W ir erleben eine Zeitenwende«, konstatier- te die Fraunhofer-Allianz Big Data bereits 2017 in einer Potenzialanalyse zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Sie sagte voraus, dass diese Technologie »atemberaubend schnell unsere Alltagswelt in Form sprechender Geräte und digitaler Assistenten, kooperativer Roboter, autonomer Fahrzeu- ge und Drohnen« durchdringen und komfortabler sowie sicherer machen wird. Ein ambitionierter Schritt in die- se Richtung ist das Projekt DAKI-FWS (Daten- und KI-gestütztes Frühwarn- system zur Stabilisierung der deut- schen Wirtschaft), ausgerufen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz innerhalb des »KI Innovationswettbewerbs«. Gestartet im Dezember 2021, soll damit ein Frühwarnsystem entwickelt werden, das sowohl infektiologische Krisen wie eine Virus-Pandemie, aber auch Natur- und Klimakatastrophen wie Hochwasser und Hitzewellen detek- tieren kann. Damit sollen vor allem Unternehmen frühzeitig gewarnt werden, damit sie Entscheidungen rechtzeitig treffen können. »Ein Frühwarn system wie DAKI kann nur funktionieren, wenn Politik, Wirtschaft und Bevölkerung dem System vertrauen.« Dr. Jackie Ma, Gruppenleiter Angewandtes Lernen am Fraunhofer HHI Die Idee, Katastrophen mittels Datenanalyse vorherzusagen, ist nicht neu. »Es gibt bereits viele sehr spezielle Expertenlösungen auf die- sem Gebiet«, bestätigt der Mathematiker Dr. Jackie Ma, Gruppenleiter Angewandtes Lernen beim Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut HHI, das die Gesamtleitung von DAKI-FWS übernommen hat. Dennoch ragt das Projekt mit seiner Bandbreite möglicher Katastrophen heraus. »Das Spannende ist, dass wir in DAKI-FWS infektiolo- gische Daten – etwa Inzidenzen, Klinikbelegung und Übertragungsrate – verknüpfen mit Datenquellen wie Temperatur, Regenmenge und Verkehrsdaten«, erklärt Ma. Mit dem großen Ziel, das Gesamtbild sehr viel besser beschreiben und Prognosen präziser treffen zu können. Wird also schon bald ein Supercomputer existieren, dessen Blaulicht uns mitteilt, wenn es in Deutschland oder Europa brenzlig wird? Fraunhofer-HHI-Experte Ja- ckie Ma lacht: »So sieht die Realität nicht aus.« Das Projekt DAKI-FWS soll eine KI-basierte Kriseninterventions-Platt- form generieren, die möglichst unkompliziert mit vielen unterschiedlichen Daten gefüttert werden kann. Eine KI analysiert diese und entwickelt Prognosen, die dann wie- derum von möglichst vielen Unternehmen eingesehen werden können – ähnlich dem COVID-19-Dashboard, mit r e n t t ü B s n e J / e c n a i l l a - e r u t c i p : o t o F 2 | 22 dem das Robert Koch-Institut die aktuellen Corona-Fall- zahlen veröffentlicht. Das Fraunhofer HHI kann dabei auf das Know-how früherer Fraunhofer-Erfolge aufbauen: SAUBER liefert KI-Prognosen der Luftqualität in Städten und Regionen anhand von Daten, die vor allem aus dem Raumfahrtpro- gramm Copernicus stammen. Bei KLIPS hingegen geht es um die KI-gestützte Vorhersage sogenannter Hitzeinseln in Städten. »Zwischen den beiden Pro- jekten und unserem neuen Frühwarn- system gibt es viele Parallelen auf technischer Ebene«, erklärt Ma. »Al- lerdings ist DAKI-FWS deutlich größer angelegt.« An dem Konsortialprojekt sind neben dem Fraunhofer HHI noch die Berliner Charité, die Justus-Liebig- Universität Gießen, das Robert Koch- Institut, das Zuse Institute Berlin und das Hasso-Plattner-Institut für Digital Engineering beteiligt sowie die Unter- nehmen Budelmann Elektronik, Da- ta4Life, LOGIBALL, NET CHECK und Esri Deutschland. Während sich Künstliche Intelli- genz im Sales- oder Finanzbereich schon bewährt hat, ist der Einsatz im Feld der Naturkatastrophen sehr viel herausfordernder. »Die Welt zu model- lieren ist unfassbar schwierig«, erklärt Projektleiter Ma. »Die benötigten Mo- delle sind extrem komplex, die einflie- ßenden Datenmengen sind riesig und technisch schwer handhabbar.« Viren halten sich bekanntlich ebenso wie Wetter- und Klimaphänomene nicht an geopolitische Grenz- verläufe, weshalb langfristig nur die Nutzung globaler Daten bei DAKI-FWS einen Sinn ergibt. Doch hinsichtlich Qualität und Quantität gibt es eklatante Unterschiede: Während etwa China alles erfasst, aber diese Daten nur höchst ungern teilt, werden im globalen Süden eher wenig Daten erhoben. Hinzu kommt, dass der strenge deutsche und europäische Datenschutz die Nutzung von Big Data erschwert. »Trotzdem darf man beim Datenschutz keine Abstriche machen«, findet Ma. »Ein Frühwarnsystem wie DAKI kann nur funktionieren, wenn Politik, Wirtschaft und Bevölkerung dem System vertrauen.« Schon heute ist Künstliche Intelligenz »ein Meister der Prognose«, wie es das Hamburger Zukunftsinstitut bilanziert. Und ihr Potenzial wird immer deutlicher er- kennbar. Vor allem, wenn es um die Analyse gigantischer Datenmengen in kürzester Zeit geht und darum, Muster zu erkennen und daraus Vorhersagen abzuleiten, ist eine Künstliche Intelligenz unschlagbar. Das macht sich zurück zu Seite 1 29