Wurde die Kabinentür wie geplant geliefert? Hat sie die gleiche Temperatur wie der Flugzeugrumpf? Und funktioniert der Einbau wie vorgesehen? Der Einbau einer Kabinentür ist nur ein Montageprozess von vielen, um ein Flugzeug zu fertigen. Er ist jedoch so vielstufig und anspruchsvoll, dass Airbus ihm im Rahmen des Forschungsprojektes iVeSPA, kurz für Integrierte Verifikation, Sensoren und Positionierung in der Flugzeugfertigung, in den Fokus rückt. »Wir wollen herausfinden, wie wir unsere Montage automatisieren und schlanker steuern können«, sagt Eugen Gorr, der bei Airbus in Hamburg für die Entwicklung innovativer Montageprozesse verantwortlich ist. »Die Prozesse rund um den Einbau einer Kabinentür eignen sich besonders gut, um zu ermitteln, welche Daten wir wie und wo erfassen, wie wir sie verarbeiten und wie wir sie in Echtzeit zurück in den Montageprozess koppeln können. Dennoch ist die Kabinentür nur ein Beispiel. Andere Bauteile lassen sich ebenso tracken.« Neue Sensor- und Datenverarbeitungskonzepte des Fraunhofer IFF sollen eine optimierte Prozessüberwachung und deren stufenweise Integration in das Montageumfeld ermöglichen. Das Magdeburger Institut hat die Konzepte im Auftrag des Flugzeugbauers erarbeitet. Dabei wurde die Kabinentür als ein Anwendungsszenario exemplarisch ausgewählt. Neben der Rumpflängsausrichtung, der Höhenleitwerkjustierung und der Montage der Luftmischereinheit eignet sich dieser Prozess am besten.
Sensoren für den Materialwagen
Im Falle der Kabinentür rückte der Materialwagen (MDU), auf dem die Tür vom Lieferanten bis zum Flugzeugrumpf transportiert wird, in den Mittelpunkt der Lösung. Er wurde mit diversen Sensoren und Datenspeichern ausgerüstet, die die Airbus-Logistiker zu jeder Zeit und an jedem Ort während des gesamten Prozesses mit relevanten Informationen versorgen. Für welches Flugzeug ist die Tür gedacht? Handelt es sich um eine linke oder um eine rechte Tür? Ist während der Fahrt etwas außergewöhnliches passiert, dass sie vor dem Einbau noch einmal geprüft werden muss? Hat sich die Tür bereits auf die Temperatur des Rumpfes erwärmt? Liegt sie noch auf der MDU? Oder wurde sie bereits verbaut? Wenn ja: Gab es beim Einbau Abweichungen vom Plan? Könnte die digitale Erfassung dieser Abweichungen für Verbesserung und Verschlankung des Montageprozesses genutzt werden? Muss Airbus den Lieferanten darüber informieren? »Bislang basiert die Kommunikation in den Montagehallen mehr auf Papierdokumenten und Zuruf und weniger auf elektronischen Hilfsmitteln«, sagt Martin Woitag, Wissenschaftler im Geschäftsfeld Mess- und Prüftechnik am Fraunhofer IFF. »Und da die Rückmeldungen über den aktuellen Fertigungszustand nur einmal in der Woche erfolgen, sind sie deutlich entkoppelt vom Zeitpunkt ihrer Ausführung.«
Mobile Sensorbox »AirBOX« ermöglicht Sensornetzwerk
Um aus den erfassten Daten ohne Zeitverzug relevante Informationen abzuleiten, entwickelten Woitag und sein Team die mobile Sensorbox »AirBOX«. Sie erlaubt, Sensoren zu einem flexiblen Netzwerk zusammenzuschalten und aus den Daten Ereignisse abzuleiten, die für die Prozessüberwachung benötigt werden und ein schnelles Agieren gewährleisten. Die übermittelte Datenmenge bleibt dabei so klein, dass das Funknetz in der Montagehalle nicht mehr als notwendig belastet wird.
Die AirBOX lässt sich technisch so auslegen, dass keine zusätzlichen Modifikationen in die vorhandene Infrastruktur notwendig sind. Sie ist hochkompatibel zu anderen Systemen und zudem kostengünstiger als vergleichbare Lösungen. Sie erfasst zwar kontinuierlich die Position und die Temperatur der Kabinentür. Ein Signal an den Server schickt sie jedoch erst dann, wenn die Sensordaten zwei Kriterien erfasst haben. Zum einen die korrekte Position des Montageplatzes, zum zweiten das Erreichen der Raumtemperatur. Erst jetzt ist die Kabinentür zur Montage bereit. Denn sie wurde nicht nur angeliefert, sondern hat sich auch auf das Niveau des Rumpfes erwärmt. Um Airbus über dieses Ereignis zu informieren, genügt prinzipiell ein einziges Datenbit. »Die AirBOX erfasst kontinuierlich eine Vielzahl an produktionsrelevanten Daten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. Durch logische Kombination und Regeln entsteht die benötigte Information über die Kabinentür«, betont der Ingenieur.
Die AirBOX im mobilen Aluminiumgehäuse mit LED-Statusanzeigen und frei definierbaren Eingabetasten lässt sich lokal per PC-Kabel oder über das Netzwerk konfigurieren. Sie verwendet das IoT-Standardprotokoll MQTT und Verschlüsselungstechnologien. Die Sensordaten und Ereignisse werden in einer lokalen Datenbank gespeichert und webbasiert visualisiert. Für den Aufbau des Sensornetzwerks lassen sich bis zu sechs Sensoren an die Box anschließen, die automatisch erkannt und vorkonfiguriert werden. »Mit der AirBOX erschließt sich eine Fülle von Digitalisierungsmöglichkeiten zur operativen Unterstützung der Produktion«, so Woitag.
Airbus und das Fraunhofer IFF erproben daher bereits weitere Anwendungsfälle. Beispielsweise könnte das Konzept auf Basis der AirBOX helfen, ein visuelles Assistenzsystem für den Fügeprozess von Tragfläche und Rumpf zu entwickeln.