Lebensmittelsicherheit ist für Lebensmittelindustrien unerlässlich – dies gilt auch für die Milchindustrie. Schädliche Organismen gelangen durch Euterinfektionen in die Milch. Chemische Stoffe wie Antibiotika und Pestizide können über das Futter oder durch unzureichende Kontrollen zu Kontaminationen führen. Um den Eintritt verunreinigter Milch in die Nahrungskette zu verhindern, werden über den gesamten Produktionsprozess und die gesamte Lieferkette Kontrollen durchgeführt. Doch diese Standardtests sind mit einem hohen Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Die in Laboren analysierten Proben werden aus Tanks von Sammelfahrzeugen mit gemischter Milch von mehreren Milchviehbetrieben entnommen. Wird festgestellt, dass die Milch kontaminiert ist, müssen enorme Mengen vernichtet werden, was mit hohen Verlusten für die betroffenen Landwirte und Molkereien verbunden ist. Dies lässt sich vermeiden, indem die Milch direkt beim Landwirt überprüft wird, bevor sie in den Sammeltransport kommt.
Qualitätscheck liefert Messwerte in fünf Minuten
Im EU-Projekt MOLOKO (Multiplex phOtonic sensor for pLasmonic-based Online detection of contaminants in milK) haben zwölf Partner – darunter auch eine Molkerei – aus sieben Ländern eine Lösung gefunden, Verunreinigungen in der Milch erheblich günstiger und schneller zu erkennen: Ein neuer optoplasmonischer Sensor soll als Frühwarnsystem und als zusätzliche Kontrolle fungieren, bevor die Milch in den Tank kommt. In ca. fünf Minuten soll er sie mit einer einzigen Messung auf insgesamt sechs Inhaltsstoffe analysieren. Der Sensor ist mit spezifischen Antikörpern für verschiedene Parameter von Milchsicherheit und -qualität funktionalisiert und ermöglicht die automatische quantitative Analyse direkt vor Ort in den Milchbetrieben.
Einzigartige integrierte Sensorarchitektur
Das komplette System besteht aus einem mikrofluidischen, wiederverwendbaren Chip, organischen lichtemittierenden Transistoren (OLET) oder Dioden (OLED), organischen Photodetektoren (OPD) bzw. dem Sensor, einem nanostrukturierten plasmonischen Gitter und den spezifischen Antikörpern. Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP entwickelt den organischen Photodetektor, das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS den mikrofluidischen Chip. Der OLET und das photonische Gitter werden vom CNR-ISMN in Bologna bzw. von der Firma Plasmore Srl in Pavia (Italien) entwickelt.
»Das Besondere an unserem Chip ist, dass man ihn wiederverwenden kann. Dies gelingt, indem die Zielmoleküle mit Hilfe eines Regenerationspuffers von den immobilisierten Antikörpern lösen, so dass diese sich wieder für einen erneuten Nachweis nutzen lassen«, erläutert Andreas Morschhauser, Wissenschaftler am Fraunhofer ENAS. Der Chip ist für hundert Messungen ausgelegt. Mit jeder Messung können sechs Parameter bzw. Schadstoffe und Proteine analysiert werden. Hierfür entwickeln Morschhauser und seine Kollegen das mikrofluidische System in der Form einer austauschbaren, automatisierten und miniaturisierten Kartusche. Neben den gewonnenen Informationen zur Milch erlauben die gemessenen Parameter aber auch Rückschlüsse auf die Gesundheit jeder einzelnen Kuh, Landwirte erhalten vielfältige Informationen über deren Verfassung. Beispielsweise lassen sich so frühzeitig Infektionen erkennen und somit umgehend behandeln. Eine frühzeitige Behandlung kann u.a. zu einem umsichtigen Einsatz von Antibiotika und damit auch zu deren Reduzierung beitragen.
Nanostrukturiertes Gitter für Oberflächenplasmonenresonanz
Doch wie funktioniert der Nachweis? »Der Transistor erzeugt Licht, das auf das mit Antikörpern beschichtete Gitter fällt. Diese sind spezifisch für die relevanten Inhaltsstoffe. Wird die Milch nun über die Antikörper gespült, so binden die Zielmoleküle an ihnen. Dadurch ändert sich der Brechungsindex in der Umgebung des Gitters, was zu einer Änderung der Reflektion des Lichts führt. Das reflektierte Licht fällt auf den Photodetektor, der die minimale Änderung der Brechzahl misst«, erläutert Dr. Michael Törker, Wissenschaftler am Fraunhofer FEP das Messprinzip. Der grundlegende Effekt wird als Oberflächenplasmonenresonanz bezeichnet und tritt u.a. an speziellen strukturierten Nanogittern auf. Der Effekt erlaubt schnelle und sehr sensitive Messungen.
Der Biosensor soll an verschiedenen Stellen der Wertschöpfungskette eingesetzt werden können: sowohl als Laborgerät als auch direkt in Melkanlagen integriert. Das System eignet sich jedoch nicht nur für den Qualitätscheck von Milch. Mit dem optoplasmonischen Sensor könnten in Zukunft auch andere Flüssigkeiten wie beispielsweise Bier oder Wasser analysiert werden. Hierfür ist lediglich eine Anpassung der immobilisierten Fängermoleküle und der notwendigen Reaktionspuffer notwendig. Dafür müssen nur die Fängermoleküle ausgetauscht und entsprechend angepasst werden.
Erste Ergebnisse aus der Entwicklungsarbeit des optoplasmonischen Chips werden auf der CES 2020 präsentiert (7. – 10. Januar 2020, Las Vegas, Stand der OE-A, Nr. 40950, Sands Expo Center).