angelaufen und wird vom Bundesministe- rium für Ernährung und Landwirtschaft mit 1,6 Millionen Euro gefördert. Unter der Leitung des Verbunds Transformationsfor- schung agrar Niedersachsen umfasst der Projektverbund neben dem Fraunhofer IZFP verschiedene weitere Partner mit Experti- se im Tier-, KI- und Sensorbereich. Das Ziel von SmartPigHome ist es, den Landwirt in seiner Arbeit und seinen Ent- scheidungen zu unterstützen. Sensoren er- fassen Temperatur, Luftfeuchte und den Ge- halt bestimmter Gase. Sie registrieren aber auch über Ton- und Bilddaten das Verhalten der Schweine. Mithilfe von KI-Modellen sol- len dann unter Berücksichtigung aller Da- tenquellen Rückschlüsse auf die Stimmung der Tiere gezogen werden. Erkennen die Al- gorithmen, dass die Schweine unruhig oder aggressiv sind, bekommt der Landwirt eine Push-Benachrichtigung auf sein Handy. In kritischen Situationen aktiviert ein Beschäf- tigungstool mit sich bewegenden Lichtpunk- ten den Spieltrieb der Schweine und lenkt sie ab, bis Bäuerin oder Bauer vor Ort ein- greifen können. »Unsere Sensorsysteme können somit die Augen und Ohren für den Landwirt sein, wenn dieser nicht im Stall ist, und bieten zusätzliche Unterstützung, um manche Situationen und Trends wahr- zunehmen, die sonst nicht rechtzeitig er- kannt werden«, sagt Fischer. Nachhaltigkeit und Transparenz im Schweinestall Dass die Idee von SmartPigHome von großer gesellschaftlicher Relevanz ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Situa- tion im Bereich der Schweinehaltung in Deutschland. Obwohl der Fleischkonsum der Deutschen in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, landeten laut einer Studie des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft im Jahr 2020 pro Kopf immer noch 57,3 Kilogramm Fleisch auf dem Teller. Fast 60 Prozent davon mach- te Schweinefleisch aus. Um diesen Bedarf zu decken, wurden dem Fleischatlas 2021 zufolge im Jahr 2019 in Deutschland über 55 Millionen Schweine geschlachtet. Ver- braucher fordern von der Landwirtschaft im Allgemeinen und der Fleischwirt- schaft im Speziellen zunehmend mehr Nachhaltigkeit und Transparenz. Gleich- zeitig ist der Preis, den ein Landwirt bei der Schlachtung für ein einzelnes Mast- schwein bekommt, sehr schwankend und zuletzt immer weiter gesunken. Schon ein einziges Schwein, das krank wird oder gar frühzeitig stirbt, kann daher einen emp- findlichen finanziellen Verlust bedeuten. Tierwohl rechnet sich also. Für die Stimmung im Stall liefern die Schweine selbst die wichtigsten Daten. Damit ein echter Nutzen für die Praxis besteht, müs- sen die Sensoren Informationen möglichst in Echtzeit auswerten und übermitteln. Bei bisherigen Forschungsprojekten in die- sem Bereich wurde der Fokus meist auf die Entwicklung neuer Algorithmen ge- legt, erklärt Fischer: »Häufig wurden über mehrere Wochen hinweg in einer ideali- sierten Stallumgebung riesige Mengen an Daten aufgenommen, vor allem Bilddaten, um dann nach einer aufwendigen Aus- wertung sagen zu können: Oh, in der zwei- ten Woche ist etwas Auffälliges passiert. Diese Information kommt für den Land- wirt dann aber zu spät.« Einer der Projektpartner von Smart- PigHome beschäftigt sich vor allem mit Bilddaten und analysiert beispielsweise Bewegungs- und Liegeverhalten der Tiere. Am Fraunhofer IZFP konzentriert man sich in dem Projekt aber insbesondere auf akus- tische Daten. Fischer: »Diese lassen sich mit vergleichsweise wenig Rechenkapazi- tät auswerten. Wir wollen evaluieren, wie sie sich in der Praxis sinnvoll nutzen las- sen. Gleichzeitig sind die Laute, die Schwei- ne von sich geben, sehr aussagekräftig, und gerade Stresssituationen lassen sich damit sehr gut erkennen.« Sind Schweine ent- spannt, grunzen sie tendenziell in niedri- geren Frequenzen, in Pro blemsituationen werden die Töne schriller. Betritt jemand den Stall, stoßen Schweine zudem häufig eine Art Belllaut aus. Trainiert werden die Algorithmen, die die Stimmung am Ende richtig erkennen sollen, durch das Wissen der Landwirte. Fischer betont: »Für mich als Ingenieurin ist es faszinierend, wie gut Landwirte das Wohl ihrer Tiere an den kleinsten Indizien erkennen können. Unser Ziel kann es nur sein, dass unsere Sensorsysteme annähernd so zuverlässig werden wie die Landwirte.« Bei der Erfassung der Bild- und Ton- daten wollen die Forschenden auf bestehen- 1 | 22 de und möglichst kostengünstige Sensoren zurückgreifen. Das Beschäftigungstool, das von einem weiteren Kooperationspartner entwickelt wird, soll an den Stalldecken montiert werden. Beamersysteme auf Schie- nen sollen über die verschiedenen Schwei- nebuchten fahren und gezielt die Tiere an- steuern, bei denen das Sensorsystem Stress oder Anzeichen, dass es zu Stress kommen wird, identifiziert hat. Die Idee dahinter ist, dass die Tiere dann beispielsweise mit ihrer Nase Fußball-ähnliche Lichtpunkte bewegen können und nach dem Spielen eine Futterbelohnung erhalten. Zwei Ställe, ein Ziel Spätestens im Sommer sollen die ersten Sensorsysteme installiert und dann auch die ersten Messdaten generiert werden. Dabei wird mit zwei verschiedenen Ställen gearbeitet. Der eine ist ein konventionel- ler Schweinemastbetrieb für die Untersu- chung unter Realbedingungen, der andere ein idealisierter Teststall der Tierärztlichen Hochschule Hannover, in dem beispiels- weise für die Entwicklung des Beschäfti- gungstools untersucht werden soll, wie die Schweine auf unterschiedliche Licht- und Farbbedingungen reagieren. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Sarah Fischer freut sich schon sehr auf den weiteren Verlauf: »Ich bin gu- ter Dinge, dass wir mit unserer Arbeit da- zu beitragen können, das Wohlbefinden von Schweinen in Mastbetrieben besser zu verstehen und zu steigern.« Ihre langfris- tige Vision ist es, dass die so neu erfassten Daten auch in offizielle Anforderungen an Haltungsformen und Tierwohlkennzeich- nungen mit aufgenommen werden. »Das würde Tierwohl auf eine tierbezogenere Art und Weise quantifizieren und das, was Tierwohl ausmacht, bis zum Verbraucher sichtbar machen. Davon hätten auch die Landwirte einen Mehrwert. Ich glaube, nur so kann unsere Landwirtschaft in Deutsch- land nachhaltig bestehen.« — Wie unterscheidet sich ein zufriedenes Grunzen von einem unruhigen oder aggressiven? Hier geht‘s zum Podcast: 25 e n i l l n O 1 F / y m a A / n i v o r b u D v a l s e h c a V i : o t o F