine zeitkritische Anwendung eines mittelständischen Autozulieferers, der für die Robotersteuerung auf niedrige Latenzzeiten und höchste Zuverlässigkeit angewiesen ist.

Von den neuen Möglichkeiten profitieren vor allem Unternehmen, die sich für ihre Lösung oder ihr Geschäftsmodell ein maßgeschneidertes 5G-Netzwerk aufbauen wollen. Da die wichtigsten 5G-Softwarebausteine bis 2020 verfügbar sein werden, kann die konkrete Umsetzung im Einzelfall auch sehr schnell erfolgen. Network Slicing wird bereits heute im Berliner 5G-Playground für Industrial-IoT-Anwendungen mittels programmierbarer Edge-Computing-Knoten mit Industriepartnern erprobt und optimiert. 

Reservierte Bandbreiten

Individuelle Lösungen könnten noch besser funktionieren, wenn die Unternehmen nicht von Mobilfunkprovidern  abhängig wären, sondern auf dem Firmengelände eigene Funknetze aufbauen könnten. Die Bundesnetzagentur plant, Unternehmen oder regionalen Anbietern einen Teil des Frequenzspektrums zwischen 3,7 und 3,8 GHz als reservierte Bandbreite zur Verfügung zu stellen. Auch Fraunhofer-Experte Niels König hält die Idee für vielversprechend: »Unternehmen wären nicht von einem Mobilfunkbetreiber abhängig und könnten selbst für die Datensicherheit sorgen.«

Standards definieren

Für die konkrete Umsetzung der 5G-Pläne warten Unternehmen auf verbindliche Standards. Erst dann können fertige Lösungen und Endgeräte auf den Markt kommen. Verantwortlich für die Definition der 5G-Standards ist das internationale Gremium 3rd Generation Partnership Project (3GPP), eine globale Kooperation von Standardisierungsgremien für den Mobilfunk. Die Spezifikationen werden derzeit unter Beteiligung von Experten aus der ganzen Welt in monatlichen Arbeitstreffen festgelegt. Gerade wurde die erste Version des Standards (Release 15) verabschiedet. Die Fraunhofer-Institute HHI und IIS beteiligen sich aktiv an der Erarbeitung der technischen Spezifikationen für den 5G-Standard, seit diesem Jahr unterstützt durch das Fraunhofer FOKUS im Bereich Spezialnetze und Network Slicing. Erste 5G-Endgeräte werden schon ab 2020 erwartet. 

Wegen der nötigen Investitionen und der Komplexität der Funknetze wird es noch einige Jahre dauern, bis 5G-Netze mit allen Funktionen flächendeckend verfügbar sind. Spätestens dann gehören Features wie die Latenzzeit von einer Millisekunde, Bandbreiten von zehn Gigabit pro Sekunde und absolute Zuverlässigkeit zum Alltag in Unternehmen, im Verkehr oder in der Smart City.