Mit ihrem Energieprogramm hat die Bayerische Staatsregierung neue Ziele zur Umsetzung der Energiewende gesetzt: Rund 40 Prozent des bayerischen Strombedarfs sollen bis 2025 aus heimischen erneuerbaren Energien gedeckt werden. Einen innovativen Ansatz zur regenerativen Stromerzeugung verfolgt das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC im Projekt DEGREEN (siehe Kasten »Das Projekt DEGREEN auf einen Blick«) und setzt dabei auf Wasserkraft: Die Würzburger Forscher nutzen extrem dehnbare, hauchdünne Elastomerfolien, die wie ein Kondensator funktionieren. Die Folien aus Silikon sind beidseitig mit einer elastischen leitfähigen Schicht sowie einer isolierenden Schutzschicht versehen. In kleinen Flüssen und Bächen installiert, wird durch einen Wechselzyklus aus Dehnung und Entspannung die mechanische Bewegungsenergie des Wassers direkt in elektrische Energie umgewandelt. Das fließende Wasser dehnt die weiche Folie, die einem Luftballon ähnelt. In gedehntem Zustand wird sie durch das Anlegen einer hohen elektrischen Spannung geladen. Anschließend wird das Elastomer wieder mechanisch entspannt und in den ursprünglichen Zustand gebracht. »In diesem Zustand ist jetzt eine höhere elektrische Energie aufgebracht, die wir über eine Schaltung quasi absaugen. Dieser Kreisprozess aus Spannung und Entspannung erfolgt einmal pro Sekunde«, erläutert Dr. Bernhard Brunner, Projektleiter und Wissenschaftler am ISC. »Legen wir eine Spannung von 4000 Volt an, können wir bei jeder Dehnung eine elektrische Leistung von 100 Milliwatt pro Folie erzeugen.«
Doch wie gelingt die periodische Dehnung der Folien? Hierfür haben Brunner und sein Team ein pfiffiges mechanisches Anregungskonzept umgesetzt: Strömt Wasser durch ein verengtes Rohr, entsteht in diesem ein Luftunterdruck – auch Venturi-Effekt genannt –, durch den die Elastomerfolie gedehnt wird. Der Unterdruck wird durch Öffnen eines Belüftungsventils ausgeglichen, was die Elastomerfolie wieder in den ungedehnten Zustand versetzt. Der Clou: Das Ventil ist selbststeuernd, es öffnet und schließt sich selbsttätig ohne den Einfluss von Elektronik und Strom.
Idealer Standort: Bäche und kleine Flüsse
Durch Ändern des Foliendurchmessers können die Forscher den Druck anpassen. Dadurch ist der Generator im Hinblick auf die Strömungsgeschwindigkeiten der Gewässer skalierbar. Das komplette System, das sich aus Folien, Rohr, Ventil, Pumpe, Luftleitung, Elektronik und Gleichrichter zusammensetzt, ist modular aufgebaut, auch der Rohrdurchmesser lässt sich einstellen. Je nach Tiefe und Breite der Gewässer werden die Rohre entsprechend angepasst und übereinander, hintereinander oder nebeneinander montiert. Bei einem breiten, aber nicht tiefen Fluss empfiehlt es sich, die Rohre nebeneinander zu verbauen. »Ein großer Vorteil unseres Konzepts ist, dass wir nicht auf große Wassertiefen angewiesen sind, wir nutzen die Fließenergie des Wassers. Unsere Elastomergeneratoren eignen sich vor allem für kleine Flüsse und funktionieren schon bei Wassergeschwindigkeiten ab 0,5 Meter pro Sekunde und bei Wassertiefen von 0,5 Metern. In Bayern gibt es kleinste Flüsse mit einer Gesamtlänge von 30 000 Kilometern, in denen sich unser von Wind und Sonne unabhängiges System optimal einsetzen ließe. Würden wir 1000 unserer Anlagen installieren, könnten wir die Energiewende in Bayern entscheidend unterstützen«, sagt Brunner. Eine Gesamtleistung von 876 MWh pro Jahr könnte in das Netz eingespeist werden. Auch Österreich und die Schweiz mit ihren kleinen Gebirgswasserläufen sowie Entwicklungsländer würden von dem neuartigen mechanischen Anregungskonzept profitieren.
Dezentrale Stromversorgung
Die Elastomergeneratoren sind so ausgelegt, dass sie in flachen und kleinen Gewässern ohne Querbauwerke geräuschlos betrieben werden können. Sie eignen sich beispielsweise für die dezentrale Stromversorgung von Campingplätzen oder abgelegenen Siedlungen, die direkt an Gewässern liegen.
Im Labor konzipieren Brunner und sein Team derzeit zwei Versionen der Stromerzeuger: eine schwimmende Variante sowie eine, die am Ufer montiert wird. Aktuell wird der Aufbau miniaturisiert – der fertige, wetter- und hochwasserfeste Generator soll zum Projektende in Schaltschrankgröße vorliegen. Parallel zu den Laborversuchen laufen in enger Abstimmung mit Gemeinde, Wasserwirtschaftsamt und Umweltbehörden erste Freilandtests mit Prototypen an der Wern und der Tauber. Dort führen die Würzburger Forscher realitätsnahe Experimente durch. Ziel ist es, 100 Watt pro Kraftwerk elektrische Leistung kontinuierlich zu erzeugen.