sam die Produktions- und Verwertungskreisläufe nach- haltig zu gestalten und so die Kreislaufwirtschaft von der Theorie in die Praxis zu überführen. »Bereits die Ferti- gungsprozesse müssen an den Kreislaufgedanken ange- passt werden«, betont Kroll – etwa, indem Hybridstruk- turen, die aus unterschiedlichen Kunststoffen oder Materialkompositionen bestehen, so aufgebaut werden, dass sie nach dem Gebrauch leicht voneinander zu tren- nen sind und dadurch nicht in der energetischen Ver- wertung landen. Auch an eine Demontage sollte gedacht werden, indem etwa lösbare Klebeverbindungen genutzt werden. »Design for Re-Use, Repair und Recycling« nennt Kroll diesen Ansatz. Die Wiedernutzung frühzeitig im Blick haben: Im Projekt RE-USE arbei- ten vier Fraunhofer-Institute bereits daran, Lebensmittel- und Medizinver- packungen so herzustellen, dass ein späteres Recycling erleichtert wird. »Viele dieser Verpackungen bestehen aus Kunststoffverbundmaterialien, die eine gute Barrierewirkung garantieren, also Lebensmittel gut schützen. Leider lassen sich solche Materialkombina- tionen aber nicht mehr in sortenreine Polymere zerlegen, was für das Recy- cling nötig wäre«, erklärt Projektleiter Dr. Benedikt Hauer vom Fraunhofer- Institut für Physikalische Messtechnik IPM. »Im Projekt RE-USE wollen wir stattdessen einen sortenreinen Kunst- stoff – gerne aus Recyclingmaterial – mit einer Schicht etwa aus Silizium- oder Aluminiumoxid versehen, die als Diffusionsbarriere dient.« Diese Schicht misst nur we- nige Nanometer, betont Friederike Münch, Maschinen- bauingenieurin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IPM: »Das ist zehntausend Mal dünner als ein menschliches Haar und hat den Vorteil, dass der Kunst- stoff wie ein Monomaterial recycelt werden kann, da die Verunreinigung durch die Barriereschicht lediglich im Promillebereich oder noch niedriger liegt.« Damit gewährleistet ist, dass die »Superbarriere« zwar ultradünn, aber doch überall ausreichend vorhanden ist, entwickelt das Team am Fraunhofer IPM einen optischen Sensor, der diese Schicht detektiert und so die Qualitäts- kontrolle in der Produktion übernehmen kann. »Per In- frarot-Reflektometrie lässt sich nicht nur erkennen, wel- ches Material aufgetragen wurde, sondern auch, wie dick die Schicht ist«, erläutert Physiker Hauer. »Die Heraus- forderung ist nun, diese Technologie so zu skalieren, dass sie auch im Großmaßstab robust, schnell und günstig eingesetzt werden kann«, ergänzt Münch. Sobald das ge- 3 | 23 lungen ist, sieht Projektleiter Hauer ein breites Anwen- dungsfeld für das Messprinzip – etwa in der Herstellung von Verpackungsfolien und Lebensmittelbehältern, aber auch von Blisterverpackungen in der Pharmaindustrie. Darüber hinaus werden Dünnschichten, insbesondere aus Siliziumoxid, vielfach zur Optimierung von Ober- flächeneigenschaften genutzt. Auch hier kann das neue Messprinzip zur produktionsbegleitenden Qualitätskon- trolle eingesetzt werden. Mit dem Projekt KOSEL hat das Fraunhofer IWU das Prinzip »Design for Recycling« für die Autoproduktion durchexerziert. »Grundidee war die Entwicklung einer Fahrzeugplattform als Basis für leicht zu wechselnde Aufbauten«, erklärt Dr.- Ing. Martin Kausch, Abteilungsleiter für Systeme und Technologie für tex- tile Strukturen. »Bei Flugzeugen, Zügen oder Straßenbahnen ist das längst Standard, da werden beispielsweise Passagier- zu Frachtflugzeugen um- gebaut.« Entstanden ist bei KOSEL ein kreislaufgerechter Open-Source-Bau- kasten für eine E-Fahrzeug-Plattform, der aus besonders langlebigen Kunst- stoffkomponenten besteht. Die Haupt- module Vorderwagen, Batteriekasten und Hinterwagen sind über feste Schnittstellen miteinander verbunden, sodass der Austausch einzelner Bau- teile oder kompletter Fahrzeugbestand- teile schnell realisierbar wird. »Ansätze wie KOSEL betreffen das Fahrzeug von mor- gen«, betont Susanne Kroll. Wie aber könnte eine kurz- fristige Lösung aussehen? In dem Projekt Dig-CirclE, an dem das Fraunhofer IWU beteiligt ist, werden Hochleis- tungs-Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) etwa aus der Automobilindustrie und Luftfahrt mittels Digitalisierung und Automatisierung analysiert, bewertet und – je nach Zustand – dem Re-Use, der Reparatur oder dem Recycling zugeführt. Hinzu kommt die Entwicklung effizienter Re- paratur- und Recyclingprozesse, um eine erneute Nutzung auch wirtschaftlich interessanter zu machen. »Aktuell«, so Kroll, »sind Rezyklate oft deutlich teurer als neues Ma- terial.« Die Kosten lassen sich aber beispielsweise senken durch den Einsatz eines KI-gestützten Diagnostiksystems zur automatischen Analyse der Strukturen sowie zur Steuerung von Folgeprozessen wie dem Recycling. Künstliche Intelligenz als Gamechanger im Recyclingpro- zess: Daran arbeitet der sogenannte KI-Hub Kunststoff- verpackungen, bestehend aus den Innovationslaboren KIOptiPack und K3I-Cycling, in dem 51 Partner aus »Design for Re-Use, Repair und Recycling: Bereits die Fertigungs- prozesse müssen an den Kreislauf- gedanken ange- passt wer den.« Susanne Kroll, Fraunhofer IWU zurück zu Seite 1 21