Fraunhofer-Jahresbericht 2023

Titelblatt
Bericht des Vorstands
Der Vorstand
Lagebericht 2023
Bericht des Senats
Bericht des Senats zum Geschäftsjahr 2023
Neu im Senat
Aus der Fraunhofer-Forschung
Fraunhofer-Weltrekorde
Projekte und Ergebnisse
Auszeichnungen
Menschen in der Forschung
Ausgewählte Transferaktivitäten
Initiativen
Finanzen
Bilanz zum 31. Dezember 2023
Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023
Auszüge aus dem Anhang 2023
Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers
Service
Mitglieder, Organe, Gremien
Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft
Fraunhofer Deutschland
Impressum

75 Jahre Fraunhofer – ein Grund zum Feiern … Dr. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin des Saarlandes »… weil die Fraunhofer-Gesellschaft wie kaum eine andere Institution für Europas Spitzenposition in der angewandten For- schung steht. Unsere einzigartige europäi- sche Forschungslandschaft, in Kombination mit dem Binnenmarkt und der Fülle an innovationsfreudigen Mittelständlern, ist der Treiber schlechthin für Wachstum und zukunftsfähige Arbeitsplätze in Europa. Vielen Dank und weiter so!« »… weil die angewandte Spitzenforschung der Fraunhofer-Gesellschaft seit 75 Jahren ein Wachstumstreiber der deutschen Wirt- schaft ist. Auch die aktuellen Herausfor- derungen unserer Zeit können wir nur mit Innovationskraft und Technologieoffenheit meistern. Die Fraunhofer-Gesellschaft geht dabei mit leuchtendem Beispiel voran. Sie ist ein wichtiger Standortfaktor für unser Land.« »… weil die Fraunhofer-Gesellschaft seit 75 Jahren mit enormer Innovationskraft und kreativen Ideen in der Wissenschaft und Forschung neue Impulse setzt. Gerade das Saarland braucht diesen Erfindungsreich- tum, herausragende Forschungsergebnisse und den Mut, neue Wege zu gehen, um den Transformationsprozess erfolgreich vor- anzubringen. Ich gratuliere der Fraunhofer- Gesellschaft zu ihrem langjährigen erfolgrei- chen Arbeiten in der anwendungsorientier- ten Forschung, die wichtige Fortschritte für die Menschen und die Unternehmen vor Ort mit sich bringt.« »… weil Technik Zukunft bedeutet! Fraunhofer verbindet seit 75 Jahren Spit- zenforschung mit der Praxis und ist dabei internationale Spitze. Happy Birthday und Gratulation zu diesem Erfolg! Der Freistaat ist von Beginn an als Impulsgeber und enger Partner dabei. Fraunhofer und Bayern bilden eine tolle Allianz, die wir auch in Zukunft intensiv fortsetzen. Mit der Hightech Agenda investiert Bayern aktuell über 5,5 Mrd. € in Wissenschaft und Forschung im ganzen Land. Neben 13 000 neuen Stu- dienplätzen und 1000 Professuren für die klügsten Köpfe fördern wir dabei bewusst den Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis. Live long and prosper!« »… weil die Fraunhofer-Gesellschaft seit nunmehr 75 Jahren das deutsche Wissen- schaftssystem prägt. Sie forscht für die Praxis und hat dabei neue Technologien und Märkte im Blick. Sie verkörpert erfolgreichen Transfer und eine lebendige Gründungs- kultur. Sie wagt Fortschritt. All das wird im zunehmenden internationalen Wettbewerb immer wichtiger. Als Innovationsland müssen wir nicht nur exzellent forschen, sondern auch die Ergebnisse hierzulande verwerten. Unser Trumpf ist dabei die Zusammenarbeit, sind die Ökosysteme mit Partnern aus Wis- senschaft und Wirtschaft. Getragen wird der Erfolg der Fraunhofer-Gesellschaft von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die tag- täglich den Spagat zwischen Forschung und unternehmerischem Denken meistern und engagiert an Lösung arbeiten.« »… weil Fraunhofer für Aufbruch, Innova- tionskraft und exzellente Forschung steht. Und weil die Fraunhofer-Institute mit ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern immer wieder aufs Neue auch in Sachsen wichtige Impulsgeber sind. Zudem hat die Forschungsgesellschaft ganz ent- scheidend mit dazu beigetragen, dass der Freistaat Sachsen sich nach der deutschen Wiedervereinigung so erfolgreich entwi- ckeln konnte.« Dr. Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaates Bayern Bettina Stark- Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen 2

Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, die Herausforderungen dieses Jahres sind vielfältig, sie eröffnen ein Spannungsfeld aus Risiken und Chancen: Sicherheits- und Konfliktsituationen, Umwelt- und Ressourcen- veränderungen, wirtschaftliche Turbulenzen sowie sozialer Wandel – und all das verlangt nach Antworten. Entstanden ist eine Dynamik, die auch innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft nicht unbemerkt bleibt. Im Mai 2023 wurde ich vom Senat zum 11. Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft gewählt, ein Amt, das ich im August 2023 mit großer Dankbarkeit und Hochachtung ange- treten habe. Als Teil der Fraunhofer-Gesell- schaft ist es meine feste Überzeugung, dass wir in dieser Zeit des komplexen Wandels eine entscheidende Rolle spielen werden. Unsere Forschung ist lösungsorientiert und anwen- dungsbezogen, und wir sind bereit, durch ganzheitliche Ansätze die Resilienz von Wirt- schaft und Gesellschaft voranzutreiben. Für Fraunhofer war das Jahr 2023 wirtschaft- lich geprägt von einem Wachstum unseres Finanzvolumens auf 3,4 Mrd. €, was einen Anstieg um 12 Prozent zum Vorjahr bedeutet. Mit dem Fokus auf Vertragsforschung, die mit 88 Prozent unsere Kerntätigkeiten ausmacht, sind wir in der Lage, innovative Lösungen zu entwickeln, die bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft leisten. Dabei spielen Auf- träge aus der Industrie eine zentrale Rolle, ergänzt durch öffentlich finanzierte Projekte und die Grundfinanzierung durch Bund und Länder. Dies ermöglicht es uns, vor allem als Gestalter von innovativen Lösungen für die Industrie zu fungieren und zu gesamtgesell- schaftlichen Missionen beizutragen. Unabdingbar ist unser Fokus auf das Fraunhofer- Modell. Durch unsere anwendungsorientierte Forschung und die Beschleunigung des Trans- fers mit unmittelbarem Bezug zum Kunden- nutzen stärken wir unsere Alleinstellung als zentraler Akteur im Forschungs- und Transfergeschehen. Die Partnerschaft mit der Industrie trägt dabei nicht nur zur Förderung der Innovationskraft bei, sondern stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas. Fraunhofer hat die Relevanz erkannt, ihre Governance-Strukturen anzupassen. Durch die Zusammenarbeit der entscheidenden Akteure, insbesondere des Senats, der Zuwendungsge- ber und des Vorstands, stellen wir sicher, dass wir diesen Herausforderungen begegnen und unsere Governance zeitgemäß modernisieren. Unser Ziel ist es, eine Unternehmenskultur zu fördern, die auf Transparenz, Verantwortung und gemeinschaftlichem Engagement basiert. Wir sind voller Entschlossenheit und Freude, die Zukunft der Fraunhofer-Gesellschaft aktiv zu gestalten und unsere Mission weiter voranzutreiben. Dies können wir nur dank des Engagements und der Unterstützung unserer geschätzten Mitarbeitenden, Partnerinnen und Partner sowie Zuwendungsgeber errei- chen. Ihr Beitrag ist unverzichtbar für unseren Erfolg und unsere kontinuierliche Weiter- entwicklung. Gemeinsam werden wir auch in den kommenden Jahren innovative Lösungen entwickeln, Herausforderungen bewältigen und neue Horizonte erschließen. Ihr Holger Hanselka Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft 3 r e i e m r e b O n a f e t S / r e f o h n u a r F : o t o F

Jahresbericht 2023 I Inhalt Inhalt Bericht des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Lagebericht 2023 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bericht des Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Bericht des Senats zum Geschäftsjahr 2023 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Neu im Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Aus der Fraunhofer-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Fraunhofer-Weltrekorde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Projekte und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Auszeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Menschen in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Ausgewählte Transferaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Initiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Bilanz zum 31. Dezember 2023 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Auszüge aus dem Anhang 2023 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Service . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Mitglieder, Organe, Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Fraunhofer Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4

Bericht des Vorstands I Der Vorstand Der Vorstand Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka Präsident, Vorstand für Unternehmmensstrategie, Forschung und Kommunikation, komm. Vorstand für Innovation, Transfer und Verwertung Holger Hanselka ist seit 2023 der 11. Präsident der Fraunhofer- Gesellschaft. Zuvor war er zehn Jahre lang Präsident des Karls- ruher Instituts für Technologie (KIT) und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft für den Forschungsbereich Energie. Der Maschinenbauingenieur leitete das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt von 2001 bis 2013 und gehörte zeitweise dem Fraunhofer- Präsidium an. Er ist in verschiedenen Beratungsgremien des Bundeskanzlers zu Fragestellungen der Wissenschafts- und Forschungspolitik aktiv. Anwendungen, Lösungen und Produkte für und mit der deutschen und europäischen Wirtschaft, insbesondere dem Mittelstand, macht Fraunhofer systemrelevant. Mit einer strategischen Neuausrichtung stellt sich Fraunhofer für die Zukunft auf und schafft Leitplanken für unsere künftigen Forschungsaktivitäten.« »Der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in 66666 Elisabeth Ewen Vorständin für Personal, Unternehmenskultur und Recht Elisabeth Ewen ist Volljuristin mit einer Zusatzqualifikation in Verwaltungs- und Arbeitsrecht. Nach dem Studium arbeitete sie als Juristin im Personalbereich des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), bevor sie die Personalleitung der GMD – Forschungszentrum Informationstechnik GmbH über- nahm. Im Zuge der Integration der GMD – Forschungszentrum Informationstechnik kam sie 2001 zur Fraunhofer-Gesellschaft. Dort bekleidete sie im Personalbereich mehrere Führungsposi- tionen, zuletzt als Direktorin. Seit August 2022 ist Elisabeth Ewen im Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft. »Unsere Kulturentwicklung erfolgt über einen partizipa- tiven, vorausschauenden und nachhaltigen Gestaltungspro- zess. Die Arbeitgeberattraktivität von Fraunhofer muss an den Bewerbendenmarkt glaubwürdig und authentisch kommuni- ziert und von den Mitarbeitenden erlebt werden.«

Bericht des Vorstands I Der Vorstand Dr. rer. pol. Sandra Krey Vorständin für Finanzen und Controlling Sandra Krey studierte Betriebswirtschaftslehre und promo- vierte an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie war einige Jahre in der Wirtschaftsprüfung bei KPMG tätig, bevor sie zum MAN Konzern wechselte. Sie bekleidete dort über 20 Jahre verschiedene Führungspositionen im Accounting und Control- ling. Seit 2013 verantwortete sie als Senior Vice President den Bereich Rechnungswesen & Finanzprozesse der MAN Truck & Bus SE und leitete als Geschäftsführerin das MAN Shared Services Center in Polen. Seit August 2022 ist Sandra Krey im Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft. dafür, dass unsere finanziellen Mittel dort ankommen, wo aus Ideen Innovationen entstehen. Den Fraunhofer-Haushalt ausgewogen zu gestalten – auch in Zeiten des eingetrübten Wirtschaftsklimas, von Kostensteigerungen und knappen öffentlichen Mitteln –, ist gegenwärtig die wichtigste Aufgabe meines Ressorts.« »Forschung ist unser ureigener Zweck. Wir sorgen 77777 Prof. Dr. rer. nat. habil. Axel Müller-Groeling Vorstand für Forschungsinfrastrukturen und Digitalisierung Axel Müller-Groeling ist Professor an der Universität Kiel. Der Physiker und Manager forschte an mehreren renommier- ten Instituten und Forschungsorganisationen in Deutschland, Frankreich und Kanada. Er war als Unternehmensberater sowie Mitgründer und Vorstand eines internationalen, börsennotier- ten Photovoltaik-Konzerns tätig, bevor er 2016 die Leitung des Fraunhofer-Instituts für Siliziumtechnologie ISIT in Itzehoe und später zusätzlich des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektroni- sche Schaltungen und Systeme IMS in Duisburg übernahm. Seit August 2022 ist er im Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft. »Effizienz und Performance ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Aufgaben, die wir gemeinsam angehen müssen. Die Optimierung unserer Geschäftsprozesse, das Vor- antreiben von Digitalisierung und KI sowie das Ziel ›Fraunhofer Klimaneutral 2030‹ gehören weiterhin zu den wichtigsten Herausforderungen.« i r e e m r e b O n a f e t S / r e f o h n u a r F : s o t o F

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Lagebericht 2023 10 Eckdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformation und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Profil der Fraunhofer-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformationsprozess zur Stärkung der Fraunhofer-Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wissenschaftspolitische Rahmenbedingungen und Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Finanzvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Vertragsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Zusätzliche Forschungsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Ausbauinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Vermögens- und Finanzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Beteiligungen und Ausgründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Schutzrechtsverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 20 Zahlen und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 11 12 14 Aspekte der Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Verantwortung der Fraunhofer-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Neuausrichtung des Compliance-Management-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Forschung für Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 26 Mitarbeitende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Diversity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachhaltigkeit im Wissenschaftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Risiken und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 31 Risikomanagement und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 999999

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Eckdaten: Entwicklung der Fraunhofer-Gesellschaft 2023 in Mio. € Finanzvolumen Vertragsforschung Zusätzliche Forschungsförderung Ausbauinvestitionen Finanzvolumen nach Haushalt Betriebshaushalt Investitionen 1 Projekterträge Vertragsforschung darin Wirtschaftserträge darin Öffentliche Erträge 2 Zusätzliche Forschungsförderung Ausbauinvestitionen 2022 3049 2615 245 189 3049 2567 482 2083 1907 787 1120 145 31 2023 3404 2991 249 164 3404 2823 581 2327 2167 836 1331 139 21 Veränderung +12 % +14 % +2 % –13 % +12 % +10 % +21 % +12 % +14 % +6 % +19 % –4 % –32 % +355 +376 +4 –25 +355 +256 +99 +244 +260 +49 +211 –6 –10 1 Laufende Investitionen in der Vertragsforschung und Zusätzlichen Forschungsförderung sowie Ausbauinvestitionen. 2 Beinhaltet Bund, Länder, EU und sonstige Erträge. 101010

Transformation und Rahmenbedingungen Profil der Fraunhofer-Gesellschaft Die Fraunhofer-Gesellschaft ist weltweit eine der führenden Organisationen für anwendungsorientierte Forschung: Seit der Gründung 1949 stärken Fraunhofer-Institute die Wettbewerbs- fähigkeit der Wirtschaft und den Innovationsraum in Deutsch- land und Europa. Mit ganzheitlichen Angeboten für Wirtschaft und Politik liefert Fraunhofer Lösungen für branchenübergrei- fenden Impact. Darüber hinaus ist die Fraunhofer-Gesellschaft ein bedeutender Standortfaktor für das Innovationsland Deutschland: Durch die Aktivitäten erhöhen sich Investi- tionseffekte in der Wirtschaft, entstehen Arbeitsplätze, Fachkräfte werden qualifiziert, und es steigt die gesell- schaftliche Akzeptanz moderner Technik. Knapp 32 000 Mitarbeitende, überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung, erarbeiteten 2023 in 76 Instituten das jährliche Forschungsvolumen von rund 3,4 Mrd. €. Davon entfielen 3,0 Mrd. € auf den Bereich Vertragsforschung. Rund ein Drittel davon erwirtschaftete Fraunhofer mit Aufträgen aus der Industrie und aus Lizenz- erträgen, die sich auf 836 Mio. € beliefen. Ein weiteres Drittel stammte aus öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Bund und Länder komplettierten die Vertragsforschung durch die Grundfinanzierung. Damit können die Institute schon heute Pro- blemlösungen entwickeln, die in naher Zukunft für Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend wichtig werden. Wichtigstes Geschäftsfeld ist die Auftragsforschung. Fraunhofer ist insbe- sondere für kleine und mittlere Unternehmen ein bedeutender Lieferant von innovativem Know-how. Darüber hinaus trägt Fraunhofer dazu bei, dass gesamtgesellschaftliche Missionen in Schlüsseltechnologien gelingen. Für öffentlich-private Partner- schaften ist Fraunhofer ein attraktiver und etablierter Akteur. Auf Ebene der Gesamtorganisation identifiziert Fraunhofer innovative Geschäftsfelder und Technologietrends mit großem Marktpotenzial sowie hoher gesellschaftlicher Relevanz und entwickelt sie über interne Forschungsprogramme weiter. Die einzelnen Fraunhofer-Institute und -Einrichtungen ent- wickeln ihre Geschäftsfelder und Kernkompetenzen auf Basis ihres unmittelbaren Marktkontakts und ihrer Ver- netzung mit der wissenschaftlichen Fachwelt. Sie werden Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 betriebswirtschaftlich eigenständig geführt, sind rechtlich aber nicht selbstständig. Darüber hinaus kooperieren Insti- tute in Formaten wie Forschungsfabriken oder Allianzen, um bestimmte Geschäftsfelder oder Branchen gemeinschaftlich zu vermarkten. Eine bereits initiierte Portfolio-Abstimmung, die alle Organisationseinheiten umfasst, wird derzeit in und zwischen den Fraunhofer-Verbünden finalisiert. Transformationsprozess zur Stärkung der Fraunhofer-Mission 2023 trat die Fraunhofer-Gesellschaft mit dem Beginn einer neuen Präsidentschaft in einen umfassenden Transforma- tionsprozess. Der Senat wählte im Mai 2023 einstimmig den neuen Präsidenten Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, der sein Amt Mitte August antrat. Zuvor war er Präsident des Karls- ruher Instituts für Technologie (KIT) und bis 2013 Leiter des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuver- lässigkeit LBF. Als eine der führenden Organisationen für anwendungs- orientierte Forschung nimmt die Fraunhofer-Gesellschaft eine zentrale Stellung im Forschungs- und Transfergeschehen Deutschlands und Europas ein. Dabei fokussieren sich die Fraunhofer-Aktivitäten insbesondere auf Transfer über Auf- tragsforschung mit der Industrie (größter Anteil), Transfer über Verwertung von geistigem Eigentum (IP), Transfer über Aus- gründungen sowie Transfer durch Köpfe. Ziel ist, dass Fraunhofer ein Drittel des Haushalts direkt mit Einnahmen aus der Wirtschaft erzielt. Der hohe Anteil an Wirtschaftserträgen ist das Fraunhofer-Alleinstellungs- merkmal in der deutschen Forschungslandschaft. Die zentrale Bedeutung, die dadurch der direkten Zusammen- arbeit mit Wirtschaft und Industrie zukommt, garantiert einen stetigen Innovationspush und fördert die deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit. Die Grundfinan- zierung stärkt die wissenschaftlichen Kompetenzen, federt Entwicklungsrisiken ab, verkürzt den Faktor »Time-to-Mar- ket« und erschließt so neues technologisches Potenzial für Unternehmen. Alle Fraunhofer-Aktivitäten werden an ihrem langfristig stabilen Wirtschaften im Fraunhofer- Modell gemessen. Neben starken Wirtschaftserträgen und Einnahmen aus öffentlichen Förderprogrammen ist dafür die finanzielle Absicherung seitens der Zuwendungsgeber in Form einer verlässlichen, inflationskorrigierten Grundfinanzierung durch den Pakt für Forschung und Innovation unabdingbar. Ein Konsolidierungskurs kennzeichnet künftig den Paradig- menwechsel nach einer langen Wachstumsphase. Gleichzeitig soll für Fraunhofer-Institute die Chance gewahrt bleiben, neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedarfe mit Fraunhofer- kongruenten Themenfeldern zu erschließen und dafür Kompe- tenzen aufzubauen. 111111

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 » 1212121212 Damit die Fraunhofer-Gesellschaft ihre unternehmerische und marktorientierte Mission für das deutsche Innovationssystem auch zukünftig wirkungsvoll erfüllen kann, wird sie auf Basis ihrer Alleinstellungsmerkmale weiterentwickelt: mit der kon- sequenten Ausrichtung auf die Fraunhofer-Kernkompetenzen – anwendungsorientierte Forschung und die Beschleunigung von Transfer, insbesondere in der direkten Kooperation mit der Wirtschaft – sowie dem Aufbau synergetischer Kooperatio- nen in der Forschungslandschaft. Mit Beginn des Jahres 2024 startet der Prozess einer Fraunhofer-Dachstrategie 2030. Ziel ist es, mithilfe partizipativer Prozesse die langfristige Planung und Ausrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft auf der überge- ordneten Unternehmensebene zu ermitteln. Die Dachstrategie soll festlegen, wie die Fraunhofer-Gesellschaft ihre Ressourcen einsetzt, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen und den langfris- tigen Erfolg im Fraunhofer-Modell sicherzustellen. Weitere Bausteine des Transformationsprozesses bilden die Weiterentwicklung einer modernen Governance und einer transparenten Compliance sowie die Gestaltung effizienterer und agiler Organisationsstrukturen auf Basis einer modernen, offenen Unternehmenskultur. Ziel dieser Schritte ist es, ein innovationsfreundliches Klima für Spitzen- forschende zu schaffen und vertrauensvolle Beziehungen zu internen und externen Stakeholdern zu etablieren. Diverse Dialogformate des Präsidenten und des Vorstands mit unter- schiedlichen Bezugsgruppen der Mitarbeitenden starteten zeit- gleich mit dem Amtsantritt von Prof. Hanselka im August 2023. Der Präsident reiste an mehrere Standorte zu partizipativen Dialogen mit Institutsleitungen, Belegschaft und Stakeholdern. Flankiert wurde dies durch themenoffene, instituts- und hierar- chieübergreifende Diskussionsveranstaltungen des Vorstands an 7 Institutsstandorten. Interaktive Formate (Präsenz und online von September 2023 bis März 2024) mit unterschiedlichen Gruppen von Mitarbeitenden bilden die Basis für die Entwick- lung eines Zukunftsbilds Fraunhofer-Unternehmenskultur: Damit verfolgen mehrere ineinandergreifende partizipative Formate das Ziel, organisationsweit Impulse für eine zukunfts- gerichtete Fraunhofer-Kultur aufzugreifen und zu verdichten. Diese Formate markieren dadurch einen symbolischen Start- punkt für die gemeinsame Weiterentwicklung der Organisation. Wissenschaftspolitische Rahmenbedingungen und Positionierung Zunehmende geopolitische und wirtschaftliche Konflikte sowie Herausforderungen durch den Klimawandel prägten das Jahr 2023. Angesichts der sich daraus ableitenden, herausfordern- den Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft sind Innovationen, wie sie Fraunhofer auf den Weg bringt, unverzichtbar. Jedoch war 2023 u. a. ein Jahr großer techno- logischer Durchbrüche, etwa bei generativer Künstlicher Intelligenz (KI) sowie bei wichtigen Schritten in der

Digitalpolitik. Fraunhofer bringt laufend die Perspektive der anwendungsorientierten Forschung in den wissenschaftspoli- tischen Diskurs ein, um innovationsfreundliche Rahmenbedin- gungen zu verbessern sowie Wissens- und Technologietransfer zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. 2023 erfuhr die Haushaltspolitik auf Bundesebene einen Rich- tungswechsel, der auch Auswirkungen auf die Finanzierung forschungspolitischer Vorhaben hat. Der Bundeshaushalt 2024 sieht nach erhöhtem Finanzmitteleinsatz in Krisenzeiten wieder die Einhaltung der Schuldenbremse und damit Einsparun- gen bei Investitionen vor. Das betrifft in besonderem Maß die Etats der Bundesministerien für Gesundheit (BMG) sowie für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Hingegen wächst der Einzelplan für Verteidigung (BMVg), darunter auch die Mittel für Verteidigungsforschung. Der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bleibt im Vergleich zum Vorjahr konstant, sieht jedoch im Forschungsbereich u. a. Drittmittelkürzungen bei Quantentechnologien, Künstlicher Intelligenz und Life Sciences vor. Trotz der Einsparungen bleibt die Grundfinanzierung der außeruniversitären Forschungsorganisationen stabil. Die Grundfinanzierung der Fraunhofer-Gesellschaft aus dem Bundeshaushalt wurde im Vergleich zu 2023 nur leicht abgesenkt. Insgesamt erhält Fraunhofer aus dem Bundeshaushalt eine Grundfinanzierung von ca. 940 Mio. €. Durch das Urteil des Bundesverfassungs- gerichts zur Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) werden Einschnitte bei der Finanzierung von Forschungs- und Technologiemitteln, u. a. bei diversen Wasserstoff-Anwen- dungen sowie im Batteriebereich, erwartet. Die Bundesregierung verfolgt mit der »Zukunftsstrategie Forschung und Innovation« das Ziel, das deutsche Innova- tionsökosystem zu stärken. Sie betont dabei, wie bedeutend die Förderung des Transfers von innovativen Forschungsergeb- nissen in die Anwendung ist. Zu den einzelnen Missionen der Zukunftsstrategie (Kreislaufwirtschaft, digitale Souveränität, Gesundheit und weitere) formuliert die Fraunhofer-Gesell- schaft wissenschaftspolitische Positionen und lässt diese in den weiteren Ausgestaltungsprozess der Strategie einfließen. Die digitale Transformation bietet große Wettbewerbs- potenziale für den Innovationsstandort Deutschland. Daten spielen dabei eine strategische Rolle als zentrale Ressource für datengetriebene Innovationen. Ein bürokratiearmer, ein- facher und sicherer Zugang zu hochwertigen Daten ist daher wichtige Voraussetzung für den Forschungsstandort. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat in unterschiedlichen Politikberei- chen Positionierungen zur Erleichterung des Datenzugangs für die Forschung vorgenommen. So wurden beispielsweise beim Mobilitätsdatengesetz, Forschungsdatengesetz sowie Gesundheitsdatennutzungsgesetz wissenschafts- politische Positionen formuliert und in den Gesetzgebungs- prozess gegeben. Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Das Thema generative KI hat im Jahr 2023 die wissenschafts- politische Debatte stark geprägt. Aufgrund seines disruptiven Potenzials und der globalen Dynamik bedarf es eines schnellen orchestrierten Handelns des gesamten Innovationssystems. Gerade im Bereich der Geschäftsmodell-Entwicklung bestehen aufgrund des vorhandenen Know-hows und der branchen- spezifischen Datenschätze in Deutschland und Europa große Wertschöpfungspotenziale. Die Fraunhofer-Gesellschaft besitzt sowohl die technologische Expertise als auch die langjährige Erfahrung in der Use-Case-Entwicklung, um diesen Prozess zu begleiten. Auf dieser Grundlage erhielt der Fraunhofer- Präsident 2023 vom Zukunftsrat des Bundeskanzlers das Mandat, zusammen mit SAP und der Max-Planck-Gesell- schaft die Patenschaft für das Thema »Generative KI« zu übernehmen. Unter Federführung der acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und in enger Zusam- menarbeit mit den Themenpaten wurde ein Dossier erstellt, welches Herausforderungen und Chancen von generativer KI in Deutschland aufzeigt sowie Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung ableitet. Diese Resultate wurden in der Zukunftsratssitzung im Januar 2024 der Bundesregierung vorgestellt. Zudem begleitet die Fraunhofer-Gesellschaft auf landes- und bundespolitischer Ebene die politische Debatte zu generativer KI und zeigt innovationsoffene Strategien auf, um die deutsche Wirtschaft dabei zu befähigen, die Potenziale dieser neuen Technologie in der Breite zu nutzen. Mit einer Vielzahl an Instituten war Fraunhofer 2023 maßgeb- lich an der Erarbeitung eines Dossiers zur Kreislaufwirtschaft im Rahmen der Allianz für Transformation (Leitdialog der Bundesregierung) beteiligt. Im Fokus des Dossiers standen Kreislaufkonzepte für den Bausektor und die Batteriewirtschaft – Schlüsselindustrien für die Mobilitäts- und Energiewende. Es wurden gemeinsam Handlungsvorschläge abgeleitet, die im Zusammenwirken von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Sozialpartnerinnen und -partnern sowie der Zivilgesellschaft umgesetzt werden können. Damit könnte Deutschland die Umsetzung von Kreislaufwirtschaft beschleunigen und gleich- zeitig seine Importabhängigkeiten bei wichtigen Rohstoffen reduzieren. Diese Handlungsempfehlungen wurden in der abschließenden Sitzung im Januar 2024 mit der Bundesregie- rung diskutiert. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen beschäf- tigte sich 2023 mit relevanten Themen der Innovations- und Forschungspolitik, die aktuelle gesamtgesellschaftliche Frage- stellungen widerspiegeln. Beispiele sind das Wissenschafts- zeitvertragsgesetz, das Bürokratieentlastungsgesetz, das Energieeffizienzgesetz, das KRITIS-Dachgesetz und das Lobbyregistergesetz. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat sich innerhalb der Allianz der Wissenschaftsorganisationen aktiv in die Erarbeitung von Stellungnahmen, Verbändeanhörungen und Positionierungen zu den wissenschaftspolitischen Heraus- forderungen eingebracht. 1313131313

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Auslandsgesellschaften arbeiten nicht gewinnorientiert, sondern gemeinnützig und erhalten im Regelfall Grundfinan- zierung vom Sitzland. Die Finanzierung erfolgt analog zum Fraunhofer-Modell. Fraunhofer Austria ist mit der Berufung von Prof. Dr.-Ing. Sebastian Schlund als Nachfolger des Geschäftsführers Prof. Dr.-Ing. Wilfried Sihn der Generationenwechsel gelungen. Zudem wurde das Fraunhofer Austria Center für Data Driven Design (DDD) – mit seinen Standorten in Graz und Klagenfurt – im Juli erfolgreich evaluiert/auditiert. Das Audit ist Vorausset- zung für die dreijährige Fortführung der Anschubfinanzierung Kärntens für den DDD-Standort in Klagenfurt. Als neuer Chairman des Board of Directors von Fraunhofer USA wurde Prof. Dr. Raoul Klingner bestellt. Die Gründung einer spanischen Fraunhofer-Stiftung als recht- liches Dach für ein Fraunhofer Center in Barcelona wurde 2023 beantragt und befindet sich derzeit im offiziellen Registrierungsprozess bei den spanischen Behörden. Partner- institut der geplanten Neugründung ist das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT, das zusammen mit dem katalanischen Institute for Bioengineering of Catalonia (IBEC) im Bereich der Applied Theragnostics auf institutioneller Basis aktiv werden will. Der notwendige Aufbau und die Grundfinan- zierung für das neue Center sollen planmäßig zu 100 Prozent aus spanischen Quellen stammen. Beide Center von Fraunhofer Portugal, das Center for Assis- tive Information and Communication Solutions AICOS und das Center for Advanced Water, Energy and Resource Management AWAM, durchliefen im Oktober 2023 einen Strategie-Audit. Beide wurden positiv bewertet, und es wurde eine Empfeh- lung zur Weiterführung für die kommende Förderperiode an die Zuwendungsgeber (Fundação para a Ciência e a Tecnologia FCT und Fraunhofer-Gesellschaft) ausgesprochen. In Fraunhofer Innovation Platforms (FIPs) kooperieren Fraunhofer-Institute in einem bestimmten Themenfeld mit einer ausländischen Universität oder einer außeruniversitären Forschungseinrichtung. Die längerfristig angelegte Zusammen- arbeit zielt auf gemeinsame anwendungsorientierte Forschung sowie gemeinsame Projekte für Kundinnen und Kunden aus der Wirtschaft und die Beteiligung an öffentlich geförderten Pro- jekten. Nach zwei mehrstufigen Ausschreibungsrunden 2023 befinden sich nun 4 FIPs in Vorbereitung, die planmäßig 2024 in Südkorea (2), Taiwan und China etabliert werden. Internationales Mit ihrer Internationalisierungsstrategie zielt die Fraunhofer- Gesellschaft auf wissenschaftliche Wertschöpfung in der eigenen Organisation sowie auf gewinnbringende Effekte für Deutschland und Europa wie auch im jeweiligen Partnerland. Für die Generierung exzellenter wissenschaftlicher Inhalte und die Zusammenarbeit mit attraktiven Partnern im Ausland hat Fraunhofer diverse Formate entwickelt. Die am stärksten institutionalisierte Form sind die acht rechtlich selbstständigen Fraunhofer-Auslandsgesellschaften: Fraunhofer USA, Inc. Fraunhofer Austria Research GmbH Fraunhofer Italia Research Konsortial-GmbH Fraunhofer UK Research Ltd Fundación Fraunhofer Chile Research Associação Fraunhofer Portugal Research Stiftelsen Fraunhofer Chalmers Centrum för Industrimatematik (in Schweden) Fraunhofer Singapore Research Ltd. Die Auslandsgesellschaften fungieren als Rechtsträger für 11 Forschungscenter im Ausland. Diese institutionalisierten Fraunhofer-Kooperationen mit örtlichen Universitäten ermög- lichen eine dauerhafte Forschungstätigkeit im Ausland. Die Das interne Programm ICON (International Cooperation and Networking) ermöglicht die Zusammenarbeit mit wissen- schaftlich exzellenten ausländischen Universitäten und außeruni- versitären Forschungseinrichtungen auf Basis von in der Regel dreijährigen Projekten. 2023 starteten 4 neue ICON-Projekte: 1414

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE koope- riert seit März 2023 mit der Universität Strathclyde in Groß- britannien im Rahmen des ICON-Projekts GreenCom – Green Optical Wireless Communications Facilitated by Photonic Power Harvesting. In dem Projekt wird der Ansatz verfolgt, die optische drahtlose Kommunikation LiFi (Light Fidelity) durch photonische Energiegewinnung zu ergänzen. Ziel ist eine Ver- besserung der Energieeffizienz in Kommunikationsnetzen, um eine sowohl umweltfreundliche als auch ultraschnelle Konnekti- vität zu ermöglichen. Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES koope- riert mit France Energies Marines im Projekt NEMO – New methods for turbulence measurements and models in offshore wind. Eine neue Mess- und Modellierungsmethodik zur Charakterisierung von Wind-Turbulenzen soll eine bessere Bewertung von Standorten für die Offshore-Windenergienut- zung ermöglichen. Am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisie- rung IFF ist im Oktober 2023 das ICON-Projekt Simplified Safety Assessment of Cobots with a Fast Contact Model (SafeCoM) mit der Kyung Hee University (KHU) in Südkorea gestartet. Ziel ist es, die Sicherheitsabnahme (Kollisionsmes- sungen) von kollaborativen Robotern (Cobots) für Anwendun- gen in der Produktion sowie im Maschinen- und Gesundheits- wesen zu digitalisieren. Für die Modellentwicklung wird die komplexe Biomechanik des Menschen mithilfe von KI präzise nachgebildet, um Kollisionsgefahren an Cobots mithilfe von Simulationen schnell und kosteneffizient (80 Prozent Kosten- senkung) zu bewerten. Das ICON-Projekt Tailored Powder Blends with low en- vironmental footprint for Sustainable Metal Additive Manufacturing – SUSMET des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM mit der University of Waterloo in Kanada startete im Novem- ber 2023. Im Fokus der Kooperation stehen die Validierung wasserverdüster Pulvermischungen (water atomized powder) für additive Fertigungstechnologien mit industrieller Relevanz. SUSMET adressiert die Nachhaltigkeit (Verfügbarkeit von Roh- stoffen und CO2-Fußabdruck) und Kosteneffizienz (etwa ein Zehntel der derzeitigen Pulverkosten) sowie die Digitalisierung durch Sintersimulationen. Das Fraunhofer International Mobility Program (FIM) fördert die internationale Mobilität und Vernetzung von Fraunhofer-Mitarbeitenden aus allen Arbeitsbereichen mit mehrmonatigen Auslandsaufenthalten, um so den Wis- senstransfer zu unterstützen. Im Frühjahr 2023 wurde das Programm erneut ausgeschrieben. Insgesamt wurden 11 För- derungen für Aufenthalte ab dem 4. Quartal 2023 bewilligt. Am stärksten nachgefragt waren innovationsstarke Länder in (Nord-)Europa (Frankreich, Schweden, Norwegen) sowie den Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 USA und Australien. Bis Ende Oktober 2023 lief eine weitere Bewerbungsrunde für Aufenthalte ab Mitte 2024. Als Knotenpunkt für Vernetzung und Marketing fungie- ren die internationalen Fraunhofer-Repräsentanzen in China, Brasilien, Indien, Japan und Korea. Sie unterstützen vor Ort alle Fraunhofer-Institute bei der Anbahnung und Ausgestaltung ihrer Kooperationen mit landesspezifischen Forschungspartnerinnen und -partnern. Mit ihrem Wissen um die jeweilige regionale und lokale Forschungsland- schaft geben die Repräsentanzen wichtige Impulse für das Fraunhofer-Forschungsportfolio. Das PACT – Program for Affiliate Cooperation and Knowledge Transfer und die damit verbundenen FuE-Pro- jekte, Kommerzialisierungsmaßnahmen und Initiativen zielen darauf ab, durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Fraunhofer-Auslandsgesellschaften und Fraunhofer-Institu- ten einen zusätzlichen Mehrwert für das gesamte Fraunhofer- Netzwerk zu schaffen. 2023 wurden insgesamt 20 PACT-Pro- jekte mit Beteiligung von 6 Fraunhofer-Auslandsgesellschaften, 9 Centern und 18 Fraunhofer-Instituten gestartet. Im PACT-Projekt Cultured Meat arbeitet das Fraunhofer-Insti- tut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME mit dem Fraunhofer USA Center for Manufacturing Innovation CMI über 18 Monate zusammen, um die Fleischproduktion von einer landwirtschaftlichen Praxis zu biotechnologischen Verfah- ren unter Verwendung von Zellkulturen umzuwandeln. Das Ziel ist die Herstellung von kultiviertem Fleisch durch die Anpas- sung der bestehenden Techniken für kultivierte tierische Zellen für den großtechnischen Einsatz in der Lebensmittelindustrie. Das PACT-Projekt KI4Med – Künstliche Intelligenz in der Medizinischen Bildgebung mit der Beteiligung des Fraunhofer Austria Center für Data Driven Design (DDD) und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT zielt darauf ab, eine KI-basierte, medizinische Diagnostiklösung zu entwickeln. Das neue System soll hochaufgelöste kontaktlose und nichtinvasive tomographische Schnittbilder von Gewebe erzeugen und Veränderungen in den Gewebeschichten erkennen. Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM und das Fraunhofer-Chalmers Centre for Industrial Mat- hematics FCC arbeiten an dem PACT-Projekt Efficient Particle Simulation – EFF-PART-SIM zusammen, um die Arbeit von landwirtschaftlichen Maschinen an rauen und diskreten Ober- flächen zu simulieren. Die Verwertung für diese Anwendung liegt vor allem im Bereich kommerzieller Fahrzeuge, insbeson- dere von Landwirtschafts- und Baufahrzeugen. Fraunhofer international 151515

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Wirtschaftliche Entwicklung Vertragsforschung Die Vertragsforschung umfasst die Kerntätigkeiten von Fraunhofer und basiert gemäß dem Fraunhofer-Modell auf drei Säulen, die je rund ein Drittel zur Finanzierung beitragen: Auftragsforschung für die Wirtschaft öffentlich finanzierte Förderprojekte grundfinanzierte Vorlaufforschung Im Jahr 2023 stieg der Zuwendungsbedarf aus der Grund- finanzierung um 16 Prozent auf 824 Mio. € an. Die Grund- finanzierung wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Ländern im Verhältnis 90:10 bereitgestellt. Die Wirtschaftserträge verzeichneten ein Wachstum um 6 Prozent auf 836 Mio. € und erreichten einen neuen Höchststand. Während die Erträge aus Aufträgen der Industrie um 8 Prozent auf 679 Mio. € anstiegen, lagen die Lizenzerträge aus der Wirtschaft mit 157 Mio. € leicht unter dem hohen Vorjahresniveau. siehe S. 20, Grafik »Erträge in der Vertragsforschung« Die öffentlichen Projekterträge nahmen 2023 erneut deutlich zu. Insbesondere die Projektförderung des Bundes verzeichnete einen starken Aufwuchs um 21 Prozent auf 802 Mio. €. Dabei legten die Erträge des BMBF um 18 Prozent auf 406 Mio. €, die Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) um 15 Prozent auf 267 Mio. € und die Erträge der sonstigen Bundesressorts um 54 Prozent auf 129 Mio. € zu. Die Projektförderung der Länder ging nach einem starken Anstieg in den Vorjahren um 5 Prozent auf 232 Mio. € zurück. Bei den EU-Erträgen gab es einen deutlichen Aufwuchs um 28 Prozent auf 114 Mio. €. Die sonstigen Erträge nahmen um 46 Prozent auf 183 Mio. € zu und beinhalten u. a. Erträge von Stiftungen, Universitäten und anderen Einrichtungen der Forschungsförderung. Zudem enthalten sie im Jahr 2023 Erstattungen gemäß dem Energie- preisbremsengesetz von 19 Mio. € und eine außerordentliche Versicherungsentschädigung von 13 Mio. € für das Fraunhofer- Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT aufgrund des Hochwassers 2021. siehe S. 20, Grafik »Öffentliche Projekterträge 2023« Der hohe Finanzierungsanteil extern eingeworbener Erträge ist ein Erfolgskriterium der Fraunhofer-Institute und ein Alleinstellungsmerkmal der Fraunhofer-Gesellschaft. Der Projektfinanzierungsanteil ist daher eine wichtige Steue- rungskennzahl und ein Indikator für einen ausgewogenen Finanzierungsmix in der Vertragsforschung. Er wird berechnet als Anteil der Projekterträge am Betriebshaushalt inklusive kalkulatorischer Abschreibungen auf Investitionen (ohne Pro- jektgruppen und bilanzielle Sondereffekte bei Rücklage und Rückstellungen). Aufgrund des starken Anstiegs der öffent- lichen Erträge nahm der Projektfinanzierungsanteil im Jahr Finanzvolumen Das Jahr 2023 verlief für Fraunhofer wirtschaftlich erfolgreich. Das Finanzvolumen erreichte 3,4 Mrd. € mit einem deutlichen Zuwachs von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit einem Anteil von 88 Prozent bzw. 3,0 Mrd. € umfasst die Vertrags- forschung die Kerntätigkeiten von Fraunhofer, die zu rund einem Drittel von Bund und Ländern grundfinanziert werden. Forschungsleistungen mit einer dauerhaften Finanzierung außerhalb dieser regulären Grundfinanzierung werden als zusätzliche Forschungsförderung zusammengefasst, die ein Volumen von 249 Mio. € erreichte. Die Ausbauinvestitionen lagen bei 164 Mio. €. Die drei Bereiche werden in den folgen- den Kapiteln näher erläutert. siehe S. 20, Grafik »Finanzvolumen Fraunhofer gesamt« Das Finanzvolumen basiert auf der Leistungsrechnung, die den Anforderungen der Zuwendungsgeber entspricht. Der Betriebs- haushalt beinhaltet den Personal- und Sachaufwand im kauf- männischen Sinn sowie die Veränderung des Sonderpostens »Rücklage aus Lizenzerträgen für satzungsgemäße Zwecke«. Die Investitionen werden in Höhe der Ausgaben zum Anschaf- fungszeitpunkt erfasst, sodass kaufmännische Abschreibungen in der Leistungsrechnung nicht enthalten sind. Im Jahr 2023 investierte Fraunhofer insgesamt 581 Mio. € mit einem Anteil von 17 Prozent am Finanzvolumen. Der Personalaufwand stieg um 9 Prozent auf 1920 Mio. €. Dies ist im Wesentlichen auf einen Anstieg des Stammpersonals um 5 Prozent sowie Einmal- zahlungen zum Inflationsausgleich im Rahmen der Tarifeinigung 2023 zurückzuführen. Der Sachaufwand lag mit 921 Mio. € um 13 Prozent über dem Vorjahr, u. a. aufgrund höherer Energie- und Materialpreise und einer Zunahme des extern finanzierten Projektvolumens. Die Rücklage wurde 2023 unterjährig zur Deckung von Liquiditätsbedarfen eingesetzt und wurde in Saldo in Höhe von 18 Mio. € aufgelöst, um den Aufbau von Leistungszentren, die Ausstattung von Fraunhofer-Instituten mit Photovoltaikanlagen und die Förderung strategisch wichtiger Beteiligungsförderformate zu finanzieren. siehe S. 20, Grafik »Finanzvolumen 2023 nach Haushalt« 16161616

2023 erneut zu und lag bei 76,4 Prozent. Der Finanzierungs- anteil von Bund und Ländern erhöhte sich dabei auf 36,3 Pro- zent. Der Anteil der Wirtschaftserträge lag mit 29,7 Prozent auf dem Vorjahresniveau. siehe S. 21, Grafik »Finanzierungsanteile« Zusätzliche Forschungsförderung In der zusätzlichen Forschungsförderung werden Forschungs- leistungen mit einer dauerhaften Finanzierung außerhalb der regulären Grundfinanzierung zusammengefasst. Neben der Verteidigungsforschung zählen dazu das Nationale Forschungszentrum für angewandte Cybersicherheit ATHENE und die Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batterie- zelle FFB. In ATHENE forschen das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT und das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD mit der Technischen Uni- versität Darmstadt und der Hochschule Darmstadt am Schutz kritischer Infrastrukturen wie Strom und Verkehr sowie der Absicherung von IT-Systemen. Neben Informatik und Technik werden interdisziplinäre Fragestellungen aus Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Ethik einge- bunden. ATHENE wird vom BMBF und dem Land Hessen im Verhältnis 70:30 gefördert und wies 2023 einen Haushalt von 24 Mio. € auf. Mit Ausgaben in Höhe von 84 Mio. € wurde der Aufbau der FFB im Jahr 2023 weiter vorangetrieben. Das Großprojekt wird vom BMBF mit insgesamt 500 Mio. € projektfinanziert. Weitere rund 200 Mio. € stellt Nordrhein-Westfalen für ein Gebäude in Münster bereit. Die FFB soll zum Zentrum der Entwicklung einer modernen und skalierbaren Batteriezellpro- duktion für Deutschland und Europa werden. In der Verteidigungsforschung sind die Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung (FuE) von sieben Fraunhofer-Ins- tituten zusammengefasst, die vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) eine Grundfinanzierung und kontinuier- liche Projektförderung erhalten. Ziel der FuE-Tätigkeiten ist es, Menschen, Infrastrukturen und Umwelt bestmöglich vor potenziellen militärischen, technischen, terroristischen, natür- lichen und kriminellen Sicherheitsbedrohungen zu schützen. Die Ausgaben in der Verteidigungsforschung lagen 2023 mit 141 Mio. € auf Vorjahresniveau. Die Grundfinanzierung des BMVg erhöhte sich leicht um 4 Mio. € auf 87 Mio. €, während die Projektfinanzierung des BMVg um 5 Mio. € auf 54 Mio. € zurückging. siehe S. 21, Grafik »Zusätzliche Forschungsförderung« Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Ausbauinvestitionen In den Ausbauinvestitionen sind Baumaßnahmen sowie die Erstausstattungen mit wissenschaftlichen Geräten und Mobi- liar erfasst. Die Investitionen in Bau und Erstausstattung waren 2023 mit 164 Mio. € um 13 Prozent geringer als im Vorjahr, da externe Einflüsse weiterhin verzögernd auf den Mittelabfluss bei den Baumaßnahmen einwirken. Hierzu zählen insbesondere zeitlich fixierte Perioden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und erhöhte Anforde- rungen im Zuwendungsbau. Dabei gingen die Baumaßnahmen um 19 Mio. € auf 133 Mio. € zurück, wovon 98 Mio. € auf Großbauprojekte und 35 Mio. € auf den Kleinbau entfielen. Die Investitionen in die Erstausstattung sanken um 6 Mio. € auf 31 Mio. €. Großbauten und Erstausstattung werden von Bund und Län- dern im Verhältnis 50:50 sonderfinanziert. Häufig stellen die Länder zusätzliche Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bereit, die den Zuwendungs- bedarf für Bund und Land gleichermaßen verringern. Die Kleinbaumaßnahmen werden aus der gemeinsamen Grund- finanzierung im Verhältnis 90:10 finanziert. In Summe betrug der Zuwendungsbedarf für Bund und Länder 143 Mio. €. Bei den Projekterträgen entfielen 21 Mio. € auf EFRE-Mittel der Länder und sonstige Erträge. siehe S. 21, Grafik »Ausbauinvestitionen« Vermögens- und Finanzlage Zum 31. Dezember 2023 belief sich die Bilanzsumme auf 4855 Mio. € und lag 5 Prozent bzw. 239 Mio. € über dem Vorjahr. Die Bilanzsumme entfällt zu 99,7 Prozent auf das in der ordentlichen Rechnung geführte Vermögen und zu 0,3 Prozent auf das Vereinsvermögen. Das Anlagevermögen macht 62 Prozent der Aktiva aus und erhöhte sich um 216 Mio. € auf 2997 Mio. €. Die Erhöhung ist vor allem dadurch bedingt, dass die Investitionen in die Sachan- lagen die darauf entfallenden Abschreibungen überstiegen. Das Sachanlagevermögen stieg um 195 Mio. € auf 2919 Mio. €. Des Weiteren wurden zum 1. Januar 2023 aus der Rücklage finan- zierte Beteiligungen zum Restbuchwert in Höhe von 14,5 Mio. € vom Umlaufvermögen in das Anlagevermögen umgewidmet. Das Umlaufvermögen macht 37 Prozent der Aktiva aus und sank leicht um 3 Mio. € auf 1802 Mio. €. Die Ausgleichsan- sprüche und Forderungen an Bund und Länder aus der insti- tutionellen Förderung stiegen um 346 Mio. € auf 374 Mio. € und beinhalten Forderungen für bewilligte Zuwendungen des Geschäftsjahres. Deren Überjährigkeit wird durch das haushalts- rechtliche Instrument der Selbstbewirtschaftung hergestellt, daher sind Selbstbewirtschaftungsmittel (SBM) des BMBF in 17171717

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 » 18 Höhe von 345000 T€ und des BMVg in Höhe von 13503 T€ enthalten (im Vorjahr wurden SBM als Kassenbestand ausge- wiesen). Die Ausgleichsansprüche und Forderungen an Bund und Länder aus Projektabrechnungen (einschließlich Aufträ- gen) stiegen um 20 Mio. € auf 355 Mio. €. Die Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen gingen um 7 Mio. € auf 0,4 Mio. € zurück. Der Kassenbestand verringerte sich um 275 Mio. € auf 18 Mio. € (einschließlich Bankguthaben). Der Bestand an Wertpapieren sank um 53 Mio. € auf 459 Mio. €. Davon entsprechen 372 Mio. € der Rücklage aus Lizenzerträ- gen, 17 Mio. € dem Sonderposten »Zur Finanzierung von Restrukturierungen« und 70 Mio. € einem Patentverkauf. Das Eigenkapital erhöhte sich leicht und setzt sich zusam- men aus dem nicht zuwendungsfinanzierten Vereinskapital in Höhe von 15,6 Mio. € und den Rücklagen für satzungsgemäße Zwecke in Höhe von 11 225 €. Zum wirtschaftlichen Eigen- kapital zählen darüber hinaus 4 bilanzielle Sonderposten: Der Sonderposten »Zuwendungen zum Anlagevermögen« erhöhte sich um 216 Mio. € auf 2986 Mio. €. Der Sonderposten »Rücklage aus Lizenzerträgen für satzungsgemäße Zwecke« reduzierte sich um 32 Mio. € auf 372 Mio. €. Der »Sonderpos- ten Zahlungen aus Patentverkäufen« betrug 103 Mio. €. Ihm stehen bei den Aktiva sonstige Forderungen sowie Wertpapie- re in gleicher Höhe gegenüber. Für eine notwendige Restrukturierung der Reinrauminfrastruk- tur besteht ein Sonderposten in Höhe von 17 Mio. €, dem auf der Aktivseite Wertpapiere in gleicher Höhe gegenüberstehen. Die Mittelverwendung folgt einem Restrukturierungsplan und dient der Bildung von Haupt- und Fokusstandorten. Damit sollen zum einen die Fixkosten gesenkt und zum anderen die Zusammenarbeit und die Qualität der Angebote gesteigert werden. Im Geschäftsjahr wurden dafür 4,3 Mio. € verbraucht. Der Sonderposten »Zur Finanzierung des Umlaufvermögens verwendete Zuwendungen« zählt wirtschaftlich nicht zum Eigenkapital und ist ein Abgrenzungsposten für die zum Bilanzstichtag noch nicht einzahlungswirksamen Erträge abzüglich der noch nicht auszahlungswirksamen Aufwendun- gen. Im Wesentlichen entspricht dies der Vorfinanzierung von Projekten, die sich zum Bilanzstichtag auf 320 Mio. € belief. Die Rückstellungen stiegen um 34 Mio. € auf 277 Mio. €, wovon 40 Mio. € auf Rückstellungen mit Laufzeiten von mehr als einem Jahr entfielen. Für Pensions- und Urlaubsrückstellun- gen in Höhe von 109 Mio. € wurden auf der Aktivseite Aus- gleichsansprüche gegenüber Bund und Ländern angesetzt.

Die Verbindlichkeiten erhöhten sich um 106 Mio. € auf 756 Mio. €. Neben einem Anstieg der noch zu verwendenden Zuschüsse von Bund und Ländern aus institutioneller Förderung und aus Projektabrechnung von 77 Mio. € stiegen auch die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, die Ver- bindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen und die sonstigen Verbindlichkeiten um gesamt 29 Mio. €. Die Fraunhofer-Gesellschaft als Zuwendungsempfängerin hat aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht die Möglichkeit, sich des Kapitalmarkts zu bedienen oder Kreditlinien zu unterhalten. Die Liquidität ist dennoch durch regelmäßige Geldabrufe von den Zuwendungsgebern im Rahmen der institutionellen Förde- rung und den bedarfsgerechten Einsatz der Rücklage jederzeit gewährleistet. Das Fraunhofer-Finanzierungsmodell hat sich auch in Krisenzeiten bewährt und steht auf einem soliden Fundament. Die Fraunhofer-Zukunftsstiftung, gegründet 2008, fördert als rechtlich eigenständige Einrichtung satzungsgemäß technologieorientierte Forschungsprojekte an den Fraunhofer- Instituten. 2023 führte die Stiftung insgesamt 3,7 Mio. € zum Verbrauchskapital zu. Diese Zuführungen resultieren aus Spendeneinnahmen, anteiligen Rückflüssen aus erfolgreichen Stiftungsprojekten, rückzahlbaren Förderungen und Erträgen aus der Vermögensverwaltung. Im Jahr 2023 förderte die Fraunhofer-Zukunftsstiftung mit 6,8 Mio. € Projekte an Fraunhofer-Instituten. Das Verbrauchskapital hat sich dadurch von 91,5 Mio. € auf 88,4 Mio. € reduziert. Beteiligungen und Ausgründungen Die Fraunhofer-Gesellschaft war zum Bilanzstichtag an insge- samt 83 Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen beteiligt. Bei 53 Unternehmen des Beteiligungsportfolios steht der Technologietransfer in die Wirtschaft im Fokus. Weitere 24 Beteiligungen sind strategischer Natur. Daneben existieren noch 6 verbundene Unternehmen. Die Fraunhofer-Gesellschaft investierte 2023 insgesamt 7,1 Mio. € in das Eigenkapital der Beteiligungen. Demgegenüber wurde bei 6 Unternehmen ein Exit vollzogen. Ein Unternehmen kam hinzu, bei dem sich Fraunhofer am Grund- bzw. Stammkapital beteiligt. Darüber hinaus wurden 6 Unternehmen in das Anlagevermögen umge- widmet, die bisher in den Wertpapieren des Umlaufvermögens gehalten wurden. Der Buchwert aller Beteiligungen erhöhte sich auf 31,5 Mio. € (inklusive Anteilen an verbundenen Unter- nehmen, Vorjahr: 9,2 Mio. €). Der starke Anstieg des Buch- werts resultierte im Wesentlichen aus der Umwidmung der 6 Unternehmen aus dem Umlaufvermögen, die Ende 2023 einen Buchwert von 21,8 Mio. € hatten. Die Exit-Erlöse aus dem Abgang von Beteiligungen beliefen sich auf 7,1 Mio. €. Ausgründungen sind ein integraler Bestandteil der Verwer- tungsaktivitäten bei Fraunhofer. Typischerweise unterstützt die Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Fraunhofer-Gesellschaft über die Abteilung Ausgründungen und Beteiligungen die Gründerinnen und Gründer bei ihren Vorbereitungsaktivitäten. Im Einzelfall übernimmt Fraunhofer im Rahmen des Technologietransfers eine gesellschaftsrecht- liche Minderheitsbeteiligung. Im Jahr 2023 unterstützte Fraunhofer Venture 71 neue Ausgründungsprojekte; daraus gingen 23 Spin-offs hervor. Fraunhofer hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl die Anzahl der Ausgründungen als auch den Anteil des Wirtschaftsertrags mit Spin-offs am Gesamtwirt- schaftsertrag zu steigern. Unterstützt wird dies mit zielge- richteten Maßnahmen und Programmen, die im Rahmen des integralen Ansatzes AHEAD inhaltlich gebündelt wurden. Schutzrechtsverwertung Unter den Forschungseinrichtungen in Deutschland ist Fraunhofer nach wie vor Spitzenreiter bei der Anzahl der Erfin- dungen und der neu angemeldeten Patente. Nach dem Rück- gang der vergangenen zwei Jahre ist die Zahl der Erfindungs- meldungen 2023 wieder auf 506 Erfindungen gestiegen. Auch die Zahl der prioritätsbegründenden Patentanmel- dungen lag mit 406 über dem Vorjahr. Mit zeitlicher Verzö- gerung wirkt sich die gesunkene Zahl an Neuanmeldungen in den Jahren 2021 und 2022 auf den Schutzrechtsbestand aus. Der Bestand an aktiven Patentfamilien, die alle Schutzrechte in unterschiedlichen Ländern beinhalten, ist gegenüber dem Niveau des Vorjahres auf 7068 gesunken. Zudem nehmen die Institute aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen den Kostenaspekt von Schutzrechten noch stärker als bisher in den Fokus und bereinigen daher partiell ihre Portfolios für ältere Schutzrechte. Es bleibt die generelle Strategie der Fraunhofer- Institute, nur werthaltige Erfindungen dauerhaft patent- rechtlich abzusichern. Um die Verwertung von Schutzrechten kontinuierlich voranzutreiben, werden weiterhin Patentport- folios gestaltet und ausgewählten Unternehmen angeboten, lizenziert oder in Einzelfällen veräußert (siehe S. 21, Grafik »Prioritätsbegründende Patentanmeldungen«). Die Verwertung des Intellectual Property (IP) erfolgt in der Regel durch den Abschluss von Lizenzverträgen. Daneben kann IP auch in Patent-Pools eingebracht werden oder durch den Verkauf von IP verwertet werden. Die erfolgreichsten Patent-Pools beinhalten Patente der Audio- und Video-Codie- rung. Gemeinsam mit weiteren Inhaberinnen und Inhabern standardrelevanter Patente aus verschiedenen Ländern werden im Rahmen unterschiedlicher Patent-Pools weltweit Lizenzen erteilt. Diese Einnahmen werden in die Vorlaufforschung rein- vestiert und stärken damit nachhaltig den Forschungsstand- ort Deutschland. Im Jahr 2023 schloss Fraunhofer 212 neue Verträge über die Lizenzierung oder den Verkauf von IP ab, die Gesamtanzahl lag Ende 2023 bei 2989 aktiven Verträgen. Die Erträge aus der Lizenzierung und dem Verkauf von IP betrugen rund 158 Mio. €. 191919

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Zahlen und Fakten Finanzvolumen Fraunhofer gesamt in Mio. € Erträge in der Vertragsforschung in Mio. € 2760 2832 306 159 270 164 3404 164 249 2991 2915 3049 234 163 189 245 2615 2398 2518 2295 2991 836 2615 787 1331 1120 2295 2398 2518 658 723 724 825 895 1015 746 845 780 708 824 2019 2020 2021 2022 2023 2019 2020 2021 2022 2023 Ausbauinvestitionen Zusätzliche Forschungsförderung Vertragsforschung Wirtschaftserträge Öffentliche Projekterträge Grundfinanzierung Finanzvolumen 2023 nach Haushalt in Mio. € Öffentliche Projekterträge 2023 in Mio. € 3404 1920 1331 232 114 183 406 267 129 BMBF BMWK Sonstige Bundesressorts Länder EU Sonstige 581 –18 921 Personalaufwand Sachaufwand Rücklagenveränderung Investitionen 20

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Finanzierungsanteile in % Ausbauinvestitionen in Mio. € 73,3 76,4 34 ,8 30 ,4 36,3 29,7 3, 4 4,0 306 270 84 35 187 38 53 179 234 1 61 172 189 37 164 31 152 133 2019 2020 2021 2022 2023 2019 2020 2021 2022 2023 Projekterträge gesamt (darin sonstige Erträge, 2023: 6,4 %) Wirtschaft Bund und Länder EU Zusätzliche Forschungsförderung in Mio. € 245 249 82 21 15 15 58 59 83 75 164 163 11 14 65 74 159 2 12 77 68 84 24 54 87 Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) Erstausstattung Baumaßnahmen (Groß- und Kleinbau) Prioritätsbegründende Patentanmeldungen 623 638 521 375 406 2019 2020 2021 2022 2023 2019 2020 2021 2022 2023 Projektförderung FFB (BMBF) Grundfinanzierung ATHENE (BMBF und Hessen) Projektförderung BMVg Grundfinanzierung BMVg 21

Aspekte der Nachhaltigkeit Verantwortung der Fraunhofer-Gesellschaft Für Fraunhofer bedeutet Nachhaltigkeit, umfassende Ver- antwortung für eine lebenswerte Zukunft zu übernehmen. Neben der Forschung betrifft dies eine verantwortungsvolle Unternehmensgestaltung entlang der Dimensionen Ökologie, Ökonomie und soziale Belange. Verantwortung zeigt sich auch durch gesellschaftliches Engagement wie umfangreiche Ent- wicklungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden, die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in Forschungsprozesse und in Programmen für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende. 2023 veröffentlichte Fraunhofer einen umfassenden Corporate- Social-Responsibility-Bericht. Für alle Aspekte der Nachhaltig- keit bzw. Corporate Social Responsibility wurde Ende 2022 eine ressortübergreifende Managementstruktur etabliert. 2023 standen die Compliance-Anforderungen sowie die Governance im Bereich Nachhaltigkeit im Fokus. Erste Handlungsfelder und Maßnahmen der zu etablierenden Strategie wurden bereits im Nachhaltigkeitsbericht 2023 definiert und werden quali- tätsgesichert begleitet: So wird der Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft ausgebaut, z. B. durch strategische Partnerschaf- ten mit Industriekunden, und ein organisationsübergreifender Austausch durch gemeinsam definierte Forschungsprozesse etabliert, etwa zu »Forschen in gesellschaftlicher Verantwor- tung«. Weiter gilt es, die Frauenquote beim wissenschaftlichen Personal sowie in den Kuratorien der Institute zu erhöhen. Fraunhofer bereitet sich darauf vor, ab dem Geschäftsjahr 2025 nach den umfangreichen Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) im Lagebericht zu informieren. Die CSRD stellt eine transparente Kommunika- tion und die Vergleichbarkeit des Nachhaltigkeitsengagements von Unternehmen und Organisationen sicher. Fraunhofer eta- bliert frühzeitig ressortübergreifend alle notwendigen Prozes- se, um die Datenerhebung als wesentliche Voraussetzung für die präzise, glaubwürdige und wirkungsvolle Berichterstattung Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 zu realisieren. Eine zentrale, vom Vorstand berufene Arbeits- gruppe arbeitet mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen für eine umfangreiche und auf die wesentlichen Aspekte ausgerich- tete CSRD-Berichterstattung zu schaffen. Die Grundlage hierfür wird mit der Analyse der doppelten Wesentlichkeit gelegt, die 2023 initiiert wurde. Als wesentlich betrachtet werden dem- nach Aspekte der Nachhaltigkeit, die entweder relevant sind aus der Inside-out-Perspektive (Auswirkungen der Geschäfts- tätigkeit von Fraunhofer auf Umwelt und Gesellschaft) oder aus der Outside-in-Perspektive (relevante Chancen und Risiken, die Nachhaltigkeitsthemen für die Zukunftsfähigkeit des Fraunhofer- Geschäftsmodells) mit sich bringen. Die entsprechende Befra- gung der Stakeholder ist für das erste Halbjahr 2024 geplant. Neuausrichtung des Compliance-Management-Systems Gute Unternehmensführung beinhaltet für die Fraunhofer- Gesellschaft neben der selbstverständlichen Einhaltung gesetzlicher Vorgaben die Orientierung an Werten wie Vertrauen, Respekt und Fairness im Innen- sowie Außen- verhältnis. Seit 2010 betreibt Fraunhofer ein Compliance- Management-System (CMS). Es wird seitdem kontinuierlich weiterentwickelt, um der steigenden Regulatorik auch im Forschungsbereich gerecht werden zu können. Bei Fraunhofer verstehen wir Compliance als sogenannte Business Enabler, indem die Mitarbeitenden der zentralen Compliance-Abteilung vertrauensvolle Ansprechpersonen sind, die Geschäftsabläufe kennen und Mehrwerte schaffen können. Ein Compliance-konformes Handeln bedeutet für uns, stimmige Maßnahmen im Sinne eines fairen Miteinanders innerhalb gemeinsam definierter Leitplanken für eine ver- antwortungsvolle und erfolgreiche Forschung abzuwägen. Das Compliance-Rahmenwerk gewährleistet u. a. darauf abgestimmte Kontrollprozesse, indem verschiedene Teil- nehmende mit eigenverantwortlichen Zuständigkeiten und Funktionen im CMS interagieren. Permanente Überprüfungen (z. B. Vieraugenprinzip) finden durch alle Mitarbeitenden in den festgelegten Prozessen statt. Periodische Überprüfungen regulatorischer sowie prozessualer Anforderungen (z. B. Ein- haltung der Kontrollen) werden im Rahmen des Compliance- Kontrollkonzepts durch die Themenverantwortlichen in den Fachabteilungen durchgeführt. Zusätzlich bedarf das innovative sowie flexible Geschäftsmo- dell moderner Wissenschaft und angewandter Forschung mit gesellschaftlicher Verantwortung der Integration von Compli- ance in die Unternehmenskultur. Denn allen Mitarbeitenden müssen die Regeln, Rollen und Werte kommuniziert sowie von ihren Führungskräften vorgelebt werden. Hierzu braucht es ein orchestriertes Zusammenspiel bereichsübergreifender Kompetenzen u. a. aus Personal, Kommunikation, Recht und 232323

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Compliance. Die nötige Kombination von Eigenverantwortung, Kenntnis des Leitbilds sowie des Regelwerks führt zu verant- wortungsbewussten Mitarbeitenden und Führungskräften, die für Fraunhofer jeweils auch Compliance-konform handeln. Nur auf diesem gemeinsam zu beschreitenden Weg kann die Siche- rung des nachhaltigen Erfolgs von Fraunhofer gelingen, sodass genügend Raum für die wichtigen Aufgaben – Forschung und Transfer von Innovationen – erhalten bleibt. Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichten- gesetzes (LkSG) Am 1. Januar 2023 trat das Gesetz über die unternehmeri- schen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechts- verletzungen in Lieferketten – kurz LkSG – in Kraft. Das deut- sche Bundesgesetz steuert das wirtschaftliche Handeln von in Deutschland ansässigen Unternehmen ab einer Größe von 3000 Arbeitnehmenden im Inland (ab nächstem Jahr ab 1000 Arbeitnehmenden), indem es ihnen Sorgfaltspflichten aufer- legt, welche menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihren Lieferketten minimieren sollen. Die Fraunhofer-Gesell- schaft setzt die Anforderungen des LkSG um und hat Maßnah- men zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten implementiert. Die Funktion des Menschenrechtsbeauftragten ist in einer neu geschaffenen Stabsabteilung, welche die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken der eigenen Wertschöpfungs- kette und der Lieferkette von Fraunhofer überwacht, verortet worden. Das bestehende Risikomanagementsystem der Fraunhofer-Gesellschaft wurde um das Thema LkSG erwei- tert und wird kontinuierlich ausgebaut, um menschenrecht- liche und umweltbezogene Risiken erkennen zu können. In diesem Jahr fand die erste regelmäßige Risikoanalyse statt, um die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei den unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln. In Bezug auf die unmittelbaren Zulieferer wurde ein spezialisierter externer Anbieter hinzuge- zogen. Zunächst wurde anhand der Vorgaben des LkSG sowie der Handreichungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine abstrakte Risikoanalyse durch- geführt, deren Ergebnisse im Anschluss manuell plausibilisiert wurden. Hierbei wurden Risiken, jedoch keine Verletzungen identifiziert und angemessene Präventionsmaßnahmen in die Wege geleitet. Für den Fall, dass zukünftig Verletzungen identifiziert werden, wurden Prozesse zur Durchführung von Abhilfemaßnahmen definiert. Ende 2022 wurde die Menschenrechtsstrategie der Fraunhofer- Gesellschaft verabschiedet, welche in einer Grundsatzerklä- rung des Vorstands festgehalten wurde und seit 1. Januar 2023 auf der Fraunhofer-Website abrufbar ist. 242424 Das Fraunhofer-Hinweisgebersystem konnte um einen LkSG- Kanal erweitert werden, sodass gewährleistet ist, dass einge- hende Hinweise zu möglichen Verletzungen systematisch und anonymisiert bearbeitet werden können. Im Verhältnis zu mittelbaren Zulieferern wurde ein Prozess zur anlassbezogenen Risikoanalyse definiert, um bei Kenntnis- erlangung von Verletzungen in der Lieferkette sofort Maßnah- men ergreifen zu können. Die Dokumentation und öffentliche Berichterstattung nach den Vorgaben der BAFA wird fristge- recht zum 30. April 2024 erfolgen. Forschung für Nachhaltigkeit Knapp 32 000 Fraunhofer-Mitarbeitende entwickeln gemein- sam mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft aus Ideen innovative Lösungen. Damit begegnen sie den drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Die Fraunhofer-Forschung konzentriert sich derzeit auf fünf gesamtgesellschaftliche Ziele: digitale Wertschöpfung, ganzheitliche Kreislaufwirtschaft, vollendete Energiewen- de, bezahlbare Gesundheit sowie Sicherheit und resiliente Gesellschaft. Der Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung kann Unternehmen wesentlich darin unterstüt- zen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen sowie nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Zu den weltweit wichtigsten gesamtgesellschaftlichen Auf- gaben gehört der Klimaschutz, d. h. vor allem die Umstel- lung der Energiesysteme auf erneuerbare Energien und die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Fraunhofer-Forschende steuern hierzu maßgebliche Impulse bei. Ein Beispiel ist das Fraunhofer-Leitprojekt Elektrokalorische Wärmepumpen ElKaWe. Hier entwickeln Forschungsteams elektrokalorische Wärmepumpen als Alternative zur derzeit vorherrschenden, aber unwirtschaftlichen Kompressor-Technologie. Die neu- artigen Wärmepumpen – ElKaWe – versprechen eine höhere Effizienz und kommen ohne Kältemittel aus. 2023 gelang ein Meilenstein in der hierfür notwendigen Galliumnitrid-basier- ten Leistungselektronik: Fraunhofer-Forschende realisierten eine ultraeffiziente Schaltungstopologie für Spannungs- wandler mit 99,74 Prozent elektrischem Wirkungsgrad. Dieses Ergebnis setzt weltweit Maßstäbe und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu vollständig emissionsfreien Lösungen zum Heizen und Kühlen. Maßgeblich zur Vermeidung von CO2-Emissionen trägt auch das EU-Projekt (Horizon Europe) ReSoURCE bei. Als Teil des Konsortiums unter Industrieführung arbeiten Fraunhofer-For- schende mit an nachhaltigen Lösungen für das Recycling von Feuerfestmaterialien. Das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und dessen Spin-off Laser Analytical Systems & Automation GmbH (LSA) liefern dabei vor allem Laser-Know-how für die

Messtechnik in automatisierten Sortieranlagen. Weltweit fallen jährlich etwa 32 Millionen Tonnen gebrauchte Feuerfestmate- rialien an, von denen bisher nur ein Bruchteil recycelt wird. Da die Herstellung feuerfester Werkstoffe aus Primärrohstoffen erhebliche Mengen CO2 verursacht, ist es das Ziel, diese Mate- rialien im Kreislauf zu führen. Die Projektergebnisse schaffen die Grundlage dafür, den diesbezüglichen Recyclinganteil von bislang 7 bis 30 Prozent auf 90 Prozent zu steigern, und somit die europäischen CO2-Emissionen um bis zu 800 000 Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Der globale Wasserverbrauch hat sich in den letzten 100 Jahren fast versechsfacht und wächst um etwa 1 Prozent jähr- lich. Steigender Verbrauch und Verschmutzung von Wasser- ressourcen bei gleichzeitig wachsender Weltbevölkerung und länger werdenden Dürreperioden machen nutzbares Wasser zu einem knappen Gut. Zudem werden derzeit ca. 70 Pro- zent des Trinkwassers für die Landwirtschaft genutzt, wovon 60 Prozent durch übermäßige Bewässerung verschwendet werden. Die Fraunhofer-Institute für Kurzzeitdynamik, Ernst- Mach-Institut, EMI und für Angewandte Optik und Feinmecha- nik IOF entwickelten mit ihren Spin-offs constellr GmbH und SPACEOPTIX GmbH die innovative Infrarotkamera »LisR«, kurz für »Longwave infrared sensing demonstratoR«, um eine nachhaltigere Bewässerung zu ermöglichen. »LisR« misst vom Orbit aus die reale Landoberflächentemperatur und ist somit für Bewässerungsstrategien erheblich präziser als bisherige Modellierungen. Der Technologiedemonstrator wurde 2022 erfolgreich auf der Internationalen Raumstation (ISS) getestet. Ab 2026 könnten durch eine solch gezielte Bewässerung jähr- lich 180 Milliarden Tonnen Wasser und 94 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden – bei einer globalen Erntesteigerung von bis zu 4 Prozent (siehe Jahresbericht 2022). Ein Beispiel für Nachhaltigkeit im Transfer von Forschungs- ergebnissen direkt in die Industrie stellt die strategische Zusammenarbeit zwischen Fraunhofer und Procter & Gamble (P & G) dar. Diese wurde im Juli 2023 mit der »Joint Innovation Platform« um einen neuen integrierten Ansatz ergänzt. Ziel der Plattform ist eine intensivierte Vernetzung zwischen interdisziplinären Fraunhofer-Kompetenzen und P & G, um zielgerichtet an Nachhaltigkeit in der Lieferket- te zu arbeiten. Hintergrund der langfristigen strategischen Partnerschaft sind klar definierte Ziele innerhalb der Nach- haltigkeitsagenda von P & G. Im Einzelnen hat sich P & G u. a. verpflichtet, seine mehr als 200 Produktionsstandorte, Verteilerzentren und technischen Zentren sowie die mehr als 100 000 ein- und ausgehenden Transportwege bis auf »Net Zero GHG« (null Treibhausgase) zu bringen. Darüber hinaus hat sich P & G vorgenommen, die betroffenen Wasserein- zugsgebiete aller Produktionsstandorte zu schützen und die Frischwasserentnahme um mehr als 111 Mrd. Liter pro Jahr zu reduzieren. Zudem arbeitet P & G daran, Nachhaltigkeitsdaten- systeme der Lieferkette aufzubauen und prüfbare, granulare Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 und zugängliche Daten für die interne und externe Bericht- erstattung bereitzustellen. Die neue Form der Zusammenarbeit über die Joint Innovation Platform soll für einen effizienten und deutlich beschleunigten Zugang zu Fraunhofer-Kompetenzen in vier strategischen Themenfeldern führen: Transport, Scope- 1- und -2-Emissionen, Wasser sowie Environmental, Social and Governance (ESG) Data. Die Fraunhofer-Zukunftsstiftung orientiert sich mit ihrem Förderprogramm an den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) der Vereinten Nationen. Mit einem jährlichen Volumen von 5 Mio. € ermöglicht sie For- schenden der Fraunhofer-Gesellschaft, Produkte, Dienstleistun- gen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die einen Beitrag zur Gestaltung einer ökologisch intakten, sozial ausgewogenen und ökonomisch nachhaltigen Welt leisten. 2023 förderte die Stiftung zum Beispiel mit »NexusHub« ein wassersparendes Pflanzenanbausystem für Trockengebiete sowie mit »Phos- phatfänger« eine Technologieentwicklung zur Rückgewin- nung von Phosphat aus Abwässern. Bei der Umsetzung ihrer Projekte setzt die Stiftung zunehmend partizipative Elemente ein, um Bedarfe von Stakeholdern frühzeitig in der Produktent- wicklung und im Technologietransfer zu verankern. Der Transfer von Wissen und Technologie leistet durch Aus- gründungs- und Lizenzierungsprojekte einen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Wirtschaftsstandorts und zu einer nach- haltigeren Gesellschaft. Im Förderprogramm AHEAD, das den Technologietransfer von Innovationsideen unterstützt, wurde mit AHEAD SDG-Track eine Linie geschaffen speziell für Aus- gründungs- und Lizenzierungsvorhaben, die bedeutsam sind für das Erreichen der SDGs. Die teilnehmenden Teams erhalten Coachings von Expertinnen und Experten zu Themen wie Impact-Kalkulation, Kreislaufwirtschaft und Vorbereitung auf Finanzierungsmöglichkeiten. Sie verfolgen ein Impact-orientier- tes Geschäftsmodell und wollen durch ihre innovativen Lösun- gen positive soziale oder ökologische Auswirkungen erzielen. Seit das AHEAD-Programm 2019 geschaffen wurde, haben 64 Teams den SDG-Track des AHEAD-Programms durchlaufen. Ihre Systemkompetenz zu Zukunftstechnologien stellen die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten für politische Entschei- dungsprozesse zur Verfügung. Nachgefragt wird diese etwa in der Allianz für Transformation des Bundeskanzlers. In diesem Dialogformat beraten sich die Bundesregierung, Wirtschaftsvertretungen, Sozialpartner und Wissenschaft, wie der sozial-ökologische Wandel in Deutschland gelingen kann. Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka nahm 2023 an mehreren Treffen teil. In die Taskforce Kreislaufwirtschaft der Allianz berief das Bundeskanzleramt Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner. Als einer der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT koordiniert Renner zahlreiche Konsortien und Aktivitäten zur Circular Economy. 252525

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Für ein Positionspapier der Taskforce konnte er wesentliche Expertise zur zirkulären Wertschöpfung bei Batterien sowie zum zirkulären Wirtschaften bei Bau, Baustoffen und Gebäu- den beisteuern. Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung Die Initiative »Forschen in gesellschaftlicher Verantwortung« beschreibt die ganzheitliche Verantwortung der Forschenden für die verschiedenen Aspekte ihres Wirkens. Dazu gehören auf der Corporate-Ebene Fragen zur Auswahl der Forschungs- themen (Was sollen wir forschen? Was wollen wir nicht forschen?) und auf der Ebene der einzelnen FuE-Projekte die qualitätsgesicherte Projektdurchführung und der nutzenorien- tierte Transfer der Ergebnisse. Auf Basis eines bereits erarbei- teten Reflexionsrahmens (BMBF-Verbundprojekt LeNa mit der Leibniz- und der Helmholtz-Gemeinschaft) wurden 2023 in einem weiterführenden Fraunhofer-Projekt interne und externe Verantwortungsbereiche für Fraunhofer-Projektteams definiert, die anhand eines neuen Leitfadens erörtert werden können. Der interne Verantwortungsbereich adressiert die Gestaltung des Forschungsprozesses, insbesondere die gute wissenschaftliche Praxis, das qualitätsgesicherte Projektma- nagement und, wo nötig, die Befolgung ethischer Kodizes bei der Projektdurchführung. Die externe Verantwortung gegen- über Stakeholdern beinhaltet die Auseinandersetzung mit den möglichen Wirkungen der Projektergebnisse, einerseits durch den notwendigen Transfer der Ergebnisse zur Nutzenstiftung in Wirtschaft und Gesellschaft und andererseits durch eine kompetent durchgeführte Folgenabschätzung zur Minimie- rung der Risiken eines missbräuchlichen Einsatzes der Ergeb- nisse. Der Leitfaden soll den Fraunhofer-Projektteams vor dem Projektstart durch eine gemeinsam geführte, offene interne Diskussion Sicherheit geben, dass alle relevanten Verantwor- tungsaspekte berücksichtigt wurden. Insbesondere können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler individuelle moralische Sichten einbringen und werden für (neue) ethische Fragestellungen sensibilisiert. Mit der fakultativen Einfüh- rung des Leitfadens für alle Fraunhofer-Projektteams wurde zeitgleich das Modul Einführung in die Technikethik und Technikfolgenabschätzung (Start 2024) für den zentralen Fraunhofer-Weiterbildungsbereich entwickelt. Beide Maß- nahmen – der Leitfaden und das Modul – dienen zur Stärkung der Exzellenz in der Fraunhofer-Forschung und führen zu einer höheren Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit. Die Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern im Forschungs- und Innovationsprozess ist ein wichtiger Beitrag dazu, Inno- vationen nutzbringend zu gestalten. Im EU-Projekt FRANCIS – Frugal Innovation by Citizens for Citizens (Förderzeitraum: 2021–2024) initiierten das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirt- schaft und Organisation IAO und das Fraunhofer-Informations- zentrum für Raum und Bau IRB mit weiteren Partnerinnen 222666 und Partnern sogenannte Open Innovation Challenges. Hier werden weltweit Menschen eingeladen, Ideen für einfache, nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Das Projekt bemüht sich besonders darum, marginalisierte Gruppen wie ältere Menschen zur Teilnahme zu motivieren und zu befähigen. Der erste Ideen-Wettbewerb, der das Thema Küche und Haushalt behandelte und sich vor allem an die Länder Deutschland, Türkei und Indien richtete, wurde im August 2023 abgeschlos- sen. Die drei ersten Plätze belegen ein Konzept für personali- sierte Möbel, ein Gerät zum Bettenbeziehen und ein System für cleveres Recycling. Nachhaltigkeitsmanagement in außeruniversitären Forschungsorganisationen (PDF) Mitarbeitende Zum Jahresende 2023 waren bei Fraunhofer 31 942 Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter beschäftigt, davon 23 543 wissen- schaftliche, technische und administrative Beschäftigte (WTA- Personal), 7887 Studierende sowie 512 Auszubildende. Der Transferpfad Transfer durch Köpfe hat zum Ziel, dass exzel- lent ausgebildete Fraunhofer-Mitarbeitende nach einigen Jahren verantwortungsvolle Positionen in der Wirtschaft bzw. Wissen- schaft übernehmen oder in die Selbstständigkeit wechseln. So wuchs Fraunhofer 2023 im wissenschaftlichen, technischen und administrativen Bereich um 1113 Personen. Tatsächlich aber wurden 3300 Personen eingestellt und 2200 Personen ausgestellt. Die beabsichtigte Fluktuation verlangt insbesonde- re in Zeiten des Fachkräftemangels ein professionelles Recrui- ting und Onboarding, eine strukturierte Karrierebegleitung und eine hohe Führungs- und Managementkompetenz. Im Projekt Zukunftsbild Fraunhofer-Unternehmenskultur wird seit Herbst 2022 an der Ist-Analyse der Rahmenbedin- gungen und an Stellhebeln für die Weiterentwicklung der Fraunhofer-Kultur gearbeitet. Perspektivisch sollen Prozesse und Strukturen geschaffen werden, die einen kontinuierlichen Kul- turdialog fördern. Ab Ende August wurden 2023 zwei eng auf- einander abgestimmte partizipative Dialogformate durchgeführt: »Vorstand vor Ort« Dieses offene Diskussionsformat zu aktuellen Rahmenbedin- gungen und Zukunftsaussichten beruht auf dem persönlichen Austausch zwischen Mitarbeitenden und mindestens zwei Vorstandsmitgliedern. Damit zeigt der Vorstand angesichts der internen und externen Dynamiken der Fraunhofer-Gesell- schaft Präsenz, nimmt die Bedarfe auf und gibt der breiten Basis Gelegenheit, deren persönliche Erfahrungen und Wünsche mit dem Vorstand zu teilen. Durchgeführt wurden 7 Workshops an 7 verschiedenen Fraunhofer-Standorten

»Kulturdialog« In 16 zielgruppenspezifischen Workshops erarbeiteten Fraunhofer-Mitarbeitende Zukunftsperspektiven zu einer für sie erstrebenswerten Fraunhofer-Kultur. Im Anschluss werden Vertretungen aus den einzelnen Kulturdialogen die Erkennt- nisse mit dem Vorstand diskutieren und ein Zukunftsbild der Fraunhofer-Unternehmenskultur synthetisieren. Im Nachgang zu den Dialogformaten werden in der letzten Projektphase Tools und Formate entwickelt und etabliert, die die Verstetigung des Kulturdialogs, des Feedbacks und somit die kulturelle Weiterentwicklung unterstützen. 2023 stand im Zeichen der Einführung einer neuen Arbeit- gebermarke: Als neuer Claim des Employer Brand löste »Veränderung startet mit uns.« die bisherige »DOCH.«- Kampagne ab. Sie bildet das Dach-Konzept für die Kommu- nikation aller Institute für die Ansprache der unterschiedlichs- ten Zielgruppen, zeigt Team-Spirit und Diversität und bietet authentische Einblicke, indem sie echte Mitarbeitende in ihrer jeweiligen Arbeitsumgebung zeigt. Mitarbeitende (Anzahl Personen am Jahresende) Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Rahmenbedingungen der Arbeit weiter entwickeln Der zentrale Auftrag »Transfer durch Köpfe« wird vorwiegend durch den Ansatz Karriere mit Fraunhofer umgesetzt, der sich auf ein holistisches Personalentwicklungskonzept mit dem Ziel stützt, die individuelle Karriereplanung der Mitarbei- tenden zu fördern. Das zentrale Element der individuellen Entwicklungsplanung bildet das verpflichtende Mitarbeiten- dengespräch. Die individuelle Karriereplanung orientiert sich dabei an den Fraunhofer-Entwicklungs- und -Karrierepfaden (intern sowie hinsichtlich der klassischen Anschlusskarrieren in Wirtschaft, Wissenschaft oder Ausgründung), die durch definierte Qualifikationsfelder, -themen und -maßnahmen konsolidiert werden. Nach Einführung des SAP-Tools Success- Factors Talent als eine Fraunhofer-weite einheitliche Plattform zur digitalen Unterstützung der Entwicklungsplanung sowie des SAP-Learning-Management-Systems als eine einheitliche Lern-Plattform folgte ein umfangreicher Ausbau des E-Lear- ning-Angebots. So stehen mittlerweile ca. 50 kostenlose E-Learnings zu Themen wie Führung, Business-Management sowie Arbeits- und Selbstorganisation allen Mitarbeitenden für die selbst gesteuerte Weiterbildung zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützen zielgruppenspezifische Karriere-Pro- gramme weiterhin die Vernetzung über die Institute hinweg: Vintage Class und Advanced Management Class für das Top- sowie obere Management, TALENTA für Wissenschaftle- rinnen sowie weibliche wissenschaftliche Führungskräfte und Step forward für Young Professionals. Neu eingeführt wurde ein Business-Management-Programm, um Verwertung, Business Development und Zusammenarbeit mit Industriekun- den an den Instituten zu optimieren. 30 028 511 30 350 505 31 942 512 29 069 541 7827 7877 7415 7887 27 988 535 7517 20 701 21640 22430 19 936 23543 2019 2020 2021 2022 2023 Auszubildende Studierende WTA-Personal gesamt Seit 2020 existiert mit dem Code of Conduct »Promovieren mit Fraunhofer« ein verbindlicher Qualitätsstandard für Rah- menbedingungen der Promotionsbetreuung bei Fraunhofer. Im Mai 2023 erfolgte eine umfassende Evaluationsbefragung zum aktuellen Umsetzungsgrad der im Code of Conduct formu- lierten Qualitätsstandards an den Instituten. Im Rahmen der Evaluation wurden Institutsleitungen, Betreuungspersonen am Institut und promovierende Mitarbeitende befragt. Die deskrip- tive Standortbestimmung auf Fraunhofer-Gesamtebene zeigt ein differenziertes Stärken- und Schwächenprofil zum Thema Promovieren mit Fraunhofer auf. Im Rahmen einer Zusam- menhangsanalyse konnten zudem differenzierte Korrelationen zwischen Kontextfaktoren, Aspekten der Promotionsbetreu- ung und Erfolgsgrößen (Arbeitszufriedenheit, Promotions- fortschritt, Promotionsdauer, Abbruchneigung, Arbeitgeber- attraktivität) aufgezeigt werden. Dies indiziert zum einen, dass die Umsetzung der im Code of Conduct verankerten Quali- tätsstandards einen wichtigen Beitrag zu den Erfolgsgrößen darstellt und weist zum anderen auf wichtige Stellhebel im Kontext einer spezifischen Maßnahmenableitung hin. 272727

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Ein zentrales Instrument, um die Wirksamkeit der Maßnah- men im Rahmen des Gesamtkonzepts Personalentwicklung zu ermitteln, stellt die systematische Exit-Befragung der aus- scheidenden Mitarbeitenden dar. 2023 indizierte eine positive Entwicklung bei der essenziellen Frage, ob die ausscheidenden Mitarbeitenden Fraunhofer als Arbeitgeber weiterempfehlen würden: Die Zustimmungswerte liegen derzeit bei 63 Prozent (2021: 60 Prozent und 2020: 59 Prozent). Ein konsolidierter Entwicklungsstand zeigt sich bei der Austrittsrate aufgrund von Eigeninitiative. Diese liegt 2023 bei 75 Prozent (2021: 74 Prozent und 2020: 73 Prozent). Kongruent zum Fraunhofer- Ansatz wurde »Transfer durch Köpfe« als häufigster Grund (26 Prozent) für einen Weggang aus Eigeninitiative genannt (2021: 49 Prozent und 2020: 27 Prozent). Die Bewertung der Unterstützung in der Entwicklungsplanung durch die ausschei- denden Mitarbeitenden liegt 2023 bei 51 Prozent. Im Vergleich zu den Vorjahren (2021 und 2020 jeweils 40 Prozent) ist der Wert deutlich gestiegen. Dieser positive Trend zeigt sich im Berichtsjahr bei allen Mitarbeitenden-Gruppen. Diese Rahmenbedingungen tragen dazu bei, dass Fraunhofer jährlich unter den Top-Arbeitgebern zu finden ist. Auch 2023 gehörte die Fraunhofer-Gesellschaft bei den Arbeitgeber- rankings »Trendence« und »Universum« zu den beliebtesten Arbeitgebern. So belegte Fraunhofer beim »Trendence«-Baro- meter der Absolventen im Bereich Forschung den ersten Platz und den zweiten Platz, ebenfalls in der Kategorie Forschung, beim Barometer der Professionals. Diversity Mit wissenschaftlicher Exzellenz Innovationsstärke zu erzielen, liegt in der Mission der Fraunhofer-Gesellschaft. Deshalb ist es ihr Ziel, eine Forschungs- und Arbeitswelt zu gestalten, in der alle Beschäftigten durch die Förderung von Vielfalt und die Schaffung inklusiver Rahmenbedingungen Chancengleich- heit erleben. Ein umfassender Diversity-Management-Ansatz fördert einen Kulturwandel der beruflichen Chancengleichheit von Frauen und Männern, der Wertschätzung der Vielfalt aller Mitarbeitenden und den Aufbau inklusiver Rahmenbedingun- gen. Insofern befinden sich entsprechende Fördermaßnahmen bei Fraunhofer in Kongruenz zu den Zielen des Pakts für For- schung und Innovation sowie mit dem 2022 von der EU-Kom- mission implementierten Gender Equality Plan. Beim Gesamtansatz Diversity ist die berufliche Chancen- gleichheit ein zentrales Handlungsfeld. Ein ganzheitliches Konzept stärkt die ambitionierten Ziele der Gleichstellung von Frauen und Männern. Für die Umsetzung chancengerechter und familienfreundlicher Strukturen und Prozesse setzt Fraunhofer ein Gesamtkonzept um, das sechs Handlungsfelder – Rekrutierung, Karriereförderung, Kommunikation, Kulturent- wicklung, Monitoring und Rahmenbedingungen – systematisch 222888 miteinander verzahnt. Als Kernstück wurde das Begleitan- gebot Chancengleichheit 2023 fortgeführt. Das Programm unterstützt die Institute bei der Entwicklung einer Strategie, der Analyse des Status quo sowie bei der Ableitung von Maß- nahmen zur Förderung von Chancengleichheit. Eine zentrale Säule für Chancengleichheit in Forschung und Führung ist seit 2013 TALENTA. 2023 ging das Förder- und Entwicklungsprogramm von der Projektanschubfinanzierung in ein dauerhaftes Finanzierungsmodell über. 812 Wissen- schaftlerinnen konnten seit 2013 davon profitieren: z. B. mit Karriere- und Forschungszeit oder mit Qualifizierungs- und Vernetzungsformaten für ihre Karriereziele, wie die Fertigstel- lung der Promotion, die Weiterentwicklung der Führungskom- petenz oder die Stärkung ihrer wissenschaftlichen Sichtbarkeit bei Fraunhofer. Gerechte Karrierechancen werden stark von unbewussten Vorannahmen, vom sogenannten Unconscious Bias, beein- flusst. Seit 2023 unterstützt die Pilot-Initiative Unconscious Bias Institute dabei, entsprechende Maßnahmen einzuführen. 2023 nutzten neun Institute das dafür entwickelte Analyse-, Schulungs- und Kommunikationspaket. Seit 12 Jahren unterstützt das Förderprogramm Diversity Institute bei der Umsetzung neuer Maßnahmen zur Förderung von Chancengleichheit und Vielfalt. Seither wurden insgesamt 240 Anträge von Instituten mit einem Gesamtvolumen von 2,3 Mio. € gefördert. Zu den 2023 geförderten institutsspezi- fischen Maßnahmen zählen u. a. Diversity-Sensibilisierungs- konzepte, überwiegend mit dem Schwerpunkt Unconscious Bias, innovative Maßnahmen zur Barrierefreiheit für Men- schen mit Behinderungen und Workshops zur interkulturellen Zusammenarbeit. Der Fraunhofer-weite Rahmenvertrag mit dem pme Fami- lienservice (Kindernotbetreuung, Homecare/Eldercare und Lebenslagencoaching) wurde im Oktober 2023 um zwei Jahre verlängert. Inbegriffen ist seitdem auch die Nutzung der pme Akademie mit Webinaren, E-Learnings und Tipps für den acht- samen Alltag. 2023 gab es neben 9 Nutzungen von Kinder- betreuung 70 Anfragen für Home- und Eldercare und, am stärksten genutzt, 130 Anfragen für Lebenslagen-Coachings. Der von Fraunhofer unterstützte Zertifizierungsprozess zum FamilienLOGO dient dazu, den Stand der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Institut in einem gemeinsamen Dialog zwischen Institutsleitung bzw. Verwaltung und der Beauf- tragten für Chancengleichheit zu überprüfen. Im Rahmen der Zertifizierung werden die folgenden Aspekte abgefragt: Infor- mation und Kommunikation, flexible Arbeitsmöglichkeiten, ins- titutsspezifische Betreuungsangebote, Elternzeit und Wieder- einstieg, Fraunhofer-Unterstützungsangebote und Budget für Vereinbarkeit. Die Möglichkeit der Erst-Zertifizierung nahmen

2023 6 Institute in Anspruch. Davon wurde 4 Instituten das FamilienLogo aufgrund herausragender Rahmenbedingungen für Familienfreundlichkeit verliehen. Insgesamt erhielten seit 2019 24 Einheiten das FamilienLOGO. Fraunhofer setzt sich für chancengerechte und inklusive Rahmenbedingungen der Beschäftigten ein. Inklusion heißt für Fraunhofer, dass Menschen mit und ohne Behinderungen selbstverständlich und gleichberechtigt miteinander arbeiten und forschen können. Zentrales Ziel ist, Rahmenbedingun- gen, Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass diese den Bedürfnissen aller Mitarbeitenden mit und ohne Behinderun- gen gerecht werden sowie vielfaltsbewusstes Handeln dauer- haft in der Unternehmenskultur zu fördern. Für ein Gesamt- konzept zur Förderung der Inklusion wurde 2023 eine Bestands- und Bedarfsanalyse durchgeführt. Entwicklungspo- tenziale wurden insbesondere bei Barrierefreiheit, Sensibilisie- rung und Kompetenzaufbau sowie beim Abbau von Vorurtei- len identifiziert. Daraus wurden erste strategische Maßnahmen abgeleitet. Um für die Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen in Wissenschaft und Forschung zu sensibilisie- ren und um Inklusion zu fördern, haben die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft die Initiative Inklusion ins Leben gerufen. Sie wird von allen zehn Allianzorganisationen getra- gen und unterstützt. Diese umfasst im Wesentlichen: Strategieworkshop im November 2023 Ansatzpunkte zur Förderung von Inklusion in der Wissen- schaft wurden erarbeitet und es wurde eine Maßnahmen- landkarte für 2024 erstellt. Karriereevent im Dezember 2023 Über 100 externe Talente mit Behinderungen informierten sich über Karrierewege in Forschungsorganisationen. Social-Media-Kampagne von November 2023 bis Januar 2024 Gezeigt wurden Impressionen aus dem Strategieworkshop, dem Karriereevent, innovative Forschungsprojekte und ins- pirierende Karrierewege von Menschen mit Behinderung. Nachhaltigkeit im Wissenschaftsbetrieb Ein wesentliches Nachhaltigkeitsziel für Fraunhofer sind klima- freundliche Forschungsprozesse und Infrastrukturen. Deshalb setzt Fraunhofer konkrete Maßnahmen zur Einsparung von Treibhausgasen in einer eigenen Klimastrategie um. Ein wichtiger Baustein ist die Steigerung der Energieeffizienz: An mehreren Instituten wurden Energiemanagementsysteme eingeführt; der flächendeckende Einsatz eines zertifizierten Energiemanagementsystems gemäß ISO 50001 ist in Vor- bereitung. Auch institutsübergreifende Energieeffizienz- und Klimaschutz-Netzwerke wurden initiiert. Hier tauschen sich Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 50 Institute in 4 regionalen Netzwerken über einen Zeitraum von drei Jahren aus, um konkrete Einsparziele nachzuverfol- gen. Die Netzwerke können auf Moderationsunterstützung und externe Energieberatung zugreifen. Zur Finanzierung der nötigen Investitionen in Energieeffizienz- und Klimaschutz- Maßnahmen steht seit Mitte 2023 ein internes Förderpro- gramm zunächst in Höhe von 20 Mio. € zur Verfügung. In den ersten 6 Monaten wurden hierfür bereits Anträge in Höhe von rund 2,1 Mio. € gestellt. Mit der Beschaffung von Grünstrom ab 2023 konnten Fraunhofer-weit geschätzt Emissionen in Höhe von knapp 35 000 Tonnen CO2-Äquivalenten (CO2e) im Vergleich zum Vorjahr eingespart werden. Dieser Wert wurde auf Basis der zur Verfügung stehenden Zahlen zum Gesamtstromverbrauch 2021 hochgerechnet. Im Wärmesektor kann u. a. der Einsatz von Geothermie zur Reduzierung von CO2-Emissionen führen. In 2 im Jahr 2023 gestarteten Klimaschutzprojekten zur ober- flächennahen und mitteltiefen Geothermie werden ausgewähl- te Fraunhofer-Standorte auf Eignung und Nutzungsop- tionen geprüft und in der Umsetzung begleitet. Fortschritte zeigt auch der Ausbau der Eigenenergieversorgung über Photovoltaik (PV). Zum Jahresende 2023, dem Ende des internen PV-Programms, wurden Fraunhofer-weit 64 Photo- voltaikanlagen bewilligt. Das durchschnittliche Antragsvolumen belief sich auf ca. 0,4 Mio. € pro Antrag. Insgesamt wurden 25,0 Mio. € bewilligt, die geplante Leistung beträgt 12,03 MWp. Die erzeugte Strommenge würde ausreichen, um ca. 2600 Vier- personenhaushalte mit Strom zu versorgen. Auf Fraunhofer- Gesamtsicht lassen sich so ca. 5 Prozent des Stromverbrauchs durch diese PV-Anlagen decken. Anzahl PV-Anlagen 64 Durchschnittlicher Antrag 0,4 Mio. € Fördervolumen Installierte Leistung Erwartete Stromerzeugung 25,0 Mio. € 12,03 MWp 12 181 MWh Die Mittel für den Ausbau der Photovoltaikanlagen wurden den Instituten durch ein internes PV-Programm zinslos zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, in kurzer Zeit die Eigenstrom- versorgung durch Photovoltaikanlagen zu verbessern. Die Institute profitieren von der Stromersparnis, mit der sich die Anschaffung einer Photovoltaikanlage in der Regel inner- halb von 10 Jahren rechnet. Während PV-Anlagen im Betrieb kein CO2 freisetzen, muss eine gesamtheitliche Betrachtung auch Herstellung (Vorketten) und Entsorgung der Anlage berücksichtigen. Das Umweltbundesamt beziffert das Treib- hausgaspotenzial für PV-Strom mit einem Anlagenbetrieb 292929 29

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 in Deutschland bei 56 g CO2e/kWh. Der Emissionsfaktor für den Strommix in Deutschland, mit Berücksichtigung der Vorketten, liegt bei ca. 485 g CO2e/kWh im Jahr 2021. Neben der vorteilhaften wirtschaftlichen Komponente hat der PV-Ausbau auch eine überragende Komponente für die Fraunhofer-Klimastrategie. 2023 ist ein weiterer deutlicher Anstieg an Dienstreisen zu verzeichnen. So wurden mit der Bahn 9,3 Millionen Perso- nenkilometer mehr zurückgelegt als noch 2022. Die gesamte zurückgelegte Strecke beziffert sich auf 27,5 Millionen Perso- nenkilometer und entspricht etwa 75 Prozent der Strecke, die 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie – mit der Bahn dienstlich gefahren wurde. Durch die Nutzung des Rahmen- vertrags Bund/Bahn werden die Bahnfahrten für Fraunhofer weiterhin als CO2-neutral ausgewiesen. Deutlich zugenommen haben auch die Flugreisen. Mit einem Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sind für 2023 genau 16,315 Tonnen CO2e zu bilanzieren (Daten und Berechnung durch AirPlus / atmosfair).* Dies entspricht 71 Prozent der Emissionen des Jahres 2019. Die Emissionen der Flüge aus dem Jahr 2022 wurden im Laufe des Jahres 2023 über ein nepalesisches Biogasprojekt von atmosfair neutral gestellt. Für die Flugemis- sionen aus dem Jahr 2023 ist ebenfalls eine Kompensations- leistung geplant. Gesamtabfallzahlen sind mit einem Jahr Verzögerung und derzeit nur für 2022 verfügbar. Gemäß diesen fielen im Jahr 2022 an den Fraunhofer-Instituten 5349 Tonnen nichtgefähr- liche und knapp 579 Tonnen gefährliche Abfälle an. Bei der Unterscheidung zwischen gefährlichen und nichtgefährlichen Abfällen entspricht Fraunhofer der gesetzlichen Vorgabe der Abfallverzeichnisverordnung. Dies bedeutet einen weiteren leichten Rückgang für nichtgefährliche Abfälle und zudem einen Rückgang von mehr als 100 Tonnen für gefährliche Abfälle im Vergleich zu 2021. Viele Institute befinden sich in einer Einmietung. Dort werden die klassischen nichtgefähr- lichen Siedlungsabfälle (Papier, Restmüll, Kunststoffe usw.) teilweise durch den Vermieter oder bei Kooperationen durch die Hochschulen entsorgt. In diesen Fällen erfolgt eine grobe Schätzung. Die übermittelten Daten umfassen nicht restlos alle Fraunhofer-Einrichtungen und -Institute. Die Reduktionen bei nichtgefährlichen Abfällen gehen auf die Bemühungen der Institute zurück. Die Schwankungen im Bereich gefähr- liche Abfälle sind zu großen Teilen durch Forschungsprojekte zu erklären: Die meisten Abfälle fallen projektbezogen an und sind nicht direkt steuerbar. CO2-Emissionen bei Dienstreisen der Fraunhofer- Beschäftigten in Tonnen 23 007 16 315 10 817 3142 1427 0 0 0 0 0 2019 2020 2021 2022 2023 Flugemissionen berechnet nach VDR-Methode + RFI 2,7 (erfasst ab 2019) Bahnreisen: CO2-neutral durch Teilnahme am Rahmenvertrag Bund / Bahn, laut Angaben der Deutschen Bahn Abfallaufkommen der Fraunhofer-Institute in Tonnen 5632 5954 5694 5505 5349 XX 818 801 710 711 579 2018 2019 2020 2021 2022 * Um die gesamte Klimawirkung der Flüge von Fraunhofer-Mitarbeitenden zu berücksichtigen, werden seit dem Beschluss zur Kompensation von Flug- reisen im Jahr 2019 die flugbedingten Emissionen nach VDR-Methode mit einem Radiative Forcing Index (RFI) 2,7 berechnet. Im Sinne der Transparenz werden diese entsprechend ausgewiesen. Nichtgefährliche Abfälle Gefährliche Abfälle 303030

Risiken und Ausblick Risikomanagement und Risiken Die Risikosituation der -Gesellschaft zeigt in der Gesamt- bewertung weiterhin Gefährdungspotenziale wie für viele weitere Einrichtungen und Unternehmen. Gründe liegen in der anhaltenden Polykrise mit geopolitischen Spannungen, Preissteigerungen und eingetrübter Wirtschaftslage. Für Fraunhofer kommt hinzu, dass nach den Berichten des Bun- desrechnungshofs und anhaltenden Prüfungen Vertrauen der Stakeholder, der Kooperationspartnerinnen und -partner und der Öffentlichkeit zurückgewonnen werden muss. Schritte zu einer entsprechenden Anpassung der Governance und zu Effizienzsteigerungen in den Geschäftsprozessen wurden noch zum Jahresende 2023 eingeleitet. Gegenwärtig ergibt sich jedoch keine nachhaltige Gefährdung für die Fraunhofer- Gesellschaft im nächsten Jahr. Unter dem Begriff Risiko versteht Fraunhofer alle internen und externen Ereignisse und Entwicklungen, die den Erfolg der Gesellschaft gefährden können. Hierzu zählen sowohl direkt Regelkreis des Risikomanagements Analyse und Bewertung Identifikation Monitoring Steuerung Reporting Verbesserungs- / Weiterentwicklungsprozess Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 monetär ermittelbare als auch qualitative Risiken. Das Risiko- management bei Fraunhofer verfolgt das Ziel, vorhandene und potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und durch geeig- nete Maßnahmen so zu steuern, dass der Risikoeintritt ent- weder abgewendet werden kann oder keine Folgen entfaltet, welche die Erfüllung des satzungsgemäßen Auftrags bzw. den Erfolg der Fraunhofer-Gesellschaft gefährden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Risikomanagementsystem etabliert, das die Anforderungen und die Struktur der -Gesellschaft berücksich- tigt und fortlaufend weiterentwickelt wird. Der Regelkreis des Risikomanagements beinhaltet eine jährliche systematische und standardisierte Risikoerhebung mit den Risikoexpertinnen und -experten in den Fachabteilungen. Ergänzend werden über- greifende High-Level-Risikoabfragen beim leitenden Manage- ment durchgeführt. Dabei identifiziert das Führungspersonal unabhängig von den verantworteten Themen die aus ihrer Sicht größten Risiken für die Fraunhofer-Gesellschaft inklusive Maßnahmenvorschlägen. Diese Informationen sowie externe Risikobetrachtungen werden für Vollständigkeits- und Plausibi- lisierungsprüfungen verwendet. Die durch die standardisierte Risikoinventur erhobenen Einzelrisiken inklusive der Maßnah- men werden im Anschluss für die jährliche Berichterstattung an den Vorstand zu den entsprechenden Risikothemen zusam- mengefasst und gesamthaft bewertet. Daneben informieren die Fachabteilungen den Vorstand im Rahmen bestehender Berichtswege regelmäßig bzw. anlassbezogen über relevante Risikoentwicklungen. Das Fraunhofer-spezifische Risikokategorisierungsmodell bildet den Rahmen für die jährliche Risikoerhebung und den darauf aufbauenden Risikobericht an den Vorstand. Es besteht in der ersten Ebene aus vier Risikofeldern (Geschäftsmodell, Finanzen, Ressourcen und Operatives Geschäft). Auf der zweiten Ebene wurden diesen vier Risikofeldern bisher 19 Fraunhofer-spezi- fische Risikothemen zugeordnet. Das Risikofeld Geschäftsmodell umfasst Risikothemen, welche die Fortführung und Weiterentwicklung des Fraunhofer- Geschäftsmodells gefährden können. Dies betrifft sowohl wichtige externe Rahmenbedingungen als auch Risiken hin- sichtlich der internen Ausgestaltung des Geschäftsmodells. Durch die aktuelle Polykrise – Krieg im Nahen Osten und in der Ukraine, Lieferkettenunterbrechungen, hohe (Energie-) Preise, Auswirkungen des Klimawandels und Fachkräfteman- gel – ist in Bereichen des Forschungsportfolios weiterhin mit negativen Auswirkungen zu rechnen. Fraunhofer führt daher die bereits laufenden Aktivitäten in der strategischen Portfo- liosteuerung fort. Im Risikofeld Finanzen stehen Risikothemen im Fokus, die die Finanzierung der Forschungstätigkeit bzw. die Zahlungsfä- higkeit bedrohen können. Das Fraunhofer-Finanzierungsmo- dell basiert auf den drei Finanzierungssäulen (Grundfinanzie- rung, öffentliche Erträge und Wirtschaftserträge), die je rund 31 313131

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 ein Drittel zur Finanzierung beitragen. Aufgrund des aktuell angespannten Bundeshaushalts und der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung können potenzielle Budgetkür- zungen der Zuwendungsgeber oder Einschränkungen in der Haushaltsflexibilität zu einem Rückgang an öffentlichen Mitteln führen. Mit der Höhe der Grundfinanzierung entsteht ebenfalls Druck auf die Finanzierung von Fraunhofer, da die Inflations- rate die vereinbarte Steigerung der Grundfinanzierung im Pakt für Forschung und Innovation übersteigt und somit eine reale Kürzung eingetreten ist. In dieser herausfordernden Zeit ist es essenziell, dass sich die Institute und das Forschungsportfolio auch nachhaltig erfolgreich im Fraunhofer-Modell finanzieren. Erforderliche Maßnahmen zeigen sich im Konsolidierungskurs. Der relative Anteil der Wirtschaftserträge liegt mit 29,7 Prozent wegen des 2023 weiterhin hohen Volumens der öffentlichen Projekterträge leicht unter dem von Fraunhofer gesetzten Ziel- wert von rund einem Drittel. Um die Fraunhofer-Mission der Wirtschaftskooperationen konsequent umzusetzen, wird u. a. das Leistungsangebot optimiert und das Forschungsportfolio angepasst. Dennoch hängt eine Steigerung der Wirtschaftser- träge vom konjunkturellen Umfeld ab. In vergangenen Krisen- zeiten erwies sich das Fraunhofer-Finanzierungsmodell als sehr robust, sodass die Fraunhofer-Gesellschaft weiterhin davon ausgeht, einen ausgewogenen Finanzierungsmix zu erreichen. Um den Anteil der institutionellen Förderung an der Gesamtfi- nanzierung nachhaltig zu sichern, betreibt Fraunhofer ein vor- ausschauendes Wachstumsmanagement und wirbt für eine missionsgerechte, erfolgsbasierte institutionelle Förde- rung von Bund und Ländern sowie für forschungsgerech- te Bewirtschaftungsbedingungen. Die derzeit geltenden Bewirtschaftungsgrundsätze erlauben es Fraunhofer, flexibel, effizient und eigenverantwortlich zu agieren. Eine Einschrän- kung dieser Möglichkeiten hätte die Folge, dass die Risiko- und Liquiditätsvorsorge und damit die Anpassungs- und Reaktions- fähigkeit der Gesellschaft stark begrenzt würden. Von Bund, Ländern und der EU (EFRE) mitfinanzierte Bau- und Erstausstattungsvorhaben unterliegen Vorgaben hin- sichtlich der zeitlichen Mittelverwendung. Deutliche Verzö- gerungen im Projektfortschritt können zu einem verspäteten Mittelabfluss bis hin zum Verfall der bereitgestellten Mittel führen. Durch das bei Fraunhofer etablierte Baucontrolling wird der Projektfortschritt von Bau- und Erstausstattungs- vorhaben überwacht und es werden Möglichkeiten für eine Beschleunigung der Projektabwicklung untersucht. Zudem werden strategische Maßnahmen bzgl. der Festlegung von Bauvolumina und Prioritäten ergriffen. Investitionen und der Erhalt von Forschungsinfrastrukturen sind wesentliche Fakto- ren für Fraunhofer, in der Zukunft weiter erfolgreich agieren zu können. 323232 Das Risikofeld Ressourcen umfasst Risiken, die eine Bedro- hung der materiellen und immateriellen Ressourcen für eine erfolgreiche Forschungstätigkeit darstellen können. Durch die anhaltenden makroökonomischen und geopolitischen Unsicherheiten hat die Fraunhofer-Gesellschaft verschiedene Herausforderungen zu bewältigen. So können im Energie- bereich Risiken von Ausfällen oder Preissteigerungen nicht ausgeschlossen werden. Die Fraunhofer-Gesellschaft setzt weiterhin Maßnahmen zur Steigerung der resilienten und nachhaltigen Energieversorgung sowie zur allgemei- nen Resilienz und Krisenfähigkeit um. Seit 2022 wird die effiziente Gestaltung von Geschäftsprozessen im Forschungs- management vorangetrieben. Im Rahmen der Umstellung auf das SAP S/4HANA-System bestehen weiterhin Herausfor- derungen, insbesondere hinsichtlich der Durchlaufzeiten bei einzelnen Geschäftsprozessen. So werden bereits Maßnahmen zur Effizienzsteigerung von Geschäftsprozessen, wie bei Ein- kaufsprozessen, und deren Compliance-konformer Einhaltung umgesetzt. Auch an der Weiterentwicklung der maßgeschnei- derten SAP-Werkzeuge zur Abrechnung von nachweisinten- siven öffentlichen Projekten mit sehr heterogenen formalen Anforderungen wird weiterhin gearbeitet. Die Reputation der Fraunhofer-Gesellschaft und ihrer Marke ist ein wertvolles Asset und bildet die Grundlage für langfristi- ge Kooperationen und wirtschaftlichen Erfolg. Fraunhofer legt großen Wert auf eine verantwortungsvolle Unternehmens- führung. Dies beinhaltet selbstverständlich die Einhaltung aller gesetzlichen und zuwendungsrechtlichen Vorgaben sowie die Anforderungen der Kundinnen und Kunden und Kooperationspartnerinnen und -partner. Ebenso ist die gute wissenschaftliche Praxis die Basis für alle Forschungstätig- keiten bei Fraunhofer. Reputationsschäden infolge negativ konnotierter Berichterstattung und durch Verzögerungen im Geschäftsverkehr sind daher eine ernst zu nehmende Bedro- hung. Fraunhofer ist sich bewusst, dass Verfehlungen Einzel- ner nicht vollständig ausgeschlossen werden können und diese auch zu Reputationsschäden führen können. Um solche Risiken frühestmöglich zu identifizieren und Auswirkungen zu minimieren, legt Fraunhofer einen Fokus auf die kontinuierliche Weiterentwicklung von Compliance, Kommunikation, Markenmanagement sowie dezidiertem Monitoring (siehe S. 23, »Aspekte der Nachhaltigkeit, Neuausrichtung des Compliance-Management-Systems«). Im Risikofeld Operatives Geschäft sind Risiken zusammen- gefasst, die aus den Prozessen in Forschung und Verwaltung bzw. der Durchführung von konkreten Forschungsvorhaben erwachsen können. Die zunehmenden regulatorischen Anfor- derungen stellen für eine Forschungsgesellschaft der ange- wandten Forschung mit einem sehr breiten Branchenportfolio eine Herausforderung dar und binden Kapazitäten, die für die Gestaltung der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und Gesell- schaft notwendig sind.

Fraunhofer-Risikokategorisierungsmodell Risikofelder Geschäftsmodell Finanzen Ressourcen Operatives Geschäft Die Bedeutung von Nachhaltigkeit nimmt nicht nur aufgrund stärkerer Auswirkungen des Klimawandels zu, sondern auch durch gesellschaftliche, kundenseitige und regulatorische Anforderungen. Daher wird eine ganzheitliche Koordination aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen (Umwelt, Soziales und Governance) weiterentwickelt und in die Gesamtstrategie und Organisationsstruktur integriert. Zudem werden klare Ver- antwortlichkeiten, Aufgabenbeschreibungen und Ressourcen für die operative Umsetzung der geplanten regulatorischen Anforderungen wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder der Corporate Sustainability Due Dili- gence Directive (CSDDD) im Rahmen von Umsetzungsprojek- ten definiert. Der sichere Umgang mit Informationen und Daten ist für eine wissensbasierte Forschungsgesellschaft von entscheiden- der Bedeutung. Gegenwärtig steigt das Risiko durch Cyber- angriffe (Ransomware, Cyberspionage) angesichts der zuneh- menden internationalen Konflikte weiter. Dem wird durch kurzfristige Maßnahmen wie einer verbesserten Daten- sicherung und die längerfristige Maßnahme einer sichereren IT-Architektur (Zero Trust-Prinzipien), die im Vorstandsprojekt Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 Risikothemen Beihilferecht Gemeinnützigkeit, Steuern Verwertung, Ausgründungen Unternehmensstrategie, Portfoliosteuerung Internationale Aktivitäten Grundfinanzierung Öffentliche Erträge Wirtschaftserträge Aufwand Betrieb / Investitionen / Bau Liquidität, Vorfinanzierung, sonstige finanzielle Risiken Personal IP, Know-how Infrastruktur Finanzvermögen, Reserve Reputation, Marke Leistungserbringung, vertragliche Risiken Rechtliche Risiken Informationssicherheit Ordnungsmäßigkeit, interne Kontrollsysteme zur Cybersicherheit erarbeitet wird, entgegengewirkt. Gefah- ren durch den Einsatz disruptiver Technologien wie (generati- ver) Künstlicher Intelligenz (KI) oder Quantencomputing sollen dabei ebenfalls berücksichtigt werden. Ausblick Fraunhofer ist für das Geschäftsjahr 2024 trotz der größer werdenden wirtschaftlichen Herausforderungen weiterhin finanziell stabil aufgestellt. Aufgrund eines im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höheren Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst werden die Personalaufwendungen als größter Kostenblock deutlich ansteigen. Zudem planen die Institute ein – im Vergleich zu 2023 allerdings merklich abgeschwächtes – Personalwachs- tum. Auch wenn der Höhepunkt der Inflation zwischenzeitlich überschritten scheint, müssen die erhöhten Beschaffungs- kosten dauerhaft finanziert werden. Bei der Versorgung mit Strom und Gas hat Fraunhofer über Rahmenverträge für 2024 Preissicherheit. In Summe ist für die Sachaufwendungen 333333

Bericht des Vorstands I Lagebericht 2023 mit einer nur leichten Steigerung zum Vorjahr zu rechnen. Bei annähernd konstanter Investitionstätigkeit erwartet Fraunhofer einen zum Vorjahr deutlich geringeren Anstieg des Finanzvolumens. Kommunikationstechnologie entwickeln die Fraunhofer- Forschenden beispielsweise im Rahmen der Initiative GreenICT@FMD. Auf der Finanzierungsseite verzeichnet Fraunhofer aus aktu- eller Sicht für 2024 eine gute Auftragslage. Im Bereich der öffentlich finanzierten Förderprojekte ist das geplante Ertragswachstum bereits über einen hohen Auftragsbestand nahezu abgesichert. Herausfordernd bleibt die Situation bei den Wirtschaftserträgen. Angesichts der von immer größeren Unsicherheiten geprägten wirtschaftlichen Gesamtlage würde der von den Instituten geplante absolute Anstieg einen Erfolg darstellen. Entsprechend wird ein deutlicher Anstieg des Finan- zierungsanteils der Wirtschaftserträge voraussichtlich nicht stattfinden. Der Einfluss der sich zuspitzenden Entwicklungen der Weltpolitik (Russland-Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt) gepaart mit der Gefahr einer fortdauernden wirtschaftlichen Rezession in Deutschland auf die Geschäftsentwicklung von Fraunhofer ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abschätzbar. Gleichzeitig erhöht sich der Transformationsbedarf Deutsch- lands und Europas und erfordert mehr Geschwindigkeit, wenn die internationale Wettbewerbsfähigkeit und der Wohlstand auch zukünftig erhalten bleiben sollen: Heraus- forderungen sind der globale Wettbewerb um Ressourcen- und Technologiemonopole sowie um Fachkräfte, die zunehmenden geopolitischen Auseinandersetzungen, die sich verschärfende Klimakrise, die Destabilisierung von Gesellschaften durch geziel- te Informationsverfälschung, Cyberangriffe und Anschläge auf Infrastrukturen und nicht zuletzt disruptive Veränderungen durch generative KI und die Plattformökonomien. Fraunhofer ist mit seiner Mission der anwendungsorientierten Forschung und der Beschleunigung von Transfer in besonde- rer Weise gefordert, durch ganzheitliche Lösungsansätze die Wirtschaft und die Gesellschaft resilienter zu gestalten sowie die digitale und nachhaltige Transformation konsequent vor- anzutreiben. Besondere Chancen ergeben sich für Europa und Deutschland bei den Rechnern und Mikrochips der nächs- ten Generation. Denn der nächste große Technologiezyklus wird auf forschungsintensiven Technologien wie Quanten- oder neuromorphen Rechnern (QNC) beruhen. Solche Entwicklungen werden unter dem Dach der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) zusammen mit weiteren Partnerinnen und Partnern vorangetrieben, damit Deutschland und Europa nicht nur wettbewerbsfähig bleiben, sondern sich auch Zugang zu Produktionsstätten aufbauen können, etwa unter dem Dach des Moduls QNC Space. Eine breite Techno- logiebasis stellt dort sicher, dass verschiedenste Ansätze für Quantencomputing – supraleitend, neutrale Atome, Ionenfal- len oder Quantenpunkte sowie z. B. Memristoren für neuro- morphes Computing – erprobt werden können. Lösungen und Verfahren für eine ressourcenschonendere Informations- und 343434 Über die digitalen Lösungen hinaus gilt es in allen Schlüssel- technologien, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz von Anfang an mitzudenken – etwa die Nutzung nachwachsender Rohstoffe, die Wiedergewinnung kritischer Materialien durch Kreislaufwirtschaft oder die Beseitigung umwelt- und gesund- heitsschädlicher Stoffe. Auch Strategien und Technologien gegen den Klimawandel und seine Folgen werden immer dringlicher. In diesem GreenTech-Bereich haben Deutsch- land und Europa einen Vorsprung, nicht zuletzt aufgrund von Fraunhofer-Technologien. Diesen gilt es zu nutzen, um als First Mover internationale Akzente zu setzen und Entwicklungen und Geschäftsmodelle schnell in den Markt zu transferieren. Damit die Fraunhofer-Forschungsergebnisse auf den viel- fältigen Transferpfaden in Wirtschaft und Gesellschaft Wirkung erzielen können, müssen innovationsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Beispiele sind Experimentierräume, in denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Berücksichtigung von EU-Beihilferecht, Gemeinnützigkeitsaspekten und anderen Regularien Schulter an Schulter mit der Wirtschaft unter marktorientierten Bedin- gungen zusammenarbeiten – z. B. für generative KI-Lösungen zur Linderung des Fachkräftemangels. Die sogenannte doppelte Transformation – also die digitale und nachhaltige Transformation – kann unter erschwerten Bedingungen nur durch schnellere Umsetzung gelingen. Mehr Tempo auf dem Weg von Konzepten zu Lösungsvorschlägen kann nur mit weniger hemmender Bürokratie und einem stärkeren Miteinander von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gelingen. Neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle wie der Ausbau von Reallaboren und neue Kooperationsformen für die gemeinsame Nutzung von Spitzenforschungsin- frastrukturen insbesondere durch Wirtschaftsunterneh- men sind mögliche Ansätze für Fraunhofer. Der Vorstand dankt den Mitgliedern, Förderern, Freundinnen und Freunden und insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraunhofer-Gesellschaft für ihre Unterstüt- zung und ihren engagierten Einsatz im Jahr 2023. Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. Der Vorstand Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka Elisabeth Ewen Dr. rer. pol. Sandra Krey Prof. Dr. rer. nat. Axel Müller-Groeling

Bericht des Senats I Bericht des Senats zum Geschäftsjahr 2023 Bericht des Senats zum Geschäftsjahr 2023 Fraunhofer-Präsident Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka leitete gemeinsam mit dem Vorstand und in enger Koordination mit den Instituten eine Neuausrichtung der Gesellschaft ein, die auf den Ausbau und die Stärkung der Rolle der Fraunhofer- Gesellschaft vornehmlich mit Blick auf wertegeleitete For- schung sowie den erfolgreichen Transfer von Ideen und Inno- vationen in die deutsche und europäische Wirtschaft abzielt. Mit Besinnung auf das Alleinstellungsmerkmal des Fraunhofer- Modells rücken dabei insbesondere Wirtschaftserträge durch Vertragsforschung und Lizenzierung, aber auch Ausgründun- gen wieder stärker in den Mittelpunkt, um Fraunhofer-For- schung und -Entwicklungen über nachhaltige und innovative Geschäftsmodelle in den Markt zu transferieren. Dies stellt einen substanziellen Beitrag für die Innovationsfähigkeit Deutschlands und Europas dar. In der Rolle als Innovationsmotor ist Fraunhofer besonders im Transfer für die digitale und nachhaltige Transformation gefordert. Ausgehend von der Initiative OpenGPT-X für große europäische Sprachmodelle der Künstlichen Intelligenz (KI) engagiert sich Fraunhofer für wertebasierte Entwicklungen von generativer KI. Zukünftige Modelle sollen verlässliche Faktenchecks, Quellentreue und Datenkontrolle bieten, spe- ziell für wirtschaftliche Anwendungen. Weitere Wachstums- chancen ergeben sich für Europa und Deutschland bei den Rechnern und Mikrochips der nächsten Generation auf Basis von Quanten- oder neuromorphen Rechnern (QNC). Im Vor- dergrund steht dabei die Mitgestaltung der technologischen Entwicklung. Ein Bündnis von Fraunhofer- und Leibniz-Insti- tuten treibt unter dem Dach der Forschungsfabrik Mikroelek- tronik Deutschland (FMD) Innovationen hierzu voran, etwa mit Verfahren für ressourcenschonendere Informations- und Kommunikationstechnologie innerhalb der Initiative GreenICT@FMD. Hildegard Müller, Vorsitzende des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft Das Jahr 2023 stand ganz im Zeichen des Wandels. In Zeiten eines angespannten wirtschaftlichen Umfelds und notwendiger interner Veränderungen hatte sich auch die Fraunhofer-Gesellschaft mit diversen Herausforderungen zu befassen. Fraunhofer konnte dank des gemeinsamen und engagierten Einsatzes der knapp 32 000 Mitarbeiten- den einen stabilen und zielgerichteten Kurs halten. Dieser umfasst u. a. zahlreiche interne Neuerungsprozesse, die auch der Senat mit auf den Weg gebracht hat und die durch ihn eng begleitet werden. Auf diese Weise wird die Zukunftsfähigkeit der Fraunhofer-Gesellschaft gefestigt, damit sie ihrem Auftrag als bedeutender Partner für einen innovativen, nachhaltigen und prosperierenden deutschen und europäischen Wirtschaftsstandort weiter- hin in vollem Umfang nachkommen kann. Die Fraunhofer-Gesellschaft bleibt auch im Geschäftsjahr 2023 auf einem wirtschaftlich stabilen Kurs. Das Finanzvolumen stieg 2023 moderat auf 3,4 Mrd. €. Der Bereich Vertrags- forschung verzeichnete einen Zuwachs auf 3,0 Mrd. €. Dabei erreichten die Wirtschaftserträge (einschließlich Lizenzen) einen Höchststand von 836 Mio. € – ein Trend, der sich auch in Zukunft verstetigen soll. Der 2023 vom Senat neu gewählte 333666 n n a m z t u B k n m o D i i : o t o F

Bericht des Senats I Bericht des Senats zum Geschäftsjahr 2023 Für das Erreichen einer ökologischen, sozialen und wirtschaft- lichen Nachhaltigkeit engagiert sich Fraunhofer in besonderer Weise: So wird der industrielle Hochlauf einer Industrie mit grünem Wasserstoff als Energieträger vom Fraunhofer- Wasserstoff-Netzwerk mit knapp 40 Instituten begleitet. 19 Fraunhofer-Institute engagieren sich im Projekt »H2GO – Nationaler Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion« für einen CO2-neutralen Schwerlastverkehr. Nicht zuletzt geht 2024 bei der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) mit der »FFB PreFab« eine Musterlinie in Betrieb. In seiner außerordentlichen Sondersitzung am 28. April 2023 beschloss der Senat die Gründung eines temporären »Senatsausschusses für Vorstandsangelegenheiten«, der die Vorstandspraxis im Zusammenhang mit den Ergebnis- sen des Berichts des Bundesrechnungshofs »Ausgewähl- te Aspekte der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraunhofer-Gesellschaft« und den damit im Zusammenhang stehenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ehemalige Vorstandsmitglieder begleitet und dem Senat Handlungsoptionen und -bedarfe vorschlägt. Von den Forschenden aus den Fraunhofer-Instituten kommen entscheidende Impulse und Beiträge für die zentralen Heraus- forderungen unserer Zeit. Damit sich Fraunhofer-Beschäftigte ihren Aufgaben wirksam widmen können, braucht es ein Rahmenregelwerk, das eine gemeinsame und moderne Com- pliance-Kultur definiert. Davon ausgehend wurde im Herbst 2023 durch den Senat eine »Governance-Reform« gemeinsam mit dem Präsidenten und dem Vorstand initiiert mit dem Ziel, die Corporate Governance der Fraunhofer-Gesellschaft in eine zeitgemäße Governance-Struktur zu überführen, die der gewachsenen Fraunhofer-Gesellschaft und ihrem Auftrag in der Wirtschafts- und Wissenschaftslandschaft Rechnung trägt. Dieser Reformierungsprozess knüpft an den Verbesserungs- impulsen des Bundesrechnungshofs, des Senats, des Zuwen- dungsgebers und des Vorstands an. Diesem herausragenden und für die Zukunft richtungsweisenden Projekt werden sich alle Verantwortlichen widmen. Der Senat nahm im Jahr 2023 die ihm satzungsgemäß oblie- genden Aufgaben wahr. Er tagte im Geschäftsjahr 2023 fünf Mal: Neben seinen regulären und hybrid abgehaltenen Sit- zungen am 25. Mai und am 26. Oktober fanden drei weitere außerordentliche Sonder-Senatssitzungen am 28. April, am 24. Juli sowie am 1. September im digitalen Sitzungsformat statt. Wesentliche Beschlüsse betrafen Vorstandsangelegen- heiten und die Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft: Ausgehend vom Rücktritt von Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer wählte der Senat auf Empfehlung eines dafür beauftragten »Senatsausschusses zur Neu- und Wieder- wahl von Vorstandsmitgliedern« in seiner Sitzung vom 25. Mai 2023 Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka einstimmig zum neuen Präsidenten und Vorstand für das Ressort »Unternehmensstrategie, Forschung und Kommunikation«. Prof. Dr.-Ing. Hanselka trat sein Amt als Vorstandsmitglied und Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zum 15. August 2023 an. Bis zu seinem Amtsantritt leitete Dr. Sandra Krey, Vorständin des Ressorts »Finanzen und Controlling«, die Fraunhofer-Gesellschaft interimistisch. Basierend auf den Erkenntnissen der Prüfungen der Vor- standspraxis beschloss der Senat in seiner außerordent- lichen Sondersitzung vom 1. September 2023 die sofortige Abberufung von Prof. Dr. Alexander Kurz als Vorstands- mitglied der Fraunhofer-Gesellschaft. Hierüber haben die Mitgliederversammlung sowie die Fraunhofer-Mitarbeiten- den umgehend eine Senatsinformation erhalten. In seiner Sitzung vom 26. Oktober gründete der Senat daraufhin einen »Senatsausschuss zur Neu- und Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern« und beauftragte diesen, sich mit der Nachbesetzung des Vorstandsressorts »Forschung und Transfer« (VA) zu befassen und dem Senat spätestens zu seiner Sitzung im Juni 2024 eine geeignete Kandidatin bzw. einen geeigneten Kandidaten vorzuschlagen. Bis zur Nachbesetzung leitet Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka dieses Ressort kommissarisch. Der Senat stimmte weiterhin der Gründung der »Fraunhofer Spain Research Foundation« in Form einer Stiftung spani- schen Rechts durch die Fraunhofer-Gesellschaft als alleinige Stifterin mit dem Zweck zu, diese als Rechtsträgerin für das geplante »Fraunhofer Center for Applied Theragnostics« und zukünftige Forschungseinheiten von Fraunhofer-Institu- ten in Spanien zu etablieren. Darüber hinaus haben der Jahresabschluss und der Lagebe- richt der Fraunhofer-Gesellschaft erneut den uneingeschränk- ten Bestätigungsvermerk der beauftragten Wirtschaftsprü- fungsgesellschaft erhalten. Der Senat dankt dem Vorstand sowie allen Mitarbeitenden der Fraunhofer-Gesellschaft ausdrücklich für ihr hohes Enga- gement und die erfolgreiche Arbeit im Geschäftsjahr 2023. Ich bin zuversichtlich, dass mit diesem Engagement und der hohen Kompetenz und Exzellenz der Mitarbeitenden eine erfolgreiche Zukunft gestaltet werden kann. Hildegard Müller Vorsitzende des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft 373737

Bericht des Vorstands I Neu im Senat Neu im Senat Otto Fricke Ass. iur., Rechtsanwalt | MdB | Mitglied im FDP- Bundesvorstand | haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Otto Fricke absolvierte sein Jurastudium 1992 in Freiburg und schloss das Zweite Staatsexamen 1995 mit Prädikat beim Land Nordrhein-Westfalen ab. Der Volljurist und Rechtsanwalt war kurze Zeit Referent der FDP-Landtagsfraktion NRW und anschließend bis 2002 parlamentarischer Berater der FDP-Bun- destagsfraktion. Seit 1995 ist der gebürtige Krefelder in der Kanzlei Fricke & Fricke tätig. Von 2014 bis 2017 war Fricke neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt Partner der interna- tionalen Unternehmensberatung CNC – Communications & Network Consulting AG. Mitglied des Deutschen Bundestags ist Otto Fricke seit 2002. Bereits in fünf Legislaturperioden war und ist Fricke Mit- glied des Haushaltsausschusses, in der 16. Legislaturperiode 2005 – 2009 (Kabinett Merkel I) dessen Vorsitzender. In den vergangenen Jahren seien eine Reihe von Krisen haushalts- politisch bewältigt worden, erinnert er sich und plädiert entschieden für eine Rückkehr des Bundeshaushalts auf das Normalmaß – entsprechend der Verfassung. Fricke, dessen 383838 Bruder Maschinenbauingenieur ist, sieht an vielen Stellen Technik als den Schlüssel zur Lösung der Probleme unserer Zeit: »Wir müssen technologische Innovationsfreude mit staatlicher Unterstützung zum Wohle unserer Zukunft verbinden. Häufig unterschätzen wir den Einfluss privater Investitionen, dabei machen sie rund 80 Prozent aus. Nur, wenn wir diese private Investitionslust staatlich loslassen und ermöglichen, können wir die kommenden Herausforderungen meistern.« Neben seiner Funktion im Haushaltsausschuss ist Fricke Mitglied im FDP-Bundesvorstand. Er gehört zudem dem Rechtsausschuss, dem Bundesfinanzierungsgremium, dem Vertrauensgremium und dem Sondergremium zum Stabili- sierungsmechanismusgesetz an. Der Familienvater ist ehren- amtlich u. a. als Vorsitzender der Deutsch-Niederländischen Parlamentariergruppe tätig, ist Kuratoriumsmitglied von World Vision Deutschland e. V. sowie Mitglied des Stiftungsrats der Leo Baeck Foundation. Für sein Engagement wurde Otto Fricke 2020 mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt. Er ist zudem Großoffizier des Ordens von Oranje-Nassau. s l e f u a K n a i t s i r h C / e k c i r F o t t O : o t o F »Wir müssen techno-logische Innovations-freude mit staatlicher Unterstützung zum Wohle unserer Zukunft verbinden.«

Bericht des Vorstands I Neu im Senat Neu im Senat Ihren Weg in die Politik fand Anja Reinalter über ihre ehren- amtlichen Tätigkeiten. Sie ist seit 2009 als Kommunalpoliti- kerin im Stadtrat und Kreistag des Landkreises Biberach tätig. 2011 wurde sie für herausragendes kommunalpolitisches Engagement mit dem Helene-Weber-Preis ausgezeichnet. Von 2019 bis 2021 war sie die Erste Vorsitzende des überfraktio- nellen Landesfrauenrats Baden-Württemberg. »Es geht nicht nur darum, gemeinsam über eine Sache zu reden, sondern es geht darum, gemeinsam eine Sache besser zu machen und sie umzusetzen. Ich bin eine Verfechterin von vielfältigen Gremien. Wenn möglichst viele Lebenswelten demokratisch repräsentiert sind, kann gerechtere Politik für alle Menschen gemacht werden.« Die Frage, wie den sich wandelnden Bedarfen und Bedürf- nissen in der Gesellschaft gerecht zu begegnen ist und wie unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig und zukunfts- fest werden, beantwortet sie mit der Forderung nach mehr sozialen Innovationen und gestaltungsorientierter Forschung als Grundlage wissenschaftsbasierter Politik. 393939 Prof. Dr. phil. Anja Reinalter Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit an der Hochschule Kempten | MdB | Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen Anja Reinalter ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundes- tags. Sie ist Parlamentarische Geschäftsführerin, Mitglied im Fraktionsvorstand und Personalvorständin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Sie hat einen Vollsitz im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und ist stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Reinalter ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit an der Hochschule Kempten. Aus- und Weiterbildung und lebens- langes Lernen bezeichnet sie als entscheidende Instrumente für die nötige Transformation der Arbeitswelt. Die Gleich- wertigkeit beruflicher und akademischer Bildung ist für sie ein bildungswissenschaftliches und bildungspolitisches Ziel. e g E a e r d n A : o t o F »Um mit der wachsenden Veränderungsdynamik Schritt halten zu können, werden auch mehr soziale Innovationen benötigt werden. Soziale Innovationen sind der Motor für gesellschaftliche Transformation. Sie haben das Potenzial, unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig und zukunftsfest zu machen, und sie haben die Kraft, die Art und Weise, wie wir mit Krisen umgehen, wie wir zusammenleben, arbeiten und konsumieren, zu verändern.«

Bericht des Vorstands I Neu im Senat Neu im Senat Sönke Rix Erzieher | MdB | stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion Sönke Rix, geboren in Eckernförde, gehört dem Deutschen Bundestag seit 2005 als Abgeordneter für den Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde an. Von 2005 bis 2021 war er Mitglied im Ausschuss Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Heute ist er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion für die Bereiche Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie Bildung und Forschung. Er ist zudem Mitglied im Vorstand der Parlamentarischen Linken. Für seine langjährige Arbeit im Ausschuss Familie, Senioren, Frauen und Jugend bringt Rix seine Erfahrungen als staatlich anerkannter Erzieher ein. Während seiner Ausbildung besuchte er die Fachschule für Sozialpädagogik in Kiel und arbeitete zeit- gleich und danach an der Integrierten Gesamtschule Eckernför- de (heute: Peter-Ustinov-Schule). Den Zivildienst und das Aner- kennungsjahr absolvierte er in der Eckernförder Werkstatt, Teil der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie. Dort war er auch als Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung tätig. Er engagier- te sich zudem in der Mitarbeitendenvertretung der Werkstätten Rendsburg-Eckernförde. Bis heute ist er ver.di-Mitglied. 404040 Für Rix stellt eine Berufsausbildung die Eintrittskarte für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten dar. Sönke Rix setzt sich für eine sozial gerechte Kindergrundsicherung ein, für das Startchancen-Programm, das Schulen mit einem hohen Anteil an benachteiligten Schülerinnen und Schülern unterstützen will, für eine gesetzliche Ausbildungsplatzgarantie und für eine Öffnung des BAföG zugunsten einer breiteren Teilhabe. Bildung – egal, ob mit dem Abschlussziel Master oder Meis- ter – müsse unabhängiger von den Eltern werden, plädiert er. »Wir brauchen ein Bildungssystem, in dem junge Menschen ihr Potenzial entfalten können. Das würde auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel helfen«, wirbt Rix. »Denn wenn wir im Bereich Bildung sparen, zahlen wir als Gesellschaft einen hohen Preis dafür.« Zu den weiteren Schwerpunktthemen von Sönke Rix zählen bürgerschaftliches Engagement und der Schutz von Minder- heiten. Seit 2000 ist er ehrenamtlich als gesetzlicher Betreuer beim Amtsgericht Eckernförde tätig. t d m h c S a d n L : i i o t o F »Wenn wir im Bereich Bildung sparen, zahlen wir als Gesellschaft einen hohen Preis dafür.«

Aus der Fraunhofer-Forschung I Fraunhofer-Weltrekorde Fraunhofer-Weltrekorde Organische Solarzelle mit 15,8 Prozent Wirkungsgrad Am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und am Materialfor- schungszentrum der Universität Freiburg konnte im Juli 2023 der letzte Rekord des Teams vom September 2020 für eine 1 Quadratzentimeter große, organische Solarzelle verbessert werden. Die neue Solarzelle stellt mit einem Wirkungsgrad von 15,8 Prozent erneut den Weltrekord in dieser Kategorie auf. Die Verbesse- rung bei der Rekord-Solarzelle wurde wesentlich durch den Einsatz einer Anti-Reflexionsbeschichtung erreicht, wodurch mehr Licht in der photoaktiven Schicht der Zelle absorbiert und somit ein höherer Strom generiert wird. Das für die Beschichtung notwendige Dünn- schichtsystem – abgeschieden mittels Sputterverfahren – wurde ebenfalls am Fraunhofer ISE entwickelt. Organische Photovoltaik könnte der Solarenergie dank ihrer umweltfreundlichen und günstigen Herstellung sowie ihrer Flexi- bilität und Möglichkeit der Transparenz neue Anwendungsgebiete erschließen. Mit Anti-Reflexionsbeschichtung zu höherer Effizienz Setzt weltweit Maßstäbe für Wärme- pumpensysteme Leistungselektronik für neuartige Wärmepumpen Fraunhofer-Forschende arbeiteten seit 2019 im Leitprojekt ElKaWe an der Entwicklung hocheffizienter elektroka- lorischer Wärmepumpen als Alternative zur derzeit vorherrschenden Kompres- sor-Technologie mit Kältemitteln. Im Juli 2023 konnte am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF eine ultraeffiziente Schaltungstopologie für Spannungswandler basierend auf Galli- umnitrid(GaN)-Transistoren mit 99,74 Pro- zent elektrischem Wirkungsgrad realisiert werden. Der GaN-basierte Multilevel- DC/DC-Wandler setzt weltweit Maßstä- be. Die gesteigerte elektrische Effizienz führt direkt zu einer höheren Leistungs- zahl des gesamten Wärmepumpen-Sys- tems und ist damit ein Meilenstein auf dem Weg zu effizienteren Wärmepum- pen. Essenziell für die Realisierung einer hohen Leistungszahl elektrokalorischer Wärmepumpen ist eine sehr hohe Effi- zienz bei den Materialien, der Elektronik und dem Wärmeübertrag. Es besteht noch Forschungsbedarf, aber zukünftig könnten elektrokalorische Wärmepum- pen eine effizientere und vollständig emissionsfreie Lösung zum Heizen und Kühlen werden. 424242 Kryogener Antriebsumrichter für elektrische Antriebe in der Luftfahrt Antriebsumrichter für elektrisches Fliegen Für die zukünftige elektrische Luftfahrt sind kompakte und leichte E-Antriebe essenziell. Eine adäquate Lösung wären supraleitende Systeme, in denen der elektrische Strom praktisch widerstands- frei fließt und kaum Verluste anfallen. Das ermöglicht höchste Effizienz hin- sichtlich Wirkungsgrad, Gewicht und Bauraum. Viele elektrische Leiter sind erst bei kryogenen Temperaturen supra- leitend. Darum müssen alle Antriebs- komponenten – inkl. des komplexen Umrichters – für derartige Bedingungen ausgelegt sein. Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelemen- tetechnologie IISB in Erlangen demons- trierte erstmalig einen kryotauglichen 500-kW-Antriebsumrichter. Dieser wird mit flüssigem Stickstoff bei 77 Kelvin (K) gekühlt, das entspricht –196 °C. Der kryogene Umrichter ist das Ergebnis einer Kooperation mit Airbus UpNext. In seinem ASCEND-Programm baut Airbus jetzt den Prototyp eines durchgehend kryogenen elektrischen Flugzeugantriebs auf. Das ist mit dem Antriebsumrichter des Fraunhofer IISB in der 500-kW-Leis- tungsklasse erstmals möglich. B S I I r e f o h n u a r F , E S I r e f o h n u a r F , F A I r e f o h n u a r F : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Fraunhofer-Weltrekorde Weltkleinstes Impedanz- spektroskopie-System Mit 11 x 16 Quadratmillimetern ent- wickelte das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM mit den Partnern Micro Systems Technologies (MST) und Sensry GmbH das weltkleinste System zur Impedanz- spektroskopie. Der Sensor besteht aus einem bioverträglichen, wasserdichten Polymer. Neben zwei Elektroden zur Erstellung eines Frequenzspektrums von einem Medium wurden sechs Sensoren untergebracht. Mehrfach bewältigte die Entwicklergruppe die Herausfor- derung der extremen Verkleinerung: etwa beim Spulendurchmesser für das drahtlose Laden (10 Millimeter) oder beim IoT-System. Dieses liegt in einem sechslagigen Interposer, die Elektroden für die Impedanzspektroskopie wurden in einer 0,5 Millimeter dünnen Keramik- platte von MST platziert. Das ausgeklü- gelte Ausbaudesign lieferte die Sensry GmbH. Die flexible und biokompatible Leiterplatte mit über 70 Komponenten aus Flüssigkristallpolymer wurde von MST vierlagig gefertigt. Die elektroche- mische Impedanzspektroskopie erlaubt grundsätzlich Diagnoseoptionen für verschiedenste Anwendungen – etwa für Materialuntersuchungen oder für Magen-/Darmspiegelungen. Unerreichte Pixeldichte in OLED-Mikrodisplays Bisher sind OLED-Mikrodisplays in ihrer Pixelanzahl und -größe beschränkt, das Maximum der Pixeldichte betrug bislang etwa 8000 dpi (dots per inch). Höhere Pixeldichten sind bei der üblichen Ferti- gung mit konventionellen CMOS-Tech- nologien auf 200-Millimeter-Wafern nicht möglich. OLED-Mikrodisplays mit einer bisher unerreichten Pixeldichte von 10 000 dpi präsentierte das Fraunhofer- Institut für Organische Elektronik, Elek- tronenstrahl- und Plasmatechnik FEP erstmals auf der SID Display Week in Los Angeles, USA, im Mai 2023. Das erste OLED-Mikrodisplay mit 10 000 dpi hat winzige, 2,5 Mikrometer kleine Pixel bei einer Displaydiagonale von 0,18 Zoll. Ent- worfen und produziert wurde die CMOS Backplane in Small-node-Technologie in einem 28-Nanometer-CMOS-Backplane- Prozess auf 300-Millimeter-Wafern. Die neuen Backplane-Technologien erlau- ben zudem Ansteuerungskonzepte, mit denen sich die Stromaufnahme bei mobilen Applikationen reduzieren lässt. Die Forschungsarbeiten wurden im interdisziplinären Projekt »Backplane« vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr geför- dert. Das Geschäftsfeld Mikrodisplays & Sensorik des Fraunhofe FEP wurde rückwirkend zum 1. Januar 2024 in das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS integriert. OLED-Mikrodisplay mit den weltweit kleinsten Pixeln Extrem verkleinerte Spektroskopie- Kapsel für vielfältige Diagnoseoptionen F O I r e f o h n u a r F , M Z I r e f o h n u a r F , P E F r e f o h n u a r F : s o t o F Elektronenstrahlmikroskopische Aufnahme des Metagitters 30 Zentimeter Metaoberfläche Sogenannte Metaoberflächen könnten eine Alternative für Linsen und Spiegel darstellen: Bisher wird die Funktion einer Linse oder eines Spiegels durch makro- skopische Geometrie definiert, weswegen diese dick und krumm sind. Metaober- flächen hingegen konzentrieren ihre komplette optische Funktion in einer nanostrukturierten Oberfläche. Damit lassen sich Metaoberflächen theoretisch sehr viel dünner herstellen als Linsen. Allerdings ließen sich bisher für Wissen- schaft und Forschung nur Flächen von wenigen Quadratmillimetern produzie- ren – noch nicht ausreichend für viele industrielle Anwendungen. Forschenden am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF gelang es im Frühjahr 2023 weltweit erstmals, eine Metaoberfläche mit einem Durch- messer von fast 30 Zentimetern herzu- stellen. Dafür nutzen sie eine spezielle Schreibstrategie bei der Belichtung der Nanostrukturen mit Elektronenstrahl- lithographie. Bei dieser sogenannten Character Projection werden komplexe Muster parallelisiert mit hoher Präzision und Effizienz und vergleichsweise hoher Geschwindigkeit vom Elektronenstrahl nacheinander auf einer Oberfläche erzeugt. Ihre Methode haben die Wis- senschaftler im »Journal of Micro/Nano- patterning, Materials, and Metrology« veröffentlicht. 434343 43

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Digitale Wertschöpfung Reale Produktionsmaschine (l.) im Metaverse Industrial Metaverse zum Anfassen Unter »Metaverse« versteht man interaktive, immersive 3D-Umgebungen. Extended-Reality-Technologien (XR) wie Datenbrillen und Gesteneingabe ermöglichen die nahtlose Interaktion zwischen realer und digitaler Welt. Das »Indus- trial Metaverse« fokussiert auf professionelle Anwendungen in Wirtschaft und Gesellschaft wie Verkehr, Anlagen- und Städtebau oder Medizin. Man kann es als die nächste Stufe der Digitalisierung nach Industrie 4.0 bezeichnen. Zentrale technische Bausteine von Metaversen sind Digitale Zwillin- ge, Simulationen, XR-Technologien, Künstliche Intelligenz (KI), Blockchains und Datenräume. Der Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie widmet dem Thema »Industrial Metaverse« aufgrund des hohen technologischen Potenzials eine eigene strategische Roadmap in seinem Forschungsportfolio. Die 20 Institute agieren dabei als Technologielieferanten und Berater zur Planung und Umsetzung von Use Cases mit den Techno- logien des Industrial Metaverse. Im Bundesförderprojekt »5G Troisdorf IndustrieStadtpark« wurden Metaverse-Anwendungen für Fernwartung und Training im Maschinenbau und in der Produktion realisiert. Ein Technologie-Demonstrator wurde auf der Hannover Messe 2023 und beim Tag der offenen Tür der Bundesregie- rung 2023 vorgestellt. Die technologische Basis umfasst ein 5G-Internet, Remote Rendering von CAD-Daten sowie mobile Mixed-Reality- und Virtual-Reality-Datenbrillen. Für die Pro- duktionsmaschine des Projektpartners ZWi Technologies, ein- gesetzt auf der Produktionsstraße des Projektpartners Kuraray Europe, wurde ein Digitaler Zwilling entwickelt. Die digitalen Konstruktionsdaten der Maschine werden passgenau in das Sichtfeld der Benutzenden auf den Datenbrillen eingeblendet und mit Informationen angereichert. Die Kommunikation der räumlich entfernten Benutzenden wird durch Avatare, Zeigegesten, direkte Manipulation sowie Audio- und Video- Kommunikation unterstützt. Dies ermöglicht beispielsweise verteilte Lernszenarien für die Bedienung und Wartung der Maschine inkl. eines aktiven Austauschs im virtuellen Raum. Projektkoordinator ist das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT. 4466 Energieeffizienteres heterogenes Hochleistungsrechnen Strom sparen bei digitalen Hochleistungen Die Digitalisierung eröffnet vielversprechende Möglichkeiten, die dahinterliegenden Systeme allerdings müssen energieeffizienter werden. Dies ist das Ziel des Verbundprojekts NAAICE. Dabei werden netzwerkgekoppelte Beschleuniger für energieeffizien- tes heterogenes High-Performance Computing (HPC) entwickelt. HPC wird beispielsweise in der Klimamodellierung, in der Astrophysik oder in der Biologie eingesetzt. Die dafür nötigen hohen Rechenleistungen erfordern viel Energie. Das Konsor- tium von NAAICE arbeitet daran, Kapazitäten in HPC-Rechen- zentren effizienter einzusetzen. Herkömmliche Rechenzentren verwenden meist Rechner, die auf einheitlichen Standardkom- ponenten aufgebaut sind und für vielerlei Abläufe eingesetzt werden. Für HPC-Anwendungen nutzen sie meist nur spezielle Teile eines Standard-Computers – viel Kapazität geht verloren. Hingegen bauen die Partner von NAAICE eine heterogene Systemarchitektur auf, bei der die Computer für Spezialan- wendungen flexibel ausgestattet werden. Dafür arbeitet das Team mit speziellen integrierten Schaltkreisen, sogenannten Field Programmable Gate Arrays (FPGAs), die kontinuierlich mit neuen Funktionen ausgestattet werden können. Kerntechno- logie des Projekts ist das neuartige, auf FPGAs basierende Konzept des Network-Attached Accelerators (NAAs). Es wurde am Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz- Institut, HHI entwickelt. Während in bisherigen Konzepten FPGAs in Rechenzentren eingebunden werden, sind NAAs von den Serverprozessoren entkoppelt und stattdessen dynamisch nutzbar per Netzwerk angebunden. So bieten sie mehr Flexi- bilität und sorgen gleichzeitig für einen geringeren Energiever- brauch durch eine bessere Auslastung. Die Partner entwickeln u. a. Software, um NAAs in HPC-Rechenzentren zu integrieren. NAAICE startete 2022 als Förderprojekt der Linie »Green HPC« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Neben dem Fraunhofer HHI sind die Universität Potsdam, das Zuse- Institut Berlin, das Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ und die PERFACCT GmbH betei- ligt. Die Ergebnisse werden bei Projektende als Open Source Software zur Verfügung gestellt. i i L P a d e m a / k c o t s r e t t u h s , T I F r e f o h n u a r F : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Digitale Wertschöpfung Flexible Produktionsarchitektur hilft bei gestörten Lieferketten Infrastruktur für die Entwicklung neuartiger Computer Produktionsarchitektur für die Fabrik der Zukunft Die produzierende Industrie steht vor vielen Herausforderungen. Dazu gehören etwa volatile Märkte, Lieferkrisen und steigende Energiepreise. Deshalb haben Forschende im 2020 gestarteten Fraunhofer-Leitprojekt SWAP eine modulare und flexible Pro- duktionsarchitektur entwickelt. Die statischen Strukturen und schematischen Abläufe klassischer Produktionsstätten werden aufgebrochen und die Abarbeitung der Arbeitsschritte dyna- misiert. Eingebunden werden das herzustellende Endprodukt und auch die zur Herstellung nötige Maschinentechnik, ein- schließlich Robotern und autonomen Transportsystemen. Dafür entwickelten die Forschenden eine einheitliche und semantisch vereinfachte Beschreibungssprache für Maschinen, Prozesse und Produkte – die sogenannte PFDL (Production Flow Descrip- tion Language). Diese dient dazu, vor dem Start der Fertigung das jeweilige Endprodukt oder Bauteil zu definieren, damit im Anschluss die gewünschten speziellen Merkmale ergänzt werden können. Die formulierten Aufträge werden dann durch Maschinen oder Roboter autonom bearbeitet. Im Ergebnis entsteht eine intelligent agierende und anpas- sungsfähige Produktionsumgebung. So wird jeder Auftrag passend zu den Vorgaben individuell und zugleich effizient ausgeführt. Bei der klassischen Fertigung mit ihren standardi- sierten Arbeitsstationen ist diese Fall-zu-Fall-Flexibilität nicht erreichbar. Nun können Hersteller die Abläufe in der Fabrik- halle flexibel an ihre Zielvorgaben anzupassen. In Projektkon- sortium wurden bereits Optiken aus poliertem Metall – nicht aus Glas – für ein Laserteleskop nach dem Prinzip der ent- standenen Produktionsarchitektur SWAP-IT gefertigt. Nicht nur für Weltraumteleskope im New Space bietet das neuartige Produktionsverfahren Optionen für eine günstigere Produktion als auf Basis herkömmlicher Verfahren. SWAP versteht sich als Fortführung von Megatrends der Industrie 4.0 mit Technologien wie Sensorik, Vernetzung oder Digitaler Zwilling. Die Forschenden arbeiten derzeit an einem praxisnahen Vorgehensmodell zur Implementierung, um den Unternehmen die Umstellung auf die neuartigen Produktions- architektur zu erleichtern. Testlinien für die nächste Rechnergeneration Bei rechenintensiven Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) oder Edge-Datenverarbeitung kommen klassische Digital- rechner an ihre Leistungsgrenzen. Für neuartige Rechentechno- logien der nächsten Generation (Next Generation Computing) bieten Quantencomputing (QC) und neuromorphes Computing (NC) fundamentale Chancen, ohne die zukünftig viele wettbe- werbs- und sicherheitskritische Anwendungen nicht realisiert werden können. Die Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland (FMD) unterstützt mit ihrer Infrastruktur und ihrem wissenschaftlichen Know-how das entstehende Ökosystem des Next Generation Computing: Insbesondere im Rahmen der Förderlinie »Modul Quanten- und neuromorphes Computing – module qnc« sollen zukünftig neueste Hardware-Entwicklungen ermög- licht werden. Ziel des Projekts FMD-QNC ist es, dass Partner aus Forschung, Entwicklung und Innovation sowie Unterneh- men ihre in den Laboren gewonnenen Erkenntnisse schnell in Prototypen und Kleinserien umsetzen können. Dies wird durch die im Projekt FMD-QNC erweiterten Prozessmöglich- keiten realisiert. Der Deep Tech Accelerator QNC Space, als Teil von FMD-QNC, bot im Herbst 2023 für Forschungsgruppen, Gründerinnen und Gründer, Start-ups sowie KMU erstmals einen niederschwelligen Zugang zur Infrastruktur der FMD- QNC-Partner an. Auf europäischer Ebene wird das Förderprojekt FMD-QNC des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch das Förderprojekt PREVAIL ergänzt. Die Forschungsorganisationen CEA-Leti (Frankreich), Fraunhofer (Deutschland), imec (Belgien) und VTT (Finnland) wollen eine vernetzte 300-Millimeter- Technologie-Plattform schaffen, mit der Chip-Prototypen für KI oder neuromorphes Computing möglich werden. Die Pro- jektaktivitäten innerhalb von PREVAIL und FMD-QNC werden vernetzt und sind wichtige Vorbereitungen für das technologi- sche Fundament des »European Chips Act«. 474747 S M P I r e f o h n u a r F , F F I r e f o h n u a r F : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Ganzheitliche Kreislaufwirtschaft Entwicklung von Biokunststoffen aus Polybutylensuccinat Fingerorthesen aus vollständig kompostierbarem Kunststoff Mehr Typen des Biokunststoffs PBS Recyclingfähige und biologisch abbaubare Kunststoffe, die statt aus Erdöl aus regional verfügbaren pflanzlichen Rest- stoffen hergestellt werden: Dieses Ziel verfolgen 18 Partner im Förderprojekt RUBIO des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Beteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP und für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS. Das Fraunhofer IAP entwickelt dabei neue Typen des Biokunststoffs Polybutylen- succinat (PBS), die mehr Einsatzmöglichkeiten erlauben als bisher. Mit der POLIFILM EXTRUSION GmbH in Sachsen-Anhalt entwickelte das Fraunhofer IAP eine PBS-Folie, die für Versand- taschen geeignet ist. Das deutsche Unternehmen produziert Kunststofffolien für die Bau-, Agrar- und Automobilbranche und andere Bereiche. In Zusammenarbeit von angewand- ter Forschung und Unternehmen wurde die Herstellung auf gängigen Extrusionsanlagen realisiert, was eine industrie- nahe Weiterentwicklung ermöglicht. Die Polymerfachleute am Fraunhofer IAP unterstützen nicht nur bei den Synthese- verfahren für neue Biokunststofftypen, sondern überführen im Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für Polymersynthese und -verarbeitung PAZ ihre Ergebnisse aus Labor und Technikum in den industrienahen Pilotmaßstab. Im Verarbeitungstechnikum Biopolymere Schwarzheide werden neu entwickelte PBS-Typen und -mischungen auf zahlreiche Kriterien untersucht, etwa auf thermoplastische Verarbeitung, Bioabbaubarkeit, Recycling- fähigkeit und Bedruckbarkeit. Noch wagen wenige Kunststoffverarbeiter den Wechsel hin zu den Biokunststoffen: Probleme bei der Versorgungssicher- heit, höhere Kosten, eine zu geringe Auswahl an verschiede- nen Typen von Biokunststoffen und die fragliche Eignung für bestimmte Anwendungen sind hohe Hürden. Auch Recycling lohnt sich erst für Kunststoffe, die in großen Mengen im Abfall vorhanden sind. Deswegen entwickelt das RUBIO-Projekt- konsortium den Biokunststoff PBS noch weiter: Künftig sollen dessen Rohstoffe aus regionalen Resten und Abfällen stammen – aus Biogasanlagen, landwirtschaftlichen Betrieben oder der Papierproduktion. Kürzere Transportwege könnten dann sogar die Preise senken. 484848 Wenn Industrie 4.0 biologisch wird Wie geht nachhaltige Produktion in der Automobilproduk- tion? Unter der Gesamtleitung des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK entwickelte ein Konsortium im Förderprojekt »BioFusion 4.0« (Bundes- ministerium für Bildung und Forschung) Pilotprozesse einer nachhaltigen Wertschöpfung. Beteiligt waren u. a. die Mer- cedes-Benz AG, das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e. V. und die Technische Universität Berlin. Die insgesamt 13 Partner erarbeiteten beispielsweise Lösungen für die Unterstützung von Werkerinnen und Werkern durch bio- intelligente Assistenzsysteme sowie für die Verwendung von biogenen Materialien. So wurde eine Orthese für die Bauteilmontage in der Auto- mobilproduktion entwickelt: Mittels intelligenter Algorithmen werden individuelle 3D-Orthesen aus Biokunststoff für die Hände der Werkerinnen und Werker gefertigt. Der Biokunst- stoff wird aus Speisefetten produziert und ist daher zu 100 Prozent kompostierbar. Entworfen wurde auch ein Multi- agentensystem, mit dem sich die Verteilung von Produktions- aufträgen automatisiert steuern lässt: Auf einem Dashboard können die Werkerinnen und Werker den Prozessfortschritt eingegangener Aufträge verfolgen, den Ausfall von Arbeits- stationen nachbilden und sich Unterstützung holen bei der automatischen Anpassung von Produktionsschritten. Eine solche selbstorganisierte Prozesssteuerung erlaubt es Ferti- gungsunternehmen, flexibler und resilienter zu agieren. Auch die produktindividuelle Berechnung des CO2-Fußabdrucks eines Produkts entlang des Lebenszyklus wird berechnet. Diese Daten sollen über das Fraunhofer-Netzwerk in den Verein Catena-X mit einfließen. Bei diesem kollaborativen, offenen Datenökosystem handelt es sich um das größte Vorhaben der Automobilbranche bezogen auf zukünftige Produktionskon- zepte: den vertrauensvollen Datenaustausch zwischen allen Akteuren der Automobilindustrie – von der ersten Zulieferstufe bis zum OEM. Der Austausch basiert auf den Software-Diens- ten der International Data Spaces (IDS) und Gaia-X. l n e s s a K a s s i r a L / K P I r e f o h n u a r F , M L I F I L O P : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Ganzheitliche Kreislaufwirtschaft Projektteam bei der Besichtigung eines Schadensfalls Lithiumcarbonat, wie es in Südamerika gewonnen wird »Ewigkeitschemikalien« reduzieren Eine der gravierendsten vom Menschen verursachte Umwelt- belastung ist die Verschmutzung von Böden und Gewässern mit per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz PFAS. Zu finden sind sie in Zahnseide, Outdoor-Kleidung oder in Lösch- und Pflanzenschutzmitteln und in vielen anderen Produkten. Die teils gesundheitsschädlichen PFAS werden auch »Ewig- keitschemikalien« genannt, da sie außerordentlich stabil sind. Sie zu entfernen ist aufwendig. Bei einer Filterung durch Aktiv- kohle beispielsweise wird PFAS zwar gebunden, aber nicht beseitigt, sodass die Überreste im Sondermüll entsorgt bzw. gelagert werden müssen. Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB gelang es, ein Plasmaverfahren zu entwickeln, mit dem PFAS energieeffizient aus kontaminier- tem Wasser entfernt werden können. Dabei wird das Plasma durch Anlegen einer Hochspannung zwischen den Elektroden eines zylinderförmigen, kombinierten Glas-Edelstahl-Zylinders erzeugt, das kontaminierte Wasser fließt dann auf der Außen- seite der (Edelstahl-)Elektrode entlang. Durch die energie- reiche Plasmaatmosphäre werden die PFAS-Molekülketten aufgebrochen und damit verkürzt. In einem geschlossenen Kreislauf wird der Vorgang mehrere Male wiederholt, wobei die Molekülketten bei jedem Durchlauf verkürzt werden, bis sie vollständig abgebaut sind. Das Verbundprojekt AtWaPlas (kurz für Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung) wurde mit dem Industriepartner HYDR.O. aus Aachen durchgeführt. Von dem Spezialisten für Altlastensanierung stammten die Wasserpro- ben. Mit dem gleichen Aufbau lässt sich die Plasma-Methode auch zur Aufreinigung anderer Wasserverschmutzungen ein- setzen, etwa von Medikamentenrückständen, weiteren Indus- triechemikalien oder Pflanzenschutzmitteln. In einem nächsten Entwicklungsschritt könnten entsprechende Anlagen auch als eigenständige Reinigungsstufe in Klärwerken aufgestellt werden oder in transportablen Containern auf kontaminierten Freilandflächen zum Einsatz kommen. AtWaPlas wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Initiative Wasser: N gefördert. Heimisches Lithium aus Geothermie? Lithium ist der Schlüsselrohstoff für die Energiewende, ins- besondere für die Batterien der Elektromobilität. Bis heute ist Deutschland auf Zulieferung angewiesen – überwiegend aus Australien und Südamerika, abgebaut unter umweltbelasten- den Bedingungen. Lithium kommt aber auch in Deutschland vor – am Oberrheingraben, im Erzgebirge oder im Norddeut- schen Becken. Auslöser jüngster Forschungsarbeiten war eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die als »Outstan- ding Paper 2022« gewürdigt wurde. Die KIT-Forschenden wiesen nach, dass Thermalwasser in einigen Kilometern Tiefe eine hohe Konzentration von Lithium-Ionen enthält. Seither beschäftigen sich mehrere Initiativen damit, wie sich das wert- volle Metall mit der hydrothermalen Geothermie verbinden lässt. Beteiligt sind u. a. EnBW AG, Vulcan Energie Ressourcen GmbH sowie die Fraunhofer-Institute für Chemische Techno- logie ICT und für Physikalische Messtechnik IPM. Zunächst müssen die Lithium-Ionen per Adsorption angelagert und mit Desorptionslösungen wieder gelöst werden. Das so gewonnene Lithiumchlorid kann durch Elektrolyse in Lithiumhy- droxid umgewandelt und in dieser Form als Lithium gehandelt werden. Unter Federführung des KIT wurde ein erstes Lithium- Ionen-Sieb hergestellt. Es basiert auf einem Lithium-Mangan- Oxid mit einer speziellen, als Spinell bezeichneten Kristallstruk- tur und wurde mittels hydrothermaler Synthese hergestellt. Das Konsortium arbeitet an einer Verfeinerung des Siebs und an einer verbesserten Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Dabei hilft ein optischer Sensor, der spektrale Materialanalysen in laufen- den Prozessen ermöglicht. Diese Entwicklung des Fraunhofer IPM soll die aufwendigen Labormessungen erübrigen, die bisher nötig waren, um den Zeitpunkt für die Änderung der Durchflussrichtung im Ad- und Desorptionsprozess der Lithium- Ionen exakt zu steuern. Demnächst soll der Sensor an einem Geothermiestandort im realen Betrieb getestet werden. 4949 O G A M I , . . O O R D Y H : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Vollendete Energiewende Bohrungen zum Erschließen von Geothermie Modellierung für den Ausbau des Stromnetzes Bohrungen für die Nutzung von Geothermie Grubenwasser aus aufgegebenen Bergbauzechen kann we- sentlich zum kommunalen Wärme- und Kältebedarf beitragen. Über »kalte Nahwärmenetze« kann Wärme in umliegenden Gebäuden verteilt werden. Dort können Wärmepumpen sehr effizient Temperaturen auf Brauchwasser-Niveau bereitstellen, denn sie versorgen bereits bei geringer Arbeitstemperatur Wärmepumpen in umliegenden Gebäuden. Im Ruhrgebiet bieten die aufgelassenen Kohlebergwerke an vielen Standorten ein großes Reservoir an Grubenwasser. Das Projekt »D2Grids« auf einer ehemaligen Opel-Werksfläche in Bochum stellt eine Blaupause für netzgebundene Niedertemperaturwärme- und Kältelösungen in Nordwesteuropa dar: Mit dem warmen und kalten Grubenwasser der ehemaligen Steinkohlezeche Dannen- baum soll das entstehende Stadtquartier auf dem ehemaligen Opel-Gelände (ca. 70 Hektar) klimafreundlich versorgt werden. Die Pumptests im Frühjahr 2023 bestätigten ein ausreichendes geothermisches Potenzial. Damit startet die Errichtung einer Energiezentrale: Für die Wärmeversorgung wird zukünftig das 27–28 °C warme Grubenwasser aus 807 Meter Tiefe über Wärmepumpen auf ca. 48 °C erwärmt und in das Netz eingespeist. Für die Kälteversorgung wird ca. 17 °C »kaltes« Grubenwasser aus einer Tiefe von etwa 340 Metern gefördert. Rund 75 Prozent der Bedarfe lassen sich so decken. Die unterirdischen Aktivitäten wie Bohrungen durch einen Untergrund, der mit alten Bergwerksteilen eng durchsetzt ist, oder die Logistik der umfangreichen Pumptests verantwortete die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geo- thermie IEG. Sie berät zudem die Stadtwerke Bochum beim energetischen Gesamtkonzept, einschließlich Geothermie, Wärmenetzen, Untergrundspeichern und Großwärmepumpen. Dank der Nutzung des Grubenwassers als Energiequelle wird im entstehenden Quartier eine Einsparung der CO2-Emissionen von rund 3200 Tonnen pro Jahr erwartet – im Vergleich zu einer konventionellen Versorgung durch Erdgas und elektrische Kompressionskältemaschinen. D2Grids wird durch das Interreg-Programm für Nordwesteuropa und das Förderprogramm »Wärmenetze 4.0« unterstützt. 5500 Netzentwicklungsplan Strom – postleitzahlengenau Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW übergaben im Frühjahr 2023 den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2037/2045 an die Bundesnetzagentur. Der NEP beschreibt erstmals ein Strom- netz, mit dem Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden kann. Dafür modellierte das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE die Regionalisierung der erneu- erbaren Energien mit konkreten Karten für den Ausbau der Windkraft- und Photovoltaik-(PV-)Anlagen. Der NEP rechnet mit einer Verdopplung des heutigen Strom- verbrauchs auf über 1000 Terawattstunden. Dafür ist etwa eine Verfünffachung der installierten Leistung aus Erneuer- baren auf bis zu etwa 700 Gigawatt im Jahr 2045 erforderlich. Um diese hohe Leistung in das Stromnetz zu integrieren und gleichzeitig dessen sicheren Betrieb zu gewährleisten, ist ein beschleunigter Netzausbau nötig. Die Regionalisierungsstudie des Fraunhofer IEE modelliert postleitzahlengenau, wie sich der Zubau von Windkraft- und PV-Anlagen zukünftig auf der Fläche Deutschlands verteilt. Getrennt für Windenergie an Land sowie für Freiflächen- und Dachflächen-PV wurden auf Basis verschiedener Datenquellen vorhandene und geplante Anlagen verortet und deren Leistung mit den Leistungsvor- gaben je Bundesland, die der NEP nennt, in Bezug gesetzt. Bereits bekannte Potenziale sowie in Potenzialanalysen ermittelte Flächen wurden anhand verschiedener Parameter wie Verfügbarkeit, Eignung, Bodengüte oder Konfliktträchtig- keit gewichtet und als Annahme mit Anlagen bebaut, bis die jeweiligen Leistungsvorgaben erreicht waren. Die Ergebnisse sind in Karten zusammengefasst, jeweils für den Bestand 2022 und die beiden dem NEP zugrunde liegen- den Szenarien 2037 und 2045. Damit liefert die Studie des Fraunhofer IEE den Übertragungsnetzbetreibern eine detaillier- te Grundlage, um das Netz vorausschauend zu entwickeln und die erneuerbaren Energien in die Fläche zu bringen. i i / r e d e n h c S m h c A m o c . k c o t S i , r e f o h n u a r F / l u a k e r K a h c s a S : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Vollendete Energiewende Aus Ammoniak CO2-freies Gas verbrennen Power auf statt unter der Haube Ammoniak als Hoffnungsträger der Energiewende Grüner Wasserstoff ist ein vielversprechender klimaneutra- ler Energieträger. Noch zu lösen ist der Aufwand für dessen Transport und Speicherung. Dabei könnte Ammoniak, bekannt als Ausgangsstoff für Düngemittel, als Speichermedium für Wasserstoff eine weitere Karriere machen: Es lässt sich bereits bei einer moderaten Temperatur von –33 °C verflüssigen und kann mehr Wasserstoff bei weniger Volumen binden als bei 700 bar komprimierter Wasserstoff. Verflüssigtes Ammoniak lässt sich im Vergleich zu Wasserstoff einfacher transportieren. Deshalb entstehen am Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM Systeme auf Basis von Ammoniak, die Infrastruktur, Verkehr und Industrie mobil mit sauberer Energie versorgen können. Technologien für eine Nutzung von Ammoniak zur Energieer- zeugung gibt es allerdings noch wenige. Auch dafür fanden die Forschenden mit dem AMMONPAKTOR-Reaktor eine Lösung: In einem Spaltreaktor wird Ammoniak in Stickstoff und Wasser- stoff gespalten. Dabei entsteht ein Spaltgas als brennbarer Ener- gieträger. Mit Ammoniak aus grünem Wasserstoff wurde mit einem Industriepartner bereits eine komplett CO2-freie Ziegel- herstellung demonstriert. Dieser Energieträger lässt sich auch für mobile Brennstoffzellenanwendungen wie Land- oder mari- time Fahrzeugen nutzen: Ein am Fraunhofer IMM entwickelter Crackreaktor spaltet mit einer nachgeschalteten Reinigungsstu- fe reinen Wasserstoff aus Ammoniak, das direkt in PEM-Brenn- stoffzellen von Fahrzeugen eingespeist werden kann. Der AMMONPAKTOR-Reaktor erreicht beim Rückverwand- lungsprozess von Ammoniak zu Wasserstoff einen Wirkungs- grad von 90 Prozent im Vergleich zu 70 Prozent bei herkömm- lichen Technologien. Gegenüber konventionellen Reaktoren wurde eine Größenreduzierung um 90 Prozent erzielt. Der Crackreaktor der zweiten Generation für 25 kg/h Ammoniak- zufuhr produziert 70 Kilogramm gereinigten Wasserstoff pro Tag und ist derzeit im Herstellungsprozess. Der Reaktor wird in das Fraunhofer-Leitprojekt AMMONVEKTOR eingebunden. Dort wird eine Gesamtstrategie von der dezentralen Erzeugung, über den Transport bis zur Nutzung von Ammoniak entwickelt. Solarzellen auf Motorhaube und Dach Eine Motorhaube, überzogen mit einer farblich angepassten Folie aus integrierten Solarzellen: Dieses Exponat des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE entwickel- te sich zu einem Besuchsmagneten der IAA Mobility 2023. »Power auf der Haube« schrieb der VDI Verlag auf seinem Portal »ingenieur.de«, »Forschende produzieren Solarstrom mit einer Motorhaube« stand in der Onlineausgabe von »Auto Bild«. Die Herausforderungen, um die Solarzellen in die Motorhau- be zu integrieren, waren die Fläche, die gebogene Form und der Untergrund aus Blech statt einer klassischen Rückseite aus Folie oder Glas. Die Forschungsteams des Fraunhofer ISE testeten verschiedene Solarzellen-Typen mit unterschiedlichen Materialkombinationen, um die vorhandene Fläche auf der Motorhaube möglichst gut zu nutzen und die Haftungseigen- schaften zu prüfen. Danach wurden Prototypen mit unter- schiedlichen Zell- und Verschaltungstechnologien intensiv im Labor getestet, um die elektrische Leistung, die Zuverlässigkeit und Haltbarkeit der Photovoltaik-(PV-)Motorhauben-Demons- tratoren sicherzustellen. Die Laminierung der Oberfläche mit Folie führt zu einer texturierten Oberflächenstruktur, die farblich durch die am Fraunhofer ISE entwickelte Technologie MorphoColor® an die Fahrzeugfarbe angepasst werden kann. Die auf der IAA MOBILITY ausgestellte Motorhaube mit einer Nennleistung von 115 Watt verfügt über 120 PERC-Schindel- Solarzellen und ist in der Farbe MorphoColor® Grau gehalten. Die Technologie kann auch auf Metalldächern von Autos aufgebracht werden und wäre zudem leichter als PV-Autodä- cher aus Glas. Dach und Motorhaube zusammengenommen, könnte die Solarreichweite eines E-Autos in einer sonnen- reichen Stadt wie Freiburg 4000 Kilometer im Jahr erreichen. Bereits 2017 wurde in einer Studie des Fraunhofer ISE in Kooperation mit Speditionen ermittelt, dass ein Lkw-Dach in Europa 5000 bis 7000 Kilowattstunden jährliches Strom- erzeugungspotenzial hätte. Die Technologie der auf Folie integrierten Solarzellen ist sowohl für E-Fahrzeuge als auch für Verbrenner geeignet. 5151 E S I r e f o h n u a r F , M M I r e f o h n u a r F : s o t o F , M W T I r e f o h n u a r F : n o i t a r t s u l l I

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Bezahlbare Gesundheit Arztbriefe verfassen mit Natural Language Processing (NLP) Mit KI gegen Abrechnungsbetrug im Pflegedienst Beim Arztbrief soll KI helfen Rund 150 Millionen Arztbriefe werden pro Jahr in Deutschland unter hohem Zeitaufwand geschrieben. Dabei liegt ein Großteil der medizinischen Daten bereits in Textform vor. Die mühsame Auswertung und Weiterverarbeitung wird künftig durch Natural Language Processing (NLP), einer Kombination aus Algorith- men und Künstlicher Intelligenz (KI), erledigt. Das Verfahren extrahiert dafür Informationen aus Texten und stellt diese strukturiert zur Verfügung. Prozesse wie Qualitätssicherung, das Erstellen von Statistiken, klinische Entscheidungsunterstüt- zungen und Abrechnungen lassen sich so einfach und schnell gestalten. Mit RightCoding (RICO) ist bereits eine Software des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informations- systeme IAIS im Einsatz, die den Codierungs- und Abrech- nungsprozess in vielen Krankenhäusern erheblich erleichtert. Auch der Arztbrief wird bald durch einen »Arztbrief-Gene- rator« erzeugt. Schon 2024 will ein Team des Fraunhofer IAIS einen entsprechenden Prototyp für Entlassungsbriefe an der Universitätsmedizin Essen testen. Das Vorhaben ist Teil des Flagship-Projekts SmartHospital.NRW im Rahmen der Kom- petenzplattform KI.NRW. Erforscht werden insbesondere Technologien der Text-, Sprach- und Signalverarbeitung. Welche Möglichkeiten sich insgesamt für den medizinischen Bereich durch NLP ergeben, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IAIS im Whitepaper »Natural Language Processing in der Medizin« zusammengefasst. Auf- gezeigt werden aktuelle Entwicklungen und Einsatzmöglich- keiten von KI in dokumentenbasierten Prozessen im medizi- nischen Bereich. Gesundheitsdaten zählen zu den derzeit am stärksten wachsenden Datenmengen. Gleichzeitig steht das Gesundheitswesen vor zahlreichen Herausforderungen wie Personalmangel, Kostendruck und einem »Information Over- load«. Das aus der KI-basierten Automatisierung entstehende Potenzial gilt es nun gemeinsam mit den Institutionen des Gesundheitswesens auszuschöpfen – mit besonderem Blick auf das Wohl der Patientinnen und Patienten sowie auf die Entlastung von Arzt- und Pflegepersonal. Abrechnungsbetrug bei der Pflege mit KI aufdecken Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen verursacht jähr- lich Schäden von mehreren Milliarden Euro. Durch die Digi- talisierung von Prozessen ergeben sich neue Möglichkeiten, Betrug systematisch zu entdecken – sei es in der Pflege, in Krankenhäusern oder der öffentlichen Verwaltung. Im Projekt PflegeForensik gingen Forschende des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und dem Kommissariat für Wirtschaftskriminalität der Polizeidirek- tion Leipzig gegen Abrechnungsbetrug im Pflegedienst vor. Die Partner schufen eine Softwarelösung, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei den Ermittlungen unterstützt. Zunächst wurden mithilfe von Bildverarbeitung Algorithmen zum auto- matischen Einlesen und intelligenten Auswerten der Papier- berge entwickelt. Diese können beispielsweise Unterschriften finden und den richtigen Personen zuordnen. Ein Vergleich der Touren- und Dienstpläne von Pflegediensten mit Abrechnungs- daten kann Hinweise auf Betrugsfälle liefern. Um diese und weitere Auffälligkeiten zu finden und digital auszuwerten, haben die Forschenden gemeinsam mit den Anwendenden typische Ermittlungen in mathematische Modelle übersetzt. Zum Trainieren der KI-Algorithmen wurden mehrere Hundert Dokumente zunächst anonymisiert, und dann mit Eigenschaften manuell markiert. Auf dieser Daten- basis können dann KI-Algorithmen problembezogene Muster lernen. Die Lösung wurde so entwickelt, dass sie sich auch an neue Daten anpassen lässt bzw. nachgebessert werden kann. Einen Software-Demonstrator konnten Vertreterinnen und Vertreter von Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Kran- kenkassen bei einem Workshop zum Projektabschluss 2023 ausprobieren. Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm »Forschung für die zivile Sicherheit« gefördert. Die Partner wollen das Projekt fort- führen und idealerweise eine Produktivsoftware schaffen, die möglichst einfach zu bedienen ist und gleichzeitig gerichtsfeste Ergebnisse liefert. 5252 M W T I r e f o h n u a r F , i m a g n n p a y n i r a s / m o c . k c o t S i : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Bezahlbare Gesundheit Ein Digitales Ökosystem vernetzt viele Komponenten Patientenmodelle helfen dem Gesundheitssystem Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum Im ländlichen Raum muss die ärztliche Versorgung neu gestaltet werden: Laut einer Studie der Robert-Bosch-Stif- tung werden in Deutschland bis 2035 etwa 11 000 Hausarzt- stellen unbesetzt sein, fast 40 Prozent der Landkreise droht die hausärztliche Unterversorgung. Deswegen entwickelt das Fraunhofer-Zentrum für Digitale Diagnostik ZDD mit mehreren Fraunhofer-Instituten im Projekt Neighborhood Diagnostics ein digitales Ökosystem zur patientennahen Diagnostik und Unter- stützung von Behandlungen im ländlichen Raum. Damit sollen Ärzte und Fachpersonal entlastet und frühzeitige Diagnosen mit einer guten Patientenversorgung ohne weite Anfahrtswege gewährleistet werden. Alle medizinischen Daten sollen in einer digitalen Plattform zusammenfließen. Zu den Bestandteilen zählen Home Moni- toring Devices, die z.B. den Blutdruck oder Blutzuckerspiegel messen, und Wearables – kleine Computersysteme wie Smart Watches, die direkt am Körper getragen werden. Diese Geräte übertragen ihre Messdaten mittels einer Neighborhood Diag- nostics App auf die Plattform. Bei auffälligen Messwerten erfolgt eine Warnung. Mit solchen Applikationen wird das Ökosystem künftig in der Lage sein, Daten zu interpretieren, Diagnosen abzuleiten und Empfehlungen zu geben für Medika- mente, Physiotherapien und weitere medizinische Leistungen. Vollautomatisierte Gesundheitsstationen bilden eine wesent- liche Säule des digitalen Ökosystems und übernehmen weitere Aufgaben von Arztpraxen und Gesundheitslaboren. Registrierte Patientinnen und Patienten erhalten unterschiedliche Testkits, z.B. für Nasen- oder Rachenabstrich oder für Kapillarblut und geben diese wieder ab. Die Tests in den Diagnosegeräten werden in der Station durch ausgeklügelte Robotik autonom durchgeführt und – sofern erforderlich – gekühlt gelagert. Je nach Krankheitsfall und Diagnose könnten die Ergebnisse direkt vor Ort, via App oder über den Arzt an Patientinnen und Patien- ten übermittelt werden. Die Erprobungsphase startet zunächst in der Modellregion Brandenburg mit dem Fokus auf der Ver- sorgung chronisch Erkrankter. Das Konzept soll sukzessive auf ländliche Gegenden aller Bundesländer ausgeweitet werden. Damit Therapien optimal wirken Per Klick zur richtigen Prävention, Diagnose und Therapie: Ein im Fraunhofer-Leitprojekt MED²ICIN entwickeltes System zur Entscheidungsunterstützung eröffnet neue Möglichkeiten für die Gesundheitswirtschaft. Bisher liegen Patientendaten oft in unterschiedlichsten Sys- temen zeitlich und räumlich getrennt voneinander vor. Mit MED²ICIN entwickelte das Konsortium des gleichnamigen Fraunhofer-Leitprojekts ein System, das die Daten zusam- menführt und Medizinerinnen und Mediziner in ihrer Ent- scheidungsfindung unterstützt. In Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Frankfurt am Main ließen die beteiligten Fraunhofer-Institute auch die Erfahrungen von praktizierenden Ärztinnen und Ärzten einfließen. Eine Online-Umfrage unter knapp 50 Gastroenterologinnen und Gastroenterologen aus Krankenhäusern und Praxen zeigt: Das Patientenmodell erfüllt die gesetzten Ziele. So sei zu erwarten, mit einem solchen System 23 Prozent der Kosten und 35 Prozent der Zeit bei der Behandlung einzusparen. Eine wirksame Begrenzung der Gesundheitsausgaben ist aufgrund der demographischen Entwicklung und des enormen Fachkräftemangels dringend notwendig. Nutzende können im digitalen Patientenmodell auf KI-basierte Analysen wie medizinische Fachpublikationen zugreifen und die Leitlinien für die Behandlung sowie die entstehenden Kosten der Behandlungsoptionen einsehen. Im Kohortenmodul werden die individuellen Patienteninforma- tionen in Bezug zu Daten von ähnlichen Krankheitsverläufen gesetzt. So können Behandelnde identifizieren, in welchen Fällen welche Therapien optimal wirken. Sämtliche Informa- tionen sind in einem übersichtlichen Dashboard dargestellt. Gegenwärtig treiben die Forschenden das Projekt auf euro- päischer Ebene mit finnischen Partnern voran. Auf Basis von 10 000 Patientendaten entwickeln sie das Modell so weiter, dass es in kommerziell genutzte Systeme eingebunden und im medizinischen Alltag genutzt werden kann. 5353 D G I r e f o h n u a r F : o t o F , E S E I r e f o h n u a r F : n o i t a r t s u l l I

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Sicherheit und resiliente Gesellschaft Für Notfälle wurden zentrale Bargeldbezugspunkte errechnet Infrarotimager im Kleinsatelliten ERNST Bargeldversorgung im Krisenfall Die globale Polykrise der vergangenen Jahre hat deutlich gemacht, dass man auf einen plötzlichen Notfall wie einen umfassenden Stromausfall oder auch den Ausfall des IT- und Kommunikationsnetzes vorbereitet sein sollte – auch bei elektronischen Zahlungssystemen, die dann in der Regel nicht mehr funktionieren. Anfang 2023 veröffentlichte ein Verbund aus Wissenschaft und den wichtigsten Akteuren im Bargeld- kreislauf ein Sicherheitskonzept mit Empfehlungen, wie der Bargeldkreislauf widerstandsfähiger gestaltet werden kann. Das Projekt »Resilienz der Bargeldversorgung – Sicherheitskon- zepte für Not- und Krisenfälle (BASIC)« wurde durch das Bran- denburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) koordiniert. Forschende der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS haben einen Optimierungsalgorithmus entwickelt, um zentrale Bargeldbezugspunkte in Deutschland zu bestimmen. Die Forschenden bestimmten für gewisse Szenarien mit mathematischer Optimierung die optimale Bargeldbelieferung an Bezugspunkte, die im Krisenfall noch aufrechterhalten werden sollen. Beispielsweise sollten diese Bankautomaten oder -filialen mit Notstromaggregaten krisensicher ausgestattet werden. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts lag darauf, die jeweiligen Not- und Krisenpläne aller Akteure des Bargeldkreis- laufs zu harmonisieren und die Arbeitsprozesse, vor allem die der Geld- und Wertdienstleister, weiter abzusichern. Projektpartner waren das Brandenburgische Institut für Gesell- schaft und Sicherheit gGmbH (BIGS), die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. (BDGW), die Cash Logistik Security AG sowie die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS. Das Konsortialprojekt erhielt eine dreijährige Förderung durch das Programm »Forschung für Zivile Sicherheit« der Bundesregierung sowie durch das Bun- desministerium für Bildung und Forschung. Kleinsatellit detektiert Hyperschall-Flugkörper Die erste Kleinsatellitenmission für die Bundeswehr soll im Juni 2024 in den erdnahen Orbit starten. Der Auftrag: den Start bal- listischer Raketen oder hypersonischer Flugkörper im erdnahen Orbit früh zu erkennen. Dafür entwickelten mehrere Fraunhofer-Institute unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach- Institut, EMI, den Nanosatelliten ERNST. Eine kryogen gekühlte Infrarotkamera ist das Herzstück des Kleinsatelliten von der Größe eines Bierkastens. Für eine effektive Frühwarnung zur Ermöglichung von Abfangmaßnahmen wird die Erdoberfläche in verschiedenen kurz- und mittelwelligen Infrarotbereichen beobachtet. Das vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Sys- temtechnik und Bildauswertung IOSB entwickelte Detektions- konzept kombiniert verschiedene Spektralbereiche, um die sich während ihrer Flugphasen ändernde Infrarotsignatur einer Rakete zu erkennen und nachzuverfolgen. Für ERNST und seine Mission kombinierte und modifizierte das Fraunhofer EMI verfügbare Produkte aus dem »New Space« und dem wehrtechnischen Bereich mit Eigenentwicklungen. Eine Besonderheit ist die generativ gefertigte, bionisch anmu- tende optische Bank, auf der die Kamerakomponenten platziert sind. Unter anderem wurde ein dreidimensional strukturierter Radiator integriert, der die Hitze auf einer sehr viel kleineren Grundfläche ableitet als übliche Radiatorflächen. Für eine seiner Aufgaben ist der Kleinsatellit mit einer visuellen Kamera für die Georeferenzierung und einem vom Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT entwickel- ten Strahlungsmonitor ausgestattet. Dieser misst die Gesamt- dosis der vom Satelliten empfangenen energetischen Strahlung sowie den Einfluss von Protonen und Neutronen durch unter- schiedlich abgeschirmte Detektorelemente. Wenn der Start von ERNST im Juni 2024 glückt, soll der Kleinsatel- lit nach erfolgreicher dreijähriger Mission auf die Erde zurückkeh- ren, indem ein Bremssegel entfaltet wird. Damit soll eine nachhal- tige Nutzung der Weltraumumgebung demonstriert werden. 54 I M E r e f o h n u a r F / t r a h d e o g n o e l , r s e r d n a / m o c . k c o t S i : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung I Projekte und Ergebnisse Sicherheit und resiliente Gesellschaft Hilfe bei der Bildauswertung von Drohnen Automatisierte Bildauswertung für Drohnen Unbemannte Luftfahrzeuge wie Drohnen spielen im Sicher- heitsbereich, bei Rettungsmissionen und im Verteidigungsfall eine zunehmend wichtige Rolle. Für die Drohne LUNA, seit Jahren erfolgreich bei der Bundeswehr im Einsatz, realisiert das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildaus- wertung IOSB seit 2005 mit dem System ABUL ein modulares Videoauswertesystem. Es wird kontinuierlich weiterentwi- ckelt – auf Basis von Einsatzerfordernissen und mit aktuellen Forschungsergebnissen. Die von den Drohnen aufgenommenen Videodaten werden über verschiedene Datenanbindungstypen an die Bodenstatio- nen gesendet und dort vom Einsatzpersonal ausgewertet. Für dessen Unterstützung, etwa bei mehrstündigen Beobachtungs- und Auswertungsaufgaben, wurde ABUL entwickelt. Das System verfügt über optimierte Echtzeitfunktionen wie Bild- stabilisierung für die Onlineaufklärung. Mittlerweile wurden Funktionen auf der Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Detektion, Klassifikation und zum Tracking von Fahrzeugen, Personen und weiteren Objektklassen integriert. Funktionali- täten für Offline-Erkundungsmissionen wurden bereitgestellt, Bildmosaike ermöglichen eine verbesserte Weitergabe von Resultaten. Das Grundkonzept von ABUL besteht aus einem dualen Bildschirmsystem mit anpassbarer Benutzeroberfläche (GUI) für verschiedene Sensorsysteme. Auf dem ersten Bild- schirm wird ein Fenster mit den Video-Streams aller Sensoren angezeigt. Es stellt zudem Steuerelemente für eine effiziente Navigation und Bildverarbeitung durch das Personal bereit. Der zweite Bildschirm zeigt ein Kartenfenster mit Auswertungs- funktionen. Neben der Multistream-Auswertung wird auch die kooperative Auswertung mehrerer Arbeitsplätze realisiert. Neben der LUNA-Drohne der Bundeswehr ist das System ABUL bei der Schweizer Luftwaffe mit der neuen Aufklärungsdroh- ne ADS 15 im Einsatz. Zurzeit wird das System für den neuen Anwendungsbereich »Schutz von Infrastrukturen mit mastba- sierten Kamerasystemen« optimiert. T I S r e f o h n u a r F : n o i t a r t s u l l I , B S O I r e f o h n u a r F : o t o F Verdachtsfälle gegen Geldwäsche gezielt identifizieren KI soll helfen, Geldwäsche effizienter zu identifizieren Im Kampf gegen Geldwäsche werden Analyseverfahren ein- gesetzt, um Finanztransaktionen zu prüfen. Dabei werden in der Regel sehr viele Verdachtshinweise generiert, die alle individuell von speziell geschulten Analysten geprüft werden und an die zuständige Behörde, die Financial Intelligence Unit (FIU), gemeldet werden müssen. Die FIU erhielt 2022 und 2021 jährlich rund 300 000 Meldungen. Das Projekt MaLeFiz soll dies ändern und mit Methoden der KI und des Maschinellen Lernens die Geldwäschedetektion effizienter gestalten. Weniger fälsch- liche Verdachtshinweise entlasten in erster Linie die Analysten bei den Finanzinstituten. FIU und Strafverfolgungsbehörden profitieren indirekt von einem geringeren Meldeaufkommen. Für eine gerichtliche Verwertbarkeit der Resultate von solchen KI-basierten Werkzeugen müssen diese bestimmte Vorausset- zungen erfüllen. Insbesondere müssen die Entscheidungen einer KI nachvollziehbar sein (keine »Blackbox«-Entscheidungen) und die Grundlagen, warum eine Transaktion als verdächtig markiert wurde, transparent offengelegt werden. Entsprechend erforscht das Projektteam rechtliche und ethische Fragestellungen. Zum Beispiel entsteht ein Katalog mit Mindestanforderungen für KI- basierte Werkzeuge, die in grundrechtssensiblen Bereichen ein- gesetzt werden. Die Mindestanforderungen sollen u.a. sicher- stellen, dass der rechtskonforme und vertrauenswürdige Einsatz von KI-basierten Werkzeugen im Rahmen einer Auditierung geprüft werden kann. Um die KI möglichst anwendungsnah zu realisieren und die Bedürfnisse der Anwendenden weitge- hend zu berücksichtigen, führen die Projektpartner Interviews, Workshops und Tests mit Nutzerinnen und Nutzern durch. Die Ergebnisse fließen in einen Demonstrator ein, der vor allem in Banken getestet werden wird. Zum geplanten Projektabschluss im Herbst 2025 werden der Katalog mit Mindestanforderungen und weitere Projektergebnisse veröffentlicht. Beteiligt sind die Deloitte GmbH, das Fraunhofer-Institut für Sichere Informa- tionstechnologie SIT, die Martin-Luther-Universität Halle-Wit- tenberg, die Universität Leipzig und das Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Das Projekt MaLeFiz wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. 55

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Auszeichnungen Fraunhofer-Preis »Technik für den Menschen und seine Umwelt« 2023 Satellitentechnologie: Nachhaltiger Wassereinsatz in der Landwirtschaft Pflanzen zielgerichtet nach Bedarf zu bewässern, wird möglich dank einer neuartigen Satellitentechnologie. Sie detektiert aus dem Orbit Wärmestrah- lung und misst die Landtemperatur. Damit lassen sich Rückschlüsse auf den Bewässerungszustand der Pflanzen ziehen. Geleitet durch die Gründungs- idee der constellr GmbH entwickelten Forschende der Fraunhofer-Institute für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI und für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF sowie der Unterneh- men constellr GmbH und SPACEOPTIX GmbH – beides Ausgründungen dieser Institute – die Infrarotkamera »LisR«, kurz für »Longwave infrared sensing demonstratoR«. LisR wurde 2022 erfolg- reich auf der Internationalen Raumsta- tion (ISS) getestet. Mit diesen Erkennt- nissen plant constellr, eigene Satelliten in den Orbit zu bringen. Mithilfe der Satellitenkonstellation wäre es möglich, ab 2026 jährlich 180 Milliarden Tonnen Wasser und 94 Millionen Tonnen CO2 einzusparen und die globale Ernte um bis zu vier Prozent zu steigern. Fraunhofer- Forschungspreise Fraunhofer-Preis »Technik für den Menschen und seine Umwelt« Diesen Preis vergeben die Fraunhofer- Gesellschaft, die Fraunhofer-Zukunfts- stiftung sowie die ehemaligen Vor- stände, Institutsleitungen sowie diesen verbundene Fördernde der Fraunhofer- Gesellschaft. Er wird alle zwei Jahre an Forschungs- und Entwicklungsleistun- gen vergeben, die die Lebensqualität von Menschen verbessern oder für eine nachhaltigere Umwelt sorgen. 2023 beteiligte sich erstmals die Fraunhofer- Zukunftsstiftung an der Finanzierung dieser Auszeichnung, die mit 50 000 € dotiert ist. Die Fraunhofer-Zukunftsstif- tung fördert Forschungsprojekte der Fraunhofer-Gesellschaft, die die Trans- formation zu einer nachhaltigen Wirt- schafts- und Lebensweise erleichtern und beschleunigen. Dabei orientiert sie sich an den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs). Joseph-von-Fraunhofer-Preis Seit 1978 verleiht die Fraunhofer- Gesellschaft jährlich den Joseph-von- Fraunhofer-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen ihrer Mitarbeitenden, die anwendungs- nahe Probleme lösen. Kriterien für die Auszeichnung mit dem Forschungs- preis sind u. a. die Neuartigkeit des wissenschaftlich-methodischen Ansatzes, der Erkenntnisfortschritt und die Umsetzung der wissenschaftlichen Ergebnisse in die Anwendung. 2023 wurden drei Joseph-von-Fraunhofer- Preise mit jeweils 50 000 € vergeben. Hugo-Geiger-Preis Mit dem Hugo-Geiger-Preis zeichnet das Bayerische Wirtschaftsministerium hervorragende Promotionsarbeiten aus, die in Kooperation mit Fraunhofer-Insti- tuten entstanden sind. Benannt ist der Preis nach dem Staatssekretär Hugo Geiger, der als Schirmherr der Grün- dungsversammlung der Fraunhofer- Gesellschaft am 26. März 1949 fungierte. 5656 Cassi Welling, Dr. Henrik von Lukowicz, Dr. Matthias Beier und Clemens Horch (v.l.)

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2023 Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2023, EARTO Innovation Award Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2023 Mikrolautsprecher: Energieeffizienz für In-Ear-Kopfhörer Künftig könnten intelligente In-Ear- Kopfhörer mit direkter Internetschnitt- stelle viele Smartphone-Funktionen ersetzen. Die Basis dafür legte ein Forschungsteam vom Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS: Die dort entwickelten Lautsprecher bestehen gänzlich aus Silizium, lassen sich kostengünstig über Mikroelektro- niktechnologien herstellen und errei- chen die geforderte Lautheit von 120 Dezibel ohne hohen Energiebedarf der Verstärkerschaltung. Möglich wird dies u. a. durch ein gänzlich neues Design des Lautsprechers. Die schallverdrän- genden Elemente befinden sich erstmals senkrecht im Volumen des Siliziumchips. Zur Vermarktung der Lautsprecher wurde 2019 die Arioso Systems GmbH als Spin-off des Fraunhofer IPMS und der Forschungsarbeiten an der Bran- denburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg gegründet. Die Ausgründung wurde im Sommer 2022 von der Bosch Sensortec GmbH über- nommen, um Spitzenprodukte für den globalen Massenmarkt zu entwickeln. Gebäudedämmung: Nachhaltig und kostengünstig mit Aerogelen Gebäudedämmung kann wesentlich zum Einsparen von CO2-Emissionen beitragen. Herkömmliche Dämmstoffe wie Styropor basieren jedoch auf petrochemischen Quellen. Nils Mölders und Andreas Sengespeick vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT sowie Christoph Dworatzyk von der PROCERAM GmbH & Co. KG gelang die massentaugliche Produktion eines nachhaltigen und kostengünstigen mineralischen Dämmstoffs auf Basis von Aerogelen. Innerhalb von nur sechs Jahren entwickelte das Team ein neuarti- ges Produktionsverfahren für Aerogele, das vollständig ohne umweltgefährdende Chemikalien auskommt – vom Labor bis in den vorindustriellen Maßstab. Die Herstellungskosten der Aerogele sanken um 70 Prozent, die Produktionszeit von mehr als zehn Stunden auf 4 Stunden. Im Oktober 2023 wurde das Projekt zudem mit dem Innovation Award der European Association of Research and Technology Organisations (EARTO) in der Kategorie »Impact Expected« ausgezeichnet. Audiotechnologie: Personalisierbare Hörerlebnisse in 3D Ein Team des Fraunhofer-Insitituts für Integrierte Schaltungen IIS entwickelt ein Gesamtsystem, das von der Ton- produktion über die Übertragung bis hin zur Wiedergabe die gesamte Kette abdeckt. MPEG-H Audio umfasst Pro- duktionswerkzeuge, Datei- und Übertra- gungsformate und neuartige Wiederga- beverfahren sowie Softwarelösungen für Integratoren. Ein Beispiel der zahlreichen Entwicklungen rund um MPEG-H Audio ist das immersive, objektbasierte Musik- format 360 Reality Audio des Elektro- nikkonzerns Sony. Es findet sich schon heute bei vielen Streamingdiensten. Ein mit dieser Technologie produziertes Album erhielt 2023 sogar den Grammy für das beste immersive Album. Das MPEG-H Audio-System bringt die drei- dimensionale Klangwelt auf immer mehr Wiedergabegeräte. Der dafür nötige Prozess unterscheidet die Technologie aus dem Fraunhofer IIS deutlich von anderen 3D-Soundsystemen: Statt ausschließlich klassische Tonspuren zu verwenden, wird in der Produktion mit Audioobjekten gearbeitet. i k s w o r e z c n a B i r t o P / r e f o h n u a r F : s o t o F Dr. Sergiu Langa, Dr. Bert Kaiser und Dr. Holger Conrad (v. l.) Christoph Dworatzyk, Andreas Sengespeick und Nils Mölders (v. l.) Adrian Murtaza, Harald Fuchs und Dr. Achim Kuntz (v. l.) 5757

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Hugo-Geiger-Preis 2023 Platz 1 Hugo-Geiger-Preis 2023 Platz 2 Hugo-Geiger-Preis 2023 Platz 3 Neues Material für Halbleiterspeicher Effizientes 3D-Audio in bester Klangqualität Neuer Ansatz für die Krebsfrüherkennung Dr. Maximilian Lederer entwickelte in seiner Dissertation mit dem Fraunhofer- Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS Verfahren für die Fertigung von Hafniumoxid. Damit lassen sich schnelle- re, energiesparende und sichere Arbeits- oder USB-Speicher und neuronale Netze für Künstliche Intelligenz realisieren. Da die ferroelektrischen Fähigkeiten des in der Halbleitertechnik verwendeten Mate- rials Hafniumoxid (HfO2) bisher nicht vollständig verstanden wurden, ließ es sich kaum zuverlässig in nichtflüchtigen Halbleiterspeichern (FeRAM) verwen- den. Lederer untersuchte die kristalline Mikrostruktur des Materials mit neuen Methoden und fand heraus, welche Aus- wirkungen kleinste physikalische Prozes- se, Abscheide- und Prozessbedingungen auf das ferroelektrische Schaltverhalten von HfO2 haben. Auf dieser Grundlage entwickelte er neue Herstellungspro- zesse, die Wachstum oder Zusammen- setzung des Materials optimieren, wie die von ihm erstmals gezeigte feldindu- zierte Kristallisation durch elektrische Spannung. Derzeit testet der Dresdner Chiphersteller Globalfoundries ferro- elektrische Speicherbauelemente in einer Forschungs- und Entwicklungslinie. Dr. Sascha Dick leistet mit seiner Disserta- tion mit dem Fraunhofer-Institut für Inte- grierte Schaltungen IIS einen Beitrag zur qualitativen und effizienten Übertragung und Verarbeitung von 3D-Audiosignalen. Nach zahlreichen Hörtest-Experimen- ten fand der Forscher heraus, dass sich die Genauigkeit der Lokalisierung von räumlich verteilten Schallquellen auch datenanalytisch bestimmen lässt. Sein daraus entwickeltes psychoakustisches Modell beschreibt, wie die räumliche Ver- teilung der Lautstärke von verschiedenen Schallquellen wahrgenommen wird. Auf dieser Basis können Quellen, die man nicht unterscheiden kann, zusammenge- fasst und um den Faktor zehn reduziert werden – bei weiterhin exzellenter Klang- qualität. Dies erlaubt die Entwicklung effizienter Algorithmen zur 3D-Audio- codierung, die nicht nur die qualitative Konvertierung von Kinofilmen fürs Heim- kino ermöglichen, sondern dank deutlich reduzierter Datenraten auch Echtzeit- anwendungen im Virtual-Reality- und Gaming-Bereich. Durch ein intelligentes Zusammenfassen der Schallquellen lässt sich zudem die Sprachverständlichkeit und damit die akustische Barrierefreiheit verbessern. Dr. Susann Allelein legte in ihrer Pro- motion mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI die Grundlagen für einfachere Flüssig- biopsien zur schnelleren Diagnostik von Krebs durch extrazelluläre Vesikel. Dank Partikeln, die lange als Zellmüll galten, könnten Flüssigbiopsien aus Blut oder Urin künftig nachteilige Gewebebiopsien ablösen. Über die extrazellulären Vesikel in Körperflüssigkeiten tauschen Zellen Informationen über ihre Beschaffenheit und Bestandteile miteinander aus. Die Forscherin untersuchte in ihrer weg- weisenden Dissertation, wie sie sich für die Früherkennung von Prostatakrebs nutzen lassen. Darin entwickelte sie neue Verfahren, um die etwa virengroßen Vesikel effizient zu charakterisieren und die relevanten darunter aus der Fülle aller Zellinformationspakete zu isolieren. Obwohl das untersuchte Prostatakrebs- spezifische Protein sich als ungeeigneter Marker herausstellte, schuf die Wissen- schaftlerin wichtige Voraussetzungen für die weitere Forschung mit extrazellu- lären Vesikeln, deren Potenzial über die Krebsdiagnostik hinaus bis zur präzisen Therapieüberwachung und Entwicklung von Impfstoffen reicht. Dr. Maximilian Lederer Dr. Sascha Dick Dr. Susann Allelein 5588 t r e n u r G a e a h c l i M / I Z I r e f o h n u a r F , t r e k u P l l u a P / S I I r e f o h n u a r F , k a s s a L n a i t s a b e S / S M P I r e f o h n u a r F : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Forschungswettbewerbe – national und international und -ausgang beschleunigen sich zwischen 15 und 35 Prozent. So entfällt beispielsweise das händische Scannen von Barcodes oder die tägliche manu- elle Inventur von Packstücken. Nahver- kehrsfahrzeuge können z. B. morgens schneller mit der Warenauslieferung starten – das bringt den Fahrerinnen und Fahrern wertvolle Zeit im Berufsverkehr. Die Technologie wurde gemeinsam im Dachser Enterprise Lab entwickelt und bereits in den Niederlassungen Unter- schleißheim bei München und Öhringen bei Heilbronn implementiert. 2024 soll der Roll-out der neuen Technologie im ersten Schritt beginnen und dann sukzessive in den europäischen Nieder- lassungen erfolgen. Stellvertretend für die FuE-Teams von Dachser und Fraunhofer freuen sich die Gewinner 2023 Deutscher Logistik-Preis Zusammen mit Dachser erhielt das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML den Deutschen Logistik- Preis der Bundesvereinigung Logistik (BVL) für die Entwicklung des Digita- len Zwillings @ILO (›Advanced Indoor Localization and Operations‹). Spezielle KI-basierte Algorithmen der @ILO-Soft- ware interpretieren die im Sekundentakt von Hunderten optischen Scaneinheiten an der Hallendecke erfassten Daten, um so alle Packstücke automatisch und unmittelbar zu identifizieren, zu lokalisie- ren und in Zukunft auch zu vermessen. Dabei wird mittels eines Digitalen Zwil- lings ein komplettes, jederzeit aktuelles Abbild des Lagers und seiner Prozesse erstellt. Mitarbeitende erhalten diese Informationen übersichtlich auf mobilen Geräten und Displays angezeigt. Einzelne Prozessabläufe zwischen Wareneingang Technology Award Das Förderprojekt secureAR gewann den Technology Award bei der Abschluss- konferenz des Programms »Zukunft der Wertschöpfung«, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. An der Entwicklung beteiligt ist das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasma- technik FEP. Das Konsortium schuf eine branchenübergreifende, cloudbasierte Serviceplattform mit offenen Industrie- schnittstellen. Dazu gehört ein Assis- tenzsystem mit einer Datenbrille, deren OLED-Mikrodisplay am Fraunhofer FEP entwickelt wurde. Die Ergebnisse basie- ren auf neuesten Forschungsergebnissen aus Computer Vision, Machine Learning und Datensicherheit. Die Serviceplatt- form erfasst Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Planung über die Produktionsprozesse bis zur Wartung der Anlagen und ermöglicht eine orts- und situationsbezogene Bereit- stellung und Visualisierung der Daten über das neuartige AR-Assistenzsystem. Als Beispielszenarien dienten industrielle Fertigungen bei Airbus und Siemens. Dazu wurde das AR-System in Schutzaus- rüstungen integriert. AR-Assistenzsystem, ausgestattet mit stromsparenden 720p OLED-Mikro- displays 59 59 P E F r e f o h n u a r F , . V . e ) L V B ( k i t s i g o L g n u g n e r e v s e d n u B i i : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Prof. Dr. Karl Mandel (Fraunhofer ISC) und Dr. Oliver Höhn (Fraunhofer ISE) (v. l.) Consolidator Grant des europäischen Forschungsrats Der europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) vergibt mit den »Consolidator Grants« Förderungen von bis zu 2 Mio. € für 5 Jahre an vielver- sprechende Postdoc-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler. Zwei Fraunhofer- Wissenschaftler können ab 2024 ihre Vor- haben intensivieren: Prof. Dr. Karl Mandel, Universität Erlangen und Fraunhofer- Institut für Silicatforschung ISC, will mit dem Projekt »SmartRust« Objekte in Materie verwandeln, die Umgebungs- einflüsse wahrnehmen und mitteilen kann. Ziele von Mandel sind u. a., die Produktsicherheit und -zuverlässigkeit von Materialien zu gewährleisten, eine vorausschauende Wartung zu ermög- lichen und komplexe Recycling-Zustände von Materialien transparent zu machen. Dr. Oliver Höhn, Universität Freiburg und Fraunhofer-Institut für Solare Energiesys- teme ISE, wird im Projekt »PHASE« seine Forschung zu ressourcenschonenden, ultradünnen und höchsteffizienten Solar- zellen vorantreiben. Unter anderem wird eine Plasmaätzanlage für Halbleiterma- terialien der chemischen Hauptgruppen III und V finanziert. Bei PHASE soll das Konzept ultradünner Einfachsolarzellen auf Tandem-Solarzellen erweitert werden und der Materialaufwand für den res- sourcenintensiven Halbleiterteil um eine Größenordnung reduziert werden. Für die aktuelle Ausschreibungsrunde des ERC hatten sich europaweit 2130 Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler beworben, knapp über 300 Consolidator Grants wurden vergeben. i g r u b e r F t ä t i s r e v n U i Die dort entwickelte Lösung, Zellen oder organoide Systeme lebend bei Außentemperatur und nicht wie bisher gefroren zu befördern, gewinnt an Rele- vanz: beispielsweise für die Behandlung von schwer Erkrankten mit Zelltherapien (CAR-T- oder ATMP-Therapien) oder für Alternativen zu toxikologischen Tier- tests in der Medikamentenentwicklung. Für den Transport, etwa von der Klinik ins Labor oder von Biotechnologie- zu Pharmafirmen mussten die Zellen bzw. das Gewebe bislang in flüssigem Stick- stoff eingefroren werden. Dies kann die empfindlichen Zellen schädigen. Mit Cellbox steht erstmals ein Trans- port-System für eine Konservierung ohne Einfrieren zur Verfügung. Das derzeit 15-köpfige Team von Cellbox verkauft den transportablen Zellinku- bator weltweit, die Kunden kommen aus Deutschland, Europa, den USA und Asien mit Schwerpunkt China. 2023 wurde die Fraunhofer-Ausgründung mit dem »Accelerator Award« des European Innovation Council, einer Fördersäule des EU-Rahmenprogramms Horizon Europe, ausgezeichnet: Enthalten sind 2,5 Mio. € Basisfinanzierung. Darüber hinaus besteht die Option, die Summe in den nächsten Jahren 10 Mio. € Eigen- kapital zu spiegeln. Das Spin-off will zusammen mit einer Reihe weiterer Fraunhofer-Institute die Cellbox u. a. für den Markt der therapeutischen Zellthe- rapien (ATMP) weiterentwickeln. , m a s l e S n i r t a K / C S I r e f o h n u a r F , n n a m r h e W s r a L / s n o i t u o S x o b l l l e C : s o t o F Prof. Dr. Kathrin Adlkofer gründete Cellbox Accelerator Award der EU-Kommission für Cellbox Mit der Idee, biologisches Mate- rial erstmals lebend zu verschicken, wurde 2016 das Spin-off Cellbox aus der heutigen Fraunhofer-Einrichtung für Individualisierte und Zellbasierte Medizintechnik IMTE ausgegründet. 60 60

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen EIT Digital Challenge 2023 Ein Beispiel für den Transfer von Digi- talisierungstechnologien in den breiten Markt ist die Ausgründung Threedy des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD. Threedy hatte bereits 2022 den Fraunhofer-Gründer- preis erhalten. 2023 wurde es beim Wettbewerb »Digital Challenge 2023« des Europäischen Innovations- und Tech- nologieinstituts (EIT) unter die europa- weit zehn spannendsten Scale-up- Ausgründungen gewählt. Dies sind Gründungen mit einem besonders schnellen Wachstum. Das Produkt von Threedy, instant3Dhub, ist eine Platt- form für Visual Computing in industriel- len Prozessen. Die Idee zur Ausgründung kam der Forschungsgruppe 2015 mit dem Auftrag eines deutschen Automo- bilkonzerns. Die Kunden von Threedy sind meist Unternehmen aus der Auto- mobilindustrie oder dem Maschinenbau. Mit instant3hub stellt sie allen beteilig- ten Bereichen in jedem Prozessschritt unkompliziert und in Echtzeit 3D-Daten zur Verfügung. Dies vereinfacht Prozes- se, spart signifikant Zeit und hebt das Qualitäts- und Fehlermanagement auf ein neues Level. Neben den zentralen Unterstützungs- angeboten für gründungsinteressierte Mitarbeitende fördert das Fraunhofer IGD Ausgründungen zusätzlich. Ziel ist es, den Transfer von der Forschung in die Praxis und von Anwendenden zurück in die Forschung zu intensivieren. Christian Stein, Dr. Johannes Behr, Maik Thöner und Sascha Räsch gründeten Threedy (v. r.) Otto von Guericke-Preis Für ihre Lösungsansätze zur Lackier- technik erhielten Franz Balluff und Thomas Hess vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA den Otto von Guericke-Preis 2023. Die Ingenieure untersuchten hochpräzise und selektive Lackierprozesse zum neu- artigen Verfahren des »Digital Painting«. Dabei werden Einzeltropfen genutzt, um Komplettbeschichtungen zu realisie- ren und um Linien, Flächen oder Logos randscharf und nahezu oversprayfrei zu erzeugen. Das Team untersuchte Lack- eigenschaften zur Tropfenerzeugung und erarbeitete Vorgaben für Lacke und Düsen bei Mehrfarbenlackierungen, ver- bunden mit selektivem Korrosionsschutz und vollständiger Overspray-Vermeidung. Eine Toolbox für Lackhersteller und Lackierbetriebe fasst die Erkenntnisse zusammen. Digital Painting könnte in der Anwendung zu enormer Ressour- censchonung und Kostenersparnissen führen, da weniger Abklebe- und Säu- berungsarbeiten notwendig werden. Der mit 10 000 € dotierte Wissenschaftspreis wird seit 1997 von der AiF Arbeitsge- meinschaft industrieller Forschungsver- einigungen »Otto von Guericke« e.V. ver- liehen. Ausgezeichnet werden besondere Innovationsleistungen der vorwettbe- werblichen Industriellen Gemeinschafts- forschung, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. y d e e r h T , . V . e F A i : s o t o F Thomas Hess und Franz Balluff vom Fraunhofer IPA (3. und 4. v. l.), erhielten die Auszeichnung für nachhaltige Lackierprozesse 6161

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Wissenschaftspreis für Operations Research Alle zwei Jahre vergibt die Gesellschaft für Operations Research (GOR) einen Wissenschaftspreis. 2023 ging die Aus- zeichnung an Prof. Dr. Anita Schöbel, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM und Professorin an der Rhein- land-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Das Spezialge- biet Operations Research liefert mathe- matische Modelle für Entscheidungsfin- dungen. Schöbel betonte, sie wolle die Methoden in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft noch bekannter machen. Die Verteilung von Energie oder die Planung von Mobilität seien Herausforderungen, zu denen Operations Research beitra- gen könne. Prof. Dr. Anita Schöbel Sustainable Award in Automotive Die Unternehmensberatung Arthur D. Little verlieh in Kooperation mit den Fachzeitschriften für Automobil- und Motortechnik des Springer-Verlags 2023 zum dritten Mal den »Sustainability Award in Automotive«. In der Kategorie »Technology: Full Vehicle« wurde die EDAG Engineering GmbH für ein modula- res Fahrzeugkonzept ausgezeichnet. Das Konzept geht auf eine Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Werk- zeugmaschinen und Umformtechnik IWU zurück. Ziel des gemeinsamen Projekts war die Entwicklung einer Fahrzeugplatt- form für E-Autos, die langlebig ist und Schutz beim Aufprall bietet. Durch die Konzeption eines modularen Fahrzeug- konzepts können einzelne Fahrzeug- komponenten ausgetauscht und andere mehrfach wiederverwendet werden. Die Jury hob hervor, dass damit die Lebens- dauer des Fahrzeugs erhöht werde. Prof. Dr.-Ing. Peter Liggesmeyer Deutscher Preis für Software-Qualität Der Deutsche Preis für Software-Quali- tät 2023 (DPSQ23) wurde im Juni an Prof. Dr.-Ing. Peter Liggesmeyer verlie- hen. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Enginee- ring IESE und Inhaber des Lehrstuhls für Software Engineering am Fachbereich Informatik der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslau- tern-Landau beschäftigt sich mit den Themen Safety, Security, Reliability und Availability, insbesondere im Bereich autonomer Systeme. Der Deutsche Preis für Software-Qualität wurde bereits zum dritten Mal vom Arbeitskreis Soft- ware-Qualität und -Fortbildung (ASQF), einer Fachgruppe der Gesellschaft für Informatik (GI-TAV), sowie vom German Testing Board (GTB) verliehen. Beste eingereichte Idee der »INNOspace Masters« 2023 wurde die Technologie der vibro- akustischen Metamaterialien (VAMM- Technologie) des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigung und Systemzuverlässig- keit LBF als beste Idee einer Forschungs- organisation seit Bestehen des »INNO- space Masters«-Wettbewerbs 2015 ausgezeichnet. Mehrfach konnte sich das Fraunhofer LBF im Lauf der Jahre unter den drei bestplatzierten Teams behaup- ten. Zum Beispiel bauten die Fraunhofer- Forschenden seit 2017/18 mit den Projektpartnern MT Aerospace und OHB-System AG drei Weltraumdemons- tratoren. Dabei wurden die Belastungen beim Start von Trägerraketen berück- sichtigt und die Weltraumtauglichkeit der Materialien aufgezeigt. Die For- schungsergebnisse des Projekts »Silent Running« zeigten, dass der Einsatz von VAMM im Weltraum realisierbar ist und dass die Technologie neue Möglichkeiten für Leichtbau und Schwingungsreduk- tion bietet. VAMM tragen nicht nur zu Leichtbaulösungen in der kosteninten- siven Raumfahrt bei. Sie helfen auch dabei, dass optische Aggregate nicht von Mikroschwingungen beeinträchtigt werden und störungsfrei funktionieren können. Mit Metamaterialien wird ein in der Natur nicht auftretendes Material- verhalten erzeugt. Neben optischen und elektromagnetischen Metamaterialien können solche Werkstoffe auch zur Lärm- und Schwingungsminderung ein- gesetzt werden. Vibroakustische Metamaterialien bewir- ken ein deutlich verbessertes Schwingungs- verhalten und sind vielseitig einsetzbar 62 62 e d y e H s a h t t a M i / E S E I r e f o h n u a r F , M W T I r e f o h n u a r F , e k p a a R l a u s r U / F B L r e f o h n u a r F : s o t o F

Aus der Fraunhofer-Forschung | Auszeichnungen Rising Digital Award für Spin-off Logistikbude Zum zweiten Mal zeichnete das Dortmunder IT-Unternehmen Conciso Start-ups aus, die mit Digitalisierung neue Benefits erzeugen. Dabei konnte sich die Ausgründung Logistikbude des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML gegen viele hochkaräti- ge Start-ups durchsetzen. Das Unterneh- men organisiert für Unternehmen deren Management von Paletten, Behältern und diversen weiteren Mehrweg-Objek- ten. Auf Basis einer webbasierten Lösung und von Schnittstellen wird so Transparenz über Bestände und Ströme geschaffen und Abstimmungsprozesse werden automatisiert. Durch diese Digi- talisierung des Mehrweg-Managements sind enorme Ressourceneinsparungen möglich: laut Angaben von Logistik- bude bis zu 80 Prozent beim Personal, bis zu 40 Prozent beim Nachkauf und bis zu 20 000 Tonnen CO2-Emissionen. Das junge Unternehmen erhält 30 000 € Preisgeld und wurde für einige Monate beim Geschäftsausbau durch Mentoring unterstützt. i k s w e j l e o G . M , H b m G e d u b k i t s i g o L : s o t o F Das Gründerteam: Jan Möller, Dr. Philipp Hüning, Patrik Elfert und Michael Koscharnyj (v.l.) Bundesverkehrsminister Volker Wissing verlieh den Deutschen Mobilitätspreis an Dr. Claus Doll (Fraunhofer ISI), Nina Rösner (takomat GmbH) und Michael König (KIT) (v.l.) Deutscher Mobilitätspreis Das Forschungsprojekt MobileCityGame mit dem Simulator MobileCity-App wurde in der Rubrik »Digital Trans- formation & Data Driven Mobility« des Deutschen Mobilitätspreises gewürdigt. Die App macht komplexe Zusammen- hänge in Verkehrssystemen spielerisch verständlich und dient als Anschauungs- objekt für Mobilitätsmodelle, etwa in der Lehre oder für Beteiligungsprozesse. Darüber hinaus entstand ein professio- nelles Simulationstool für Forschung und für die kommunale Mobilitäts- planung, um nachhaltige und finanziell tragfähige Mobilitätssysteme zu entwi- ckeln. Die App basiert auf unterschiedli- chen Simulations- und Analysemodellen, Expertenwissen und Daten der Stadt Karlsruhe. Sie ist die weltweit einzige App, bei der ein vollständiges Verkehrs- modell lokal auf digitalen Endgeräten läuft. Im Folgeprojekt CarGoNE-City will das Konsortium die Simulation auf die urbane Logistik erweitern und auf drei europäische Städte übertragen. Seit dem Wintersemester 2023/24 wird die App in einem Seminar am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) genutzt. Das 30-köpfige Projektteam bestand aus Forschenden der Fraunhofer-Insti- tute für System- und Innovationsfor- schung ISI, für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, dem KIT und der takomat GmbH. Der Mobilitätspreis wird jährlich vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr verliehen. 63 63

Aus der Fraunhofer-Forschung I Menschen in der Forschung Prof. Dr. Mario Ragwitz Co-Leitung der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG | Professor für Integrierte Energieinfrastrukturen an der BTU Cottbus-Senftenberg | Teilzeit-Professor am Robert Schuman Centre for Advanced Studies, Europäisches Hoch- schulinstitut der EU | Honorarprofessor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Technologien für die Transformation Das Lob könnte größer kaum ausfallen: »Dass ich Mario Rag- witz eingestellt habe, war die beste Tat, die ich für Fraunhofer vollbringen konnte«, urteilt sein erster Chef am Fraunhofer- Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Prof. Harald Bradtke. 2002 wechselte Dr. Mario Ragwitz vom Max-Planck- Institut für die Physik komplexer Systeme ans Fraunhofer ISI. Damit brachte er die neuesten Erkenntnisse der mathema- tischen Chaostheorie zur Modellierung von klimaneutralen Energiesystemen. Heute ist Ragwitz einer der Energiesystem- experten Deutschlands. Was treibt ihn an? »Für unsere Überlebensfähigkeit müssen wir die Auswirkungen des Klimawandels reduzieren. Deshalb ist die Transformation des Energiesystems unumgänglich.« Als sich der Physiker für eine Bewerbung bei Fraunhofer entschied, war es ihm wichtig, dass seine Forschung Wirkung erzeugen kann und umgesetzt wird – angewandte Forschung eben. 2023, 21 Jahre später, leitet Prof. Mario Ragwitz gemeinsam mit Prof. Rolf Bracke die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geo- thermie IEG. Seit 2020 ist er Sprecher des Fraunhofer-Was- serstoff-Netzwerks, seit 2019 koordiniert er das Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems CINES. Neben der deutschen Bundesregierung berät er die Europäische Kommission und das Parlament der EU, den Deutschen Bundestag, die Weltbank, Regierungen anderer Staaten und natürlich Unternehmen. Ein wichtiger Schritt für den wissenschaftlichen Erfolg und das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Robustheit seiner Modellierungen sei eine Studie von 2004 für die EU-Kommis- sion gewesen, erzählt Ragwitz. In »FORRES 2020: Analysis of the Renewable Energy Sources’ Evolution up to 2020« wurde bereits analysiert, dass die EU es ohne weitere Anstrengun- gen nicht schaffen werde, ihr Ziel beim Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung bis 2020 zu erreichen. In der Folge trug der Physiker u. a. dazu bei, die EU-Ziele für erneuerbare Energien für 2020 und 2030 abzuleiten, er war auch beteiligt an der Evaluierung und Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Deutschland. Von welchen Technologien hängt es ab, dass Deutschland die energetische Transformation schnell und auch sicher schafft? Vom Ausbau eines flexiblen Energienetzes über die Sektoren Strom, Gas, Wärme und Mobilität hinweg? Vom Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, einschließlich Elektrolyseuren und Umrüstung der Gasleitungen? Von Speichertechnologien wie Erdbecken-Wärmespeicher und von der Hochskalierung der Wärmepumpen auf Megawattstunden-Kapazität? Oder vom Ausbau der Geothermie, in der Tiefe und oberflächennah, je nach Eignung? Fragen über Fragen, und die klingen nach viel zu vielen Unbekannten. Mario Ragwitz kontert: »Die Trans- formation des Energiesystems wird sich in den nächsten zwei Jahrzehnten im Wesentlichen auf heute weitgehend bekannte Technologien stützen, die ihre grundsätzliche Funktionstüch- tigkeit erwiesen haben.« Wer das sehen will, kann es sich an den Standorten der Fraunhofer IEG, gelegen in den (ehema- ligen) Braunkohlerevieren, zeigen lassen. Ragwitz geht davon aus, dass für Deutschland bei einer Verdoppelung des Strom- bedarfs bis 2035 ein Anteil von 90 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern erreichbar ist – zu vertretbaren Kosten. »Ich bin zuversichtlich, dass wir binnen eines Jahrzehnts ein Preisniveau stabilisieren können, das unter Berücksichtigung der CO2-Emis- sionsabgaben Wettbewerbsfähigkeit erlaubt.« 6565

Aus der Fraunhofer-Forschung I Menschen in der Forschung Prof. Dr. Liliana da Silva Ferreira Informatikerin | Vorstandsmitglied der Associação Fraunhofer Portugal Research | Leiterin des Fraunhofer Center for Assistive Information and Communication Solutions AICOS in Porto | eingeladene ordentliche Professorin an der Faculdade de Engenharia da Universidade do Porto Rückkehr zu exzellenten Forschungsbedingungen Sie war von 2017 bis Ende November 2023 die Chefin der inzwischen größten selbstständigen Fraunhofer-Auslands- gesellschaft in Europa: der Associação Fraunhofer Portugal Research oder kurz Fraunhofer Portugal. Seit 2008 wurde unter dem Dach des neu gegründeten Vereins Fraunhofer Por- tugal das erste Center for Assistive Information and Communi- cation Solutions AICOS in ihrer Geburtsstadt Porto aufgebaut, schon 2011 kam die Informatikerin als »Senior Scientist« dazu. Liliana da Silva Ferreiras Promotion über automatisierte Infor- mationsextraktion für medizinische Berichte passte sehr gut in die Thematik der neuen Einrichtung. Damals wie heute ist das Thema hochaktuell. Die Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) ist ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Während sich NLP auf die Ana- lyse von natürlicher Sprache durch Computer bezieht, können inzwischen mit generativer KI wie ChatGPT menschenähnliche Inhalte erzeugt werden. 2016 nahm die Sprachmodelliererin das Angebot eines Indus- triekonzerns an und zog mit ihrer Familie und den damals kleinen Kindern in die Niederlande. Bei ihrem Engagement auf der anderen Seite des Entwicklungs- und Transfergeschehens ist ihr bewusst geworden: »Erst als ich aufseiten der Industrie in der Entwicklung gearbeitet habe, ist mir klar geworden, dass wir am Fraunhofer AICOS bereits auf wissenschaftlich höchs- tem internationalem Niveau und gemeinsam mit Top Playern der Industrie unterwegs waren.« Diese Erkenntnis treibe sie bis heute an. 2017 kehrte sie mit ihrer Familie zurück – nach Porto und zu Fraunhofer. Anlass waren die Pläne des portugiesischen Forschungsministeriums, ein weiteres Fraunhofer Center aufzu- bauen. Themen sollten Wasser- und Ressourcenmanagement sein. In Portugal wie in ganz Südeuropa bleibt wenig Zeit, um Lösungen zu finden, denn Bevölkerung wie Wirtschaft leiden hier bereits enorm unter den Folgen des Klimawandels: Eine Ministerialbeamtin, mit der Liliana da Silva Ferreira über den portugiesischen Grundfinanzierungsanteil verhandelte, hatte im Dezember 2017 – eigentlich eine Jahreszeit, um die zahlreichen portugiesischen Speicherseen aufzufüllen – mehrere Wochen lang kein fließendes Wasser in ihrem Haus. Für den Ausbau des zweiten Fraunhofer Portugal Center holte Liliana da Silva Ferrei- ra einige Partner an Bord, vor allem die »National Foundation of Science and Technology« in Portugal sowie die Universitäten Évora und Trás-os-Montes e Alto Douro. Zudem galt es, Mittel für Ausstattung und Infrastruktur für das Center for Advanced Water, Energy and Resource Management aufzubringen. Mit dem Schritt zur Vorstandsvorsitzenden der Associação Fraunhofer Portugal Research wechselte Liliana da Silva Ferreira 2017 endgültig von der Wissenschaft ins Forschungsmanage- ment. Bei der erfolgreichen Evaluation von Fraunhofer AICOS im Oktober 2023 konnte sie überzeugende Zahlen präsen- tieren: Die externen Projekterträge wuchsen von 1,91 Mio. € im Jahr 2018 auf für 2023 prognostizierte 3,84 Mio. €. Das Fraunhofer AICOS war seit seiner Gründung an 19 EU-Projek- ten beteiligt, unterhält Partnerschaften mit über 400 Orga- nisationen in 37 Ländern und erhielt 18 Patente von bislang 38 Patentanmeldungen. Für ihr langjähriges Engagement in verschiedenen Positionen wurde die Chefin von Fraunhofer Portugal 2023 beim internen »International Day« mit dem Fraunhofer-Taler ausgezeichnet. Ende 2023 gab Liliana da Silva Ferreira das Amt als Vorsitzende des Vorstands ab, sie bleibt Vorstandsmitglied und kümmert sich künftig wieder verstärkt als Leiterin um die Belange von Fraunhofer AICOS. Den Vorstandsvorsitz der Associação Fraunhofer Portugal Research übernahm ihr Nachfolger Pedro Almeida. Liliana da Silva Ferreira kehrt gern in ihr früheres Auf- gabenspektrum zurück. Denn dort kann sie als Informatikerin mit ihrem Team digitale Anwendungen realisieren, die der Menschheit nützen. Getreu dem Motto: »Proposing Futures. Impacting Lives.« 6666

Aus der Fraunhofer-Forschung I Menschen in der Forschung Dr. rer. sust. Dominik Spancken Schlosser | Dipl.-Ing. Maschinenbau | Kunststofftechnik M. Eng. Der erste »Dr. rer. sust.« Premiere in Deutschland: Erstmals wurde der Titel »Dr. rer. sust.« verliehen. Und der erste »Doctor rerum sustinentium« ist Dominik Spancken, Teamleiter für Ressourceneffiziente Composite am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF. Bundesweit ist die Hochschule Darmstadt bisher die Einzige, die den Doktortitel der Nach- haltigkeitswissenschaften verleiht. Spancken verteidigte seine Dissertation im Juli 2023, im November erschien die Veröf- fentlichung. Der Ingenieur untersuchte, wie sich konventionel- le Kunststoffe in sogenannter Weißer Ware, z. B. in Geschirr- spül- oder Waschmaschinen, durch Recycling-Kunststoffe ersetzen lassen. Als Demonstrator wählte er den Basisträger solcher Maschinen – Bauteile, die für die Endverbraucherinnen und -verbraucher hinter den Verkleidungen nicht sichtbar sind, die aber stark beansprucht werden. Die Potenziale sind beeindruckend: Wenn der ganze Basisträger mit seinem Gewicht von zwei Kilo aus Rezyklat-Kunststoff statt aus neu produziertem Kunststoff hergestellt wird, könnten bei einer Produktion von rund drei Millionen Spülmaschinen jähr- lich 2500 Tonnen Rohöl oder 7800 Tonnen CO2 eingespart werden. Außer den Möglichkeiten analysierte Spancken auch die Hemmnisse für die Industrie, auf nachhaltigere Kunststof- fe umzusteigen. Hierzu zählen derzeit teils noch leicht höhere Kosten für Recycling-Kunststoffe auf der einen, die zurzeit noch bessere und verlässlichere Verfügbarkeit konventioneller Kunststoffe auf der anderen Seite. Doch Spancken ist über- zeugt, dass ein Umdenken möglich ist: »Mit transdisziplinärer Forschung wird es nicht nur gelingen, eine Nachhaltigkeits- transformation in der Gesellschaft zu erreichen, sondern auch zukünftig mehr junge Menschen für Ingenieurstudien mit sozialwissenschaftlichen Inhalten zu gewinnen.« Sich eigene Wege zu erschließen, hat Dominik Spancken früh gelernt. Sein Weg zum »Dr. rer. sust.« begann mit der Schlosserlehre, führte übers Fachabitur zum Maschinenbau- Studium. Die lange Strecke kennt er gut vom Marathon-Trai- ning. Unterstützt hat ihn sein berufliches Netzwerk. Prof. Dr. Andreas Büter, Abteilungsleiter am Fraunhofer LBF mit Lehr- aufträgen an der Hochschule Darmstadt und an der RWTH Aachen University, hatte Spancken zunächst als Student, ab 2011 als Wissenschaftler für das Fraunhofer LBF gewonnen – und betreute die Promotion. Mit dem Kunden BSH – Bosch Siemens Haushaltsgeräte wurden 2020 mehrere Anwen- dungsbezüge erwogen. Der Durchbruch war sportlich: »Frei- tags entwickelten wir die Idee mit den Rezyklaten in Weißer Ware. Montags standen Plan und Konzept – dienstags ging’s los!« Die Robert Bosch GmbH und BSH stellten 150 000 € für Materialuntersuchungen im Rahmen der Promotion zur Verfügung. Derzeit arbeitet Dominik Spancken im Auftrag der Robert Bosch GmbH an Materialdatenbanken, um Produkt- entwicklungen effizienter und zuverlässiger zu gestalten. Wie sieht der Marathonläufer sein Ziel? Langfristig möchte Spancken selbst Ingenieurswissenschaften enger mit den Sozial- und Kulturwissenschaften verknüpfen und dies in der Lehre vermitteln. Wirtschaft und Konsumierende müssten ein Bewusstsein für verbrauchte Ressourcen entwickeln, davon ist der Kunststoff-Experte überzeugt, und dazu gehörten auch Fragen nach wirklichen Bedürfnissen, Kosten oder Makello- sigkeit. Rückenwind auf Spanckens Weg gibt es: Der Verord- nungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, dass ab 2030 im Automobil 25 Prozent Rezyklate eingesetzt werden sollen. 6969

Aus der Fraunhofer-Forschung I Menschen in der Forschung Katrin Klug Data Scientist | Business Analytics M. Sc. | International Business B. A. | Marketing and Commercial Distribution B. Sc. Einstieg zur generativen KI Von den Wirtschaftswissenschaften in der Luftfahrt an einen Hotspot der Generativen Künstlichen Intelligenz: Katrin Klug arbeitete bis 2020 als Data Scientist bei Germanwings & Euro- wings und bei der International Air Transport Association in Montreal. Mit Anwendungen und Lösungen rund um Daten- analyse beschäftigte sie sich bereits in ihrer Masterarbeit an der Hochschule Düsseldorf. Hier entwickelte sie für die Eurowings Technik GmbH ein KI-Prognosemodell, das Verspä- tungen und Flugausfälle vorhersagt und damit das Flottenma- nagement effektiv unterstützt. Es hat sich gelohnt: Katrin Klug erhielt 2020 dafür einen Sonderpreis. Der Verein der Förderer des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Düsseldorf e. V. lobte die herausragende Relevanz bei der prak- tischen Umsetzung. Im gleichen Jahr bewarb sich die Datenwissenschaftlerin am Fraunhofer IAIS. Dort bestand Klugs erste Aufgabe darin, den Wissens- und Technologietransfer für Künstliche Intelligenz (KI) voranzubringen. Dafür baute sie einen Blog zu Maschinellem Lernen (ML) und Künstlicher Intelligenz (KI) auf: Im »ML-Blog« schreiben Forschende der Fraunhofer-Institute für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und für Materialfluss und Logistik IML sowie der Universität Bonn und der Techni- schen Universität Dortmund unter dem gemeinsamen Dach des Lamarr-Instituts. Für die Öffentlichkeit und für Unter- nehmen erläutern sie das Innovationspotenzial von KI in der Robotik und illustrieren, was sich hinter generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI) verbirgt oder wie man diese nutzen kann. So anschaulich, dass u. a. »heise« darüber berichtete. Mittlerweile begleitet Katrin Klug Unternehmen beim Ein- stieg in die KI – vom Erproben von Forschungsergebnissen bis hin zum erfolgreichen Einsatz. Dafür entwickelte sie das Kooperationsformat »GenAI Campus« am Fraunhofer IAIS. Mitarbeitende aus Unternehmen arbeiten hier mehrere Tage lang eng mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen. Gemeinsam tauchen sie tief ein in Grundlagen- wissen und Anwendungspotenziale von generativer KI. Ziel ist es, konkrete Use Cases mit den Unternehmen zu entwickeln und verschiedene Foundation-Modelle oder KI-Sprachmodelle direkt zu testen. Am Ende steht dann ein Proof of Concept. Im besten Fall schließt sich daran eine gemeinsame Technologie- entwicklung an. Diskutiert werden im GenAI Campus darüber hinaus Fragen rund um die Vertrauenswürdigkeit von KI – Stichwort Black Box – bis hin zu Limitationen der KI – Stichwort Halluzinieren. »Wir zeigen, wie gut Künstliche Intelligenz den Alltag erleich- tern kann. Mit unserer Unterstützung können die Unterneh- men sehr schnell in die neuen Technologien eintauchen, sie ausprobieren und ihren Nutzen und die Tauglichkeit für ihre Anwendungsfälle einschätzen. Sei es ein Formularassistent für die Verwaltung, ein Analysetool für die Finanzbranche oder ein intelligentes Beschaffungs- und Angebotsmanagement«, sagt die KI-Expertin, Projektleiterin und Dozentin im Schulungspro- gramm der Fraunhofer-Allianz Big Data AI. Zurzeit arbeitet Katrin Klug im KI.NRW Flagship-Projekt Smart- Hospital.NRW mit an der automatisierten Erstellung von Arzt- briefen mittels generativer KI (siehe S. 52). Rund 150 Millionen Arztbriefe werden pro Jahr in Deutschland geschrieben. Das kostet Zeit, die an anderer Stelle fehlt. »Studien gehen davon aus«, sagt Katrin Klug, »dass das ärztliche Personal in Kranken- häusern drei Stunden täglich für administrative Tätigkeiten auf- bringen muss. Drei Stunden, die für Patientinnen und Patienten genutzt werden könnten und in denen die generative KI über- nehmen kann.« 7070

Aus der Fraunhofer-Forschung I Menschen in der Forschung Oleksandr Proskurin M. Eng. Oleksandr Proskurin kam Anfang 2023 von Kiew nach Dresden. Sechs Monate verbrachte der Roboterexperte am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahl- technik IWS. Unterstützt wurde sein Aufenthalt als Pilotvorhaben des neuen Förderprogramms »Rebuilding Ukraine« der Fraunhofer-Zukunftsstiftung. Kompetenzen bündeln für den AKW-Rückbau Wie viele Mitglieder seiner Familie stammt Oleksandr Pro- skurin aus dem stark zerstörten Cherson. Während seines Studiums am Kyiv Polytechnic Institute spezialisierte er sich auf das Fachgebiet Dynamik und Maschinenfestigkeit. In dieser Zeit absolvierte er Praktika u. a. im Konstruktions- büro des ukrainischen Flugzeugherstellers Antonov und beim chinesischen Konzern Xianchu. Seit seinem Masterabschluss 2015 forscht Proskurin am Institute for Safety Problems of Nuclear Power Plants – ISPNPP an Roboteranwendungen unter nuklearen Bedingungen. Das Institut gehört zur Na- tional Academy of Sciences of Ukraine. Zu seinem Gastgeber-Team in Dresden kam Proskurin durch Dr.-Ing. Andreas Wetzig. Der Technologiefeldleiter für Trennen und Fügen am Fraunhofer IWS knüpft seit 2016 Kontakte zu Unternehmen und Organisationen im Sektor AKW-Rück- bau. Wetzig und sein Team sehen hier großes Potenzial für den Lasereinsatz. Denn beim Zerlegen von kontaminierten Materialien verursacht das Laserschneiden im Vergleich zu anderen Technologien nur minimales Staubaufkommen. Rest- los alle Werkstoffe müssen neben dem radioaktiv verseuchten Bau- und Nuklearmaterial ebenfalls aufgefangen werden, um dann in Zwischenlagern abzuklingen. Jedenfalls, das wissen nicht nur Wetzig und Proskurin, sollte die Weltgemeinschaft in weniger als 100 Jahren eine Lösung gefunden haben: Denn dann wird der zweite Sarkophag, der 2016 auf Schienen über die Atomruine in Tschernobyl gefahren wurde, die radioakti- ve Strahlung des zu Lava verbackenen Kernbrennstoffs nicht länger abschirmen können. Das gemeinsame Ziel von Roboter- und Laserforschenden: per Fernsteuerung von Laserrobotern das verbackene radioaktive Material zerkleinern und für eine Zwischenlagerung vorbereiten. Getestet wurde in den Laser- laboren des Fraunhofer IWS das Schneiden von Basalt – als Ersatzsubstanz für das verschmolzene radioaktive Material. »Die Herausforderung, das verschmolzene radioaktive Material in Tschernobyl sicher zu zerkleinern, um es für eine Zwischen- lagerung zu sammeln, wurde bisher noch von niemandem gelöst«, sagt der Roboterexperte und wünscht sich, dass die Kooperation fortgesetzt werden kann. Seit Juli 2023 ist Oleksandr Proskurin zurück an seinem Lebens- und Arbeitsort Kiew. Vom Krieg und den häufigen Luftangriffen versucht er sich abzulenken – durch sein Hobby rund um das Thema »do it yourself« und durch Sport, von (Tisch-)Tennis bis hin zu Fahrradtouren. Im August 2023 besuchte er ein Seminar für Strahlensicherheit in Slavutich, einer Satellitenstadt von Tschernobyl. Sie gilt als weltweiter Forschungsstandort für Sicherheits- und Rückbaufragen rund um Atomenergie. Rebuilding Ukraine Die neue Förderlinie der Fraunhofer-Zukunftsstiftung unter- stützt Kooperationen zur Anwendung von Fraunhofer- Technologie in der Ukraine. Ziel ist es, bereits jetzt die Beseitigung der Kriegsschäden in der Ukraine zu planen und den Wiederaufbau mit klima- und umweltfreundlichen Technologien vorzubereiten. Oleksandr Proskurin war der erste Gastwissenschaftler, dessen Aufenthalt als Pilotpro- jekt von »Rebuilding Ukraine« mitfinanziert wurde. 7733

Aus der Fraunhofer-Forschung I Menschen in der Forschung Dr. rer. nat. Eva Ehrentreich-Förster Chemikerin | stellvertretende Leiterin am Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse in Potsdam-Golm des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI | Leiterin der Abteilung Molekulare und Zelluläre Bioanalytik Diagnostik als Spezialfall der Analytik Ihr Diplomzeugnis über den erfolgreichen Abschluss des Chemiestudiums an der Bergakademie Freiberg erhielt Eva Ehrentreich-Förster am 9. November 1989. Es war der Tag, an dem die DDR ihre Grenzen öffnete. Zwar wurde die Chemi- kerin nicht mehr am Tag des Mauerfalls zur Grenzgängerin, denn damals war sie froh, im Chaos des öffentlichen Verkehrs nach der Diplomfeier nach Hause zu kommen. Doch in den folgenden Jahrzehnten als Forscherin sollte sie noch öfter zur Vermittlerin zwischen Welten werden: zwischen verschiede- nen Disziplinen als Projektleiterin für Lab-on-a-Chip-Systeme, zwischen Instituts- und Vorstandssicht als gewählte Vertreterin des Wissenschaftlich-Technischen Rats bei Fraunhofer und bis vor Kurzem als kommissarische Institutsleiterin. Seit August 2023 ist mit Prof. Antje Bäumner eine reguläre Institutsleitung für die Leitung des Brandenburger Teils des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und und Immunologie IZI an Bord. Ehrentreich- Förster kehrt gern in die stellvertretende Institutsleitung und in die Abteilungsleitung zurück. »Je anspruchsvoller meine Auf- gaben auf dem Weg von der Nachwuchswissenschaftlerin bis zur kommissarischen Leiterin wurde, desto mehr bin ich Laufen gegangen«, sagt die ehemalige Siebenkämpferin, die immer noch Langstrecke trainiert. Eva Ehrentreich-Försters Forschungsgebiet sind Mikroarrays, bioanalytische Plattformen für Diagnosezwecke – sei es für Lebensmittel, Umwelt oder den Menschen. »Das Wissen um Sensorik, der Nachweis eines Bindungsereignisses, hat mich seit dem Diplom begleitet«, stellt sie fest. Nach dem Abitur arbeitete sie zunächst im Labor des Forschungszentrums Produkttoxikologie Graupa, für das Chemiestudium wurde sie von ihrem Chef empfohlen. Nach dem Diplom absolvierte sie ein Postgradualstudium der Toxikologie an der Uni Leip- zig und ging während der Promotion mit einem DAAD-Sti- pendium an die Universität Córdoba. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin war sie zunächst am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und an der Uni Potsdam, bevor sie mit 7474 ihrer Nachwuchsgruppe im Rahmen eines BMBF-Wettbewerbs zu Fraunhofer kam, zunächst in einer Außenstelle. »Ich war damals massiv stolz«, erinnert sie sich. Auch daran, dass die ersten Jahre hart waren: »Dieses Denken, wie eine wissen- schaftliche Firma zu forschen, muss man sich erst aneignen. Das bekommt man nicht mitgeliefert von der Uni.« Auch an die Kultur hätte sie sich gewöhnen müssen: einerseits die Leit- planken des öffentlichen Dienstes, andererseits die Freiheit bei der Gestaltung des eigenen Forschungsthemas. Ehrentreich-Förster leitete Fraunhofer-interne interdisziplinä- re Förderprojekte zur In-vitro-Diagnostik-Plattform und war maßgeblich beteiligt, als 2014 das erste »Taschentuchlabor« für die Infektionsdiagnose als Resultat eines BMBF-Förder- projekts präsentiert wurde. Forschungsergebnisse wie diese flossen und fließen ein in das 2021 gegründete Fraunhofer- Zentrum für Digitale Diagnostik ZDD in Potsdam. Dabei arbei- ten die Fraunhofer-Institute für Zelltherapie und Immunologie IZI und für Experimentelles Software Engineering IESE unter der Führung des Institutsteils Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer IZI zusammen, um die medizinisch-diagnostische Versorgung in ländlich geprägten Räumen wie Brandenburg voranzubringen. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten auch in Zukunft medizinisch gut zu versorgen – trotz des Mangels an Hausarztpraxen und des Kostendrucks im Gesundheitssystem. Allerdings müssen dafür die regulatorischen Hürden im Medi- zinbereich bewältigt werden: Zulassung der Geräte und Lösun- gen für den Datenschutz. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Eva Ehrentreich-Förster bereits an Plattformen, die Analytik – und sofern die Zulassung klappt – auch die Diagnostik automati- sieren können. Sie kennt die Faktoren Kosten und Bezahlbar- keit. Und fragt sich, ob für bestimmte Fragen nicht dennoch viel mehr Mittel aufgebracht werden müssen: »Alle wissen, es gibt Resistenzen gegen Antibiotika, und alle wissen auch, dass weltweit nur noch wenig Forschung in diesem Bereich finan- ziert wird. Gesundheit muss ein Allgemeingut sein!«

Aus der Fraunhofer-Forschung I Ausgewählte Transferaktivitäten Ausgewählte Transferaktivitäten 1 2 3 4 5 6 7 Vertragsforschung Ausgründungen Geistiges Eigentum Normung und Standardisierung Transfer über Köpfe Infrastrukturdienstleistungen Wissenschaftskommunikation 7676 Impact für Wirtschaft und Gesellschaft Kunden von Fraunhofer bringen mehr Neuheiten auf den Markt und erhöhen ihren Umsatz und ihre Rendite. Fraunhofer-Aktivitäten schaffen nachweislich Arbeitsplätze in Deutsch- land, generieren Investitionseffekte in der Wirtschaft und erhöhen die Staatseinnahmen. Wirkung von Fraunhofer-Forschung

Forschen für die Praxis: Ergebnisse, die in Wirtschaft und Gesellschaft ankommen Der Beitrag, den die außeruniversitären Forschungseinrichtun- gen in Deutschland zur Stärkung von Wirtschaft und Gesell- schaft leisten, wird entlang von 7 Transferpfaden ermittelt. Für die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrer Mission der Anwen- dungsorientierung ist die entscheidende Messlatte, dass die Forschungsergebnisse in der Praxis aufgegriffen werden und welchen ökonomischen, ökologischen und sozialen Impact diese erzeugen. 1. Vertragsforschung Kennzahl 2023 679 Mio. € aus Aufträgen der Industrie (national und international, ohne Lizenzerträge) Prüfpräparate für Krebsbehandlung mit lebenden Zellen Alle innovativen Medikamente werden in Europa vor ihrer breiten Anwendung zunächst in klinischen Studien an aus- gewählten Erkrankten geprüft. Diese Prüfpräparate müssen nach den hohen pharmazeutischen Qualitätsstandards (Good Manufacturing Practice, GMP) produziert werden. Ein komple- xes Unterfangen für innovative Zell- und Gentherapeutika wie die chimären Antigenrezeptor-T-Zellen (CAR-T-Zelltherapie) zur innovativen Krebsbehandlung, denn sie basieren auf leben- den Zellen von Patientinnen und Patienten. Diese sind nicht standardisierbar, zudem ist der Zustand der Zellen abhängig von Krankheitsverlauf und bisherigen Therapien. Um Anforde- rungen und Ausgangsbasis für den GMP-Standard miteinander in Einklang zu bringen, müssen Prozesse und Technologien entwickelt werden. Die Abteilung GMP Zell- und Gentherapie des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI ist auf solche Aufgaben spezialisiert. In den GMP-Anlagen des Instituts werden seit über zehn Jahren u. a. CAR-T-Zellthera- peutika hergestellt, die in klinischen Studien untersucht und bis zur Zulassung begleitet werden. 2023 erhielt das Fraunhofer IZI den Auftrag eines internationalen Pharmazieunternehmens für den Technologietransfer und die Validierung des Herstel- lungsprozesses für ein neues CAR-T-Zelltherapeutikum. Dabei sind sämtliche Prozessschritte inkl. der Qualitätskontrolle auf die hohen europäischen Qualitätsstandards abzustimmen, um die Herstellungserlaubnis gemäß § 13 des deutschen Arzneimittelgesetzes zu erlangen. Anschließend erfolgt in den Reinräumen des Fraunhofer IZI die Herstellung sämtlicher Prüfpräparate für die Studie, an der zahlreiche europäische Kliniken beteiligt sind. Aus der Fraunhofer-Forschung I Ausgewählte Transferaktivitäten 2. Ausgründungen Kennzahl 2023 23 Ausgründungen 1 Beteiligung Im Zeichen der Sonnenblume Wie lassen sich für eine nachhaltige Ernährung Lebensmittel- proteine aus Sonnenblumenkernen gewinnen? In 20 Jahren entwickelten Fachleute am Fraunhofer-Institut für Verfah- renstechnik und Verpackung IVV ein Verfahren, bei dem aus geschälten Sonnenblumenkernen eine hochwertige Protein- zutat hergestellt wird. Zunächst wird durch mechanische Entölung der Proteingehalt gegenüber reinen Sonnenblumen- kernen weiter erhöht, ohne das Protein z. B. durch zu hohe Temperaturen zu schädigen. Danach wird das restliche Öl mittels Lösemittelextraktion schonend entfernt. Das üblicher- weise verwendete erdölbasierte Hexan konnte das Forschungs- team durch Ethanol ersetzen. Ethanol ist ökologisch und kann aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Nach Patentierung des Produkts und des Verfahrens wurde 2017 die Sunbloom Proteins GmbH als Spin-off des Fraunhofer IVV gegründet. 2019 konnte Zentis als Investor gewonnen werden, wenig später stieg die Molkerei Ehrmann mit ein. Gemeinsam mit diesen Partnern wurde 2022 ein eigenes Werk in Ungarn in Betrieb genommen. In Drégelypalánk kann das ernährungs- physiologisch und funktionell besonders hochwertige Protein- konzentrat für Lebensmittel im industriellen Maßstab produ- ziert werden. 2023 wurde die Sunbloom Proteins GmbH an die französische Avril-Gruppe verkauft. Das Fraunhofer-Spin-off stärkt nun mit seiner Nachhaltigkeitstechnologie das Kom- petenz-Portfolio von einem der wichtigsten industriellen und finanziellen Akteure im Sektor Pflanzenöle und Proteine. 3. Geistiges Eigentum Kennzahl 2023 158 Mio. € Lizenzerträge 506 Erfindungsmeldungen 7068 aktive Patentfamilien 406 Patentanmeldungen Gamechanger DRYtraec® für Batteriezellenproduktion Bisherige Produktionsverfahren von Batteriezellen sind energie- und kostenintensiv. Bei der Herstellung der Batterie- elektroden werden dünne Metallfolien mit einer nassen Paste aus Aktivmaterial, Leitrußen, Bindern und teilweise toxischen Lösungsmitteln beschichtet. Für die anschließende Trocknung der Elektrodenschicht ist ein hoher Energie- und auch Platz- bedarf nötig. 7777

Aus der Fraunhofer-Forschung I Ausgewählte Transferaktivitäten Die vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS entwickelte Trockenbeschichtungstechnologie DRYtraec® hingegen kommt ohne toxische Lösungsmittel aus. In einer speziellen Walzenvorrichtung werden Partikel des Aktivma- terials und des Leitrußes durch Fibrillierung des Bindemittels mechanisch verankert. Die Elektrodenschicht wird also komplett trocken erzeugt, die energieaufwendige Trocknung entfällt und zudem lassen sich beide Seiten der Elektrode gleichzeitig beschichten. Der Prozess wurde zunächst für Elektroden von Lithium-Ionen-Batterien realisiert und inzwischen angepasst für Lithium-Schwefel- und für Feststoffbatterien. Mit deutschen Anlagenbauern wurde eine weltweit einzigartige Prototyp- anlage entwickelt. Seit 2020 betreibt das Fraunhofer IWS eine umfassende Technologieplattform zur Trockenbeschichtung mit hohem technologischem Reifegrad. Gegenwärtig plant das Fraunhofer IWS gemeinsam mit der Fraunhofer-Einrichtung For- schungsfertigung Batteriezelle FFB eine skalierte Pilotanlage auf Basis des DRYtraec®-Verfahrens zur Installation in Münster. Für die Elektrifizierung der deutschen Automobilbranche ist eine hochwertige und kostengünstige Produktion von Batterie- speichern entscheidend. Produktionskapazitäten von Batte- riezellen befinden sich in Europa allerdings noch im Aufbau, die Abhängigkeit von asiatischen Technologiekonzernen ist hoch. Die patentierte DRYtraec®-Technologie des Fraunhofer IWS (EP 3625018, IWS – 2017F59214, Patente in Europa, Japan und Korea erteilt) kann künftig einen entscheidenden Beitrag zu einer kosteneffizienteren und umweltfreundliche- ren Zellfertigung leisten. Mitte 2023 wurde ein Lizenzvertrag mit einem führenden deutschen Unternehmen der Automo- bilbranche geschlossen. 4. Normung und Standardisierung Kennzahl 2023 1366 Standardisierungs- und Normierungsaktivitäten Weg frei für den 5G-Mobilfunkstandard Mit der fünften Generation (5G) hat sich der Mobilfunk von der Sprachtelefonie über das mobile Internet hin zu einem universellen Kommunikationsstandard für die Vernetzung von Sensoren, Geräten und Maschinen entwickelt. Die technischen Spezifikationen für diesen globalen Standard werden bei 3GPP (3rd Generation Partnership Project) entwickelt, verabschie- det und von den Standardisierungsorganen der jeweiligen Regionen als Spezifikation umgesetzt. Im Zeitraum zwischen der Definition neuer Funktionen im Mobilfunkstandard und deren Marktverfügbarkeit ist das Erproben zukünftiger Anwendungen ohne passende Testumgebungen und Detail- kenntnisse aus der fortlaufenden Standardisierung kaum mög- lich. Diese Lücken zwischen Forschung, Standardisierung und Anwendung zu schließen, ist daher entscheidend für einen schnellen Markteintritt. Seit 2015 bei 3GPP die Arbeiten an den 5G-Spezifikationen starteten, sind das Fraunhofer-Institut 7878 für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI und das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS an der Defi- nition und Weiterentwicklung dieser wichtigen Funktechno- logie beteiligt. Zwischen 2015 und 2023 leisteten sie über 900 Beiträge zum 5G-Standard. Durch die parallele Teilnahme in relevanten Industriegremien wie NGMN, 5GAA oder 5G-ACIA wird die heimische Industrie dabei unterstützt, wichtige Anfor- derungen und Funktionen im Standard zu verankern, was wie- derum eine Voraussetzung für die Umsetzung im Mobilfunk- netz und in den Endgeräten darstellt. Der Fokus liegt auf der Funkzugangstechnologie (Radio Access Network, RAN). Die Institute haben sich dabei auf professionelle Anwendungen in den Bereichen Internet der Dinge (IoT), Satellitenintegration in Mobilfunknetze, Produktionsautomatisierung und vernetzte Fahrzeuge (V2X) konzentriert. 5. Transfer über Köpfe 5.1 Weiterbildung externer Fach- und Führungskräfte Kennzahl 2023 Über 10 Mio. € Einnahmen aus Weiterbildungskursen der Fraunhofer Academy Ca. 6600 Teilnehmende in 600 Kursangeboten Maßgeschneiderte Schulungen für Unternehmen Seit 2018 unterstützt das Fraunhofer-Institut für Material- fluss und Logistik IML die Interroll Holding GmbH dabei, ihre Mitarbeitenden beim Wissenstransfer zu logistischen Fragestellungen mitzunehmen. Der Anbieter von Förder- technik ist ein internationales, börsennotiertes Unternehmen mit ca. 2500 Beschäftigten. Dessen Kunden stammen aus der Anlagenherstellung, sie sind in Ingenieurbüros oder als Systemintegratoren tätig. Mit Consultative Selling setzt das Unternehmen auf einen neuen Vertriebsschwerpunkt. Dafür müssen Mitarbeitende in Vertrieb und Marketing wissen, wie sich Innovationen im (Intra-)Logistikbereich auf die Prozess- gestaltung beim Endkunden auswirken, um mit diesen neue Projekte erschließen zu können. Der Kurs »Process Manage- ment« vermittelt deshalb aktuelle Kenntnisse des Intralo- gistik-Markts, zukünftige Trends und branchenspezifisches Know-how. Die Fachleute des Fraunhofer IML steuern ins- besondere ihr Wissen zum Intralogistik-Markt einschließlich neuester Planungstools bei. Der mittlerweile 8. Durchgang besteht aus einem Blended-Learning-Konzept mit kurzen Webinaren sowie betreuten Gruppenarbeiten. Theoretische Basisinhalte werden mit praktischen Planspielen und Vor- Ort-Besuchen bei Endkunden verbunden. Für eine Festigung des vermittelten Systemverständnisses wurden zusätzlich Pre-Learnings sowie kontextspezifische Follow-ups in das Gesamtkonzept integriert.

5.2 Köpfe und Karriere Kennzahl 2023 Rund 2200 Menschen verließen Fraunhofer, um ihre Karriere weiterzuführen – in der Wirtschaft, in der Wissenschaft oder mit einem selbstständigen Unternehmen. Qualifizierung für verantwortungsvolle Positionen Ein wichtiger Aspekt der Fraunhofer-Mission ist die Quali- fizierungsphase vor allem des wissenschaftlichen Personals während der Beschäftigungszeit bei Fraunhofer. Im Wissen- schaftsbereich liegt die Fluktuationsquote bei rund 9,9 Prozent. Im Rahmen der Exit-Befragung von ausscheidenden Mitarbei- tenden wird erfasst, welche Anschlusskarrieren diese planen. Demnach streben ca. 70 Prozent der ausscheidenden Mitarbei- tenden einen Wechsel in die Wirtschaft an. Jobs und Karriere bei Fraunhofer 6. Infrastrukturdienstleistungen Kennzahl 2023 Hier sind (noch) keine Kennzahlen erfassbar. Diese bilden sich momentan in anderen Transferpfaden ab. Intelligente Sensorik für die Energiewende Das Leistungszentrum »Intelligente Signalanalyse- und Assis- tenzsysteme – InSignA« wurde 2021 als eines der jüngeren Leistungszentren in Ilmenau initiiert. Beteiligt sind 5 Fraunhofer- Institute, die TU Ilmenau und das Thüringer IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme. Eine Kernexpertise von InSignA ist der Aufbau von Sensornetzwerken mit großer Reichweite, sogenannte Low Power Wide Area Networks (LPWAN). Im Vergleich zu Technologien wie 5G ermöglicht der maßgeblich vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltun- gen (IIS) entwickelte LPWAN-Standard mioty® den Aufbau sehr viel kostengünstigerer Netzwerke mit Batterielaufzei- ten von über einem Jahrzehnt. Zudem wird praktisch keine Infrastruktur benötigt, sodass mioty® auch in Gebieten ohne ausreichende Mobilfunkabdeckung einsetzbar ist. Gemein- sam bauten die Partner des Leistungszentrums in Ilmenau ein Testbed für LPWAN auf, das verschiedene Übertragungssyste- me unterstützt. Im Rahmen einer Studie mit den Stadtwerken Ilmenau ging es beispielsweise um die Unterstützung der Energiewende: Kann eine Photovoltaikanlage, eine Ladesäule oder eine Wärmepumpe beim Hausbau oder der Gebäude- sanierung noch an das Stromnetz angeschlossen werden oder wird dadurch bereits eine Netzüberlastung verursacht? Zusammen mit den Stadtwerken konnte das Leistungszen- trum InSignA zeigen, dass mit mioty® sehr günstige und sehr leicht zu installierende Retrofit-Sensoren entwickelt werden können. Beim Retrofitting werden neue Sensoren nachträglich in Bestandsgeräte eingebaut, um sie fit für die Anforderungen 7. Wissenschaftskommunikation Kennzahl 2023 10 991 erfasste Beiträge laut Medienresonanzanalyse, davon 62 Prozent eigeninitiiert. Die erzielte Reichweite lag bei 6050 Millionen Kontakten. Mit Fraunhofer AVIATION & SPACE ins Universum »Unser UNIVERSUM« war das Motto des Wissenschaftsjahres 2023. Fraunhofer-Forschende begleiteten die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit zahlreichen Bürgerformaten und Exponaten. Koordiniert wurden die Aktivi- täten von der Fraunhofer-Allianz AVIATION & SPACE und der zentralen Abteilung Bürgerformate und Initiativen. Im Schnitt jede zweite Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) hatte in den letzten 20 Jahren Fraunhofer-Entwicklungen an Bord. Rund um das Wissenschaftsjahr waren und werden eine Reihe spektakulärer Entwicklungen an Weltraum-Missio- nen beteiligt (sein): Bereits 2020 übergab Fraunhofer das Radar- system GESTRA an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raum- fahrt (DLR), um den erdnahen Orbit besser auf Gefahren durch Weltraumschrott überwachen zu können. Beim James Webb Space Telescope stammen die Metallspiegel für das Messins- trument MIRI, das Bilder in nie da gewesener Qualität liefert, von Fraunhofer. Ebenso das bildgebende Spektrometer der EnMAP-Mission. 2023 bewährte sich das Infrarot-Kameramodul LisR an Bord der Internationalen Raumstation (ISS). 2024 ist der Start des Kleinsatelliten ERNST geplant. Highlight des Wissen- schaftsjahres 2023 war für Fraunhofer die Ausstellung »Down to Earth Space Technology« Anfang Mai im Fraunhofer-Forum Berlin. In verschiedenen Formaten diskutierten Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler mit Jugendlichen und interessier- ten Erwachsenen z. B., wie dank moderner Weltraumtechno- logien Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen besser verstanden, Umweltverschmutzungen aufgedeckt, kritische Infrastrukturen geschützt oder der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft nachhaltiger gestaltet werden können. Aus der Fraunhofer-Forschung I Ausgewählte Transferaktivitäten der Digitalisierung und Industrie 4.0 zu machen. Mit dem LPWAN-Testbed können die Stadtwerke Ilmenau bei Genehmi- gungsverfahren neuer Stromquellen oder Stromabnehmer eine drohende Überlastung des Stromnetzes rechtzeitig erkennen. Damit konnte in Ilmenau für viele Beteiligte der Energiewende ein erheblicher Mehrwert generiert werden: für Privatperso- nen, Kommune und Hersteller entsprechender Geräte. Zum Schnelleinstieg für Kunden Mehr Informationen rund um Kooperationsformate, auch für KMU, zu Möglichkeiten des gemeinsamen Technologie- transfers sowie zu Weiterbildungsangeboten 7979

Aus der Fraunhofer-Forschung I Initiativen Initiativen Generative Künstliche Intelligenz Die Forschung an sowie die Entwicklung und Verfügbarkeit von generativen KI-Modellen und daraus resultierende Anwendungen wie Chatbots stellen bereits heute wesentliche Wettbewerbsfaktoren dar. Es wird erwartet, dass die Nutzung dieser Modelle die digitale Transformation maßgeblich beeinflussen und künftig noch stärker zur Bruttowertschöp- fung beitragen wird. Fraunhofer-Institute treiben die Entwick- lungen seit Jahren auf verschiedenen Gebieten voran: So entstanden in der Initiative OpenGPT-X große europäische KI-Sprachmodelle. Seit 2023 können alle Fraunhofer-Mitarbei- tenden im Intranet mit »FhGenie« ein adaptiertes internes Modell von ChatGPT 3.5 nutzen. Das KI-Fortschrittszentrum »Lernende Systeme und Kognitive Robotik« in Stuttgart unterstützt Firmen dabei, die wirtschaftlichen Chancen der KI, insbesondere des Maschinellen Lernens, in anwendungsnahen Forschungsprojekten für sich zu nutzen. Im Sommer 2023 veröffentlichte Fraunhofer das Konzeptpapier »Analyse und Handlungsempfehlungen zum Thema Sprachmodelle und Generative KI«. Darin wird ein Vorgehen in den Schritten Access, Adapt und Advance empfohlen. Ziel ist es, für Wirtschaft und Forschung übergreifend eine fundierte Expertise und ein passgenaues Angebot für die Nutzung generativer KI aufzubauen. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist, dass auf große Mengen hochwertiger Trainingsdaten zugegriffen werden kann. Die Herausforderung besteht anschließend darin, Modelle mit verlässlichen Faktenchecks, Quellentreue und Datenkontrolle insbesondere für wirtschaft- liche Anwendungen zu verbinden. Das Konzeptpapier enthält zudem Vorschläge zur Ausbildung von KI-Fachleuten. Gemeinsame Strategien mit deutschen und europäischen Partnern könnten dabei Vorteile bieten, insbesondere beim kostenintensiven Trainieren von Foundation-Modellen. Fraunhofer engagiert sich zudem bei der entstehenden EU-Verordnung über einen gemeinsamen Regulierungs- und Rechtsrahmen für KI, dem »Gesetz über Künstliche Intelli- genz« (Artificial Intelligence Act, AIA) der EU. Rohstoffwende und Bioökonomie-Roadmap Die EU setzt angesichts ihrer strategischen Rohstoffabhängig- keit zunehmend auf eine schnelle Rohstoffwende. Hierzu leisten die Forschungs- und Innovationsaktivitäten von Fraunhofer einen entscheidenden Beitrag. Fraunhofer ist Mitgründer der »Advanced Materials Initiative 2030 (AMI2030)«, die als integratives Forum für Forschung und Innovation auf dem Gebiet fortschrittlicher Materialien und Werkstoffe dient. Vorbehaltlich der Zustimmung der Mitglied- staaten entsteht aus der Initiative voraussichtlich Anfang 2024 eine Partnerschaft innerhalb des Rahmenprogramms »Horizon Europe«, um das Thema langfristig auf der europäischen Forschungs- und Innovationsagenda zu verankern. Das neue Fraunhofer-Leitprojekt ORCHESTER leistet dabei Pionierarbeit, um funktionssichere Werkstoffe für die Energiewende entlang der gesamten Wertschöpfungskette bereitzustellen. Gleichzei- tig trägt die »Fraunhofer-Roadmap zur zirkulären Bioökono- mie« dazu bei, innovative Verfahren und Produkte, neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsnetzwerke für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaftsweise zu ermöglichen. Die Roadmap wurde im September 2023 vom Fraunhofer-EU-Büro und vom Fraunhofer Strategischen Forschungsfeld (FSF) Bioökonomie öffentlichkeitswirksam und unter Beteiligung der Europäischen Kommission vorgestellt. Energiepartnerschaften Das Fraunhofer Representative Office Korea veranstaltete im Spätherbst 2023 die 4. Deutsch-Koreanische Wasserstoffkon- ferenz. Unterstützt wurde die Fraunhofer-Repräsentanz von den Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Bildung und Forschung. Die Energiepartnerschaft zwischen Korea und Deutschland besteht bereits seit 2019. Mit über 230 Teilnehmenden erreichte die rein analoge Konferenz einen neuen Besuchsrekord mit einem hohen Anteil an Teilnehmen- den aus der Wirtschaft und hochrangigen Regierungsvertre- tern beider Länder. Mehrere Fraunhofer-Institute trugen zum Programm bei. Korea ist mit künftig vier Fraunhofer Innovation Platforms und zwei ICON-Kooperationen ein besonders 8080

nachgefragtes Zielland für internationale strategische For- schungskooperationen. Ebenfalls im Spätherbst veröffentlichten der Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems CINES und das Beratungsunternehmen GHD Advisory die Nationale Wasser- stoffstrategie der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Mit deren Erstellung waren Fraunhofer CINES und GHD Advisory im Rahmen der Energiepartnerschaft Deutschlands mit den VAE beauftragt worden. Bis zum Jahr 2031 streben die VAE an, einer der weltweit größten Produzenten von Wasserstoff zu werden. Die Nachfrage nach Wasserstoff wird voraussicht- lich sowohl im Inland als auch im Export signifikant sein. Mit Blick auf eine defossilisierte Zukunft kommt das Autorenteam von Fraunhofer CINES und GHD Advisory zu dem Schluss, dass die kohlenstoffarme Wasserstoffproduktionskapazität der VAE bis 2040 7,5 Millionen Tonnen pro Jahr und bis 2050 fast 15 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen könnte. Das Ziel der Strategie besteht darin, langfristige Maßnahmen basierend auf der Analyse für eine nachhaltige Energiepolitik zu entwickeln und zusätzliche Investitionen in diesen Bereich zu lenken. Fusionsforschung – saubere Energiequelle der Zukunft? Die Erschließung neuer emissionsfreier Energiequellen beschäf- tigt Forschungsgruppen weltweit. Eine vielversprechende Möglichkeit liegt in der Fusion von Wasserstoffkernen zu Helium in magnetisch eingeschlossenen Fusionsplasmen. Der Stellarator Wendelstein 7-X am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik etwa zählt zu den weltweit führenden Großfor- schungsanlagen auf diesem Gebiet. Eine weitere Möglichkeit für eine Fusionsquelle ist die lasergetriebene Trägheitsfusion (Inertial Fusion Energy, IFE). Dazu gelang Ende 2022 in den USA am Lawrence Livermore National Laboratory ein bedeu- tender Durchbruch. Demonstriert wurde erstmals die physikali- sche Machbarkeit der Zündung eines Fusionsplasmas, einer wichtigen Voraussetzung für die Realisierung eines Fusions- kraftwerks. Ähnlich wie bei der Magnetfusion gibt es auch für die Trägheitsfusion bereits Konzepte für Kraftwerke. Voraus- sichtlich sind dazu weitere technologische Entwicklungen über mindestens ein Jahrzehnt nötig. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gründete 2023 eine Expertenkommission. Diese wird von Prof. Dr. Constantin Häfner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und Fraunhofer-Beauftragter für Fusions- forschung, geleitet. In einem Memorandum skizzierte die Kommission Fragestellungen und Wege zur technischen Realisierung eines IFE-Kraftwerks. Das Memorandum wird nun im BMBF weiterverfolgt mit Blick auf nötige Schlüsseltechno- logien für die Umsetzung eines Kraftwerkkonzepts. Eine Fraunhofer-Taskforce bündelt das vorhandene Fachwissen für die Fusionsforschung: Dazu gehören Hochleistungslaser, die Herstellung von hochwertigen Optiken, Technologien für Aus der Fraunhofer-Forschung I Initiativen Targets und Brennstoffe sowie Technologien zur Entwicklung von Reaktorwänden. Ein zentrales Ziel der Fraunhofer-Gesell- schaft besteht darin, die Industrie in die Lage zu versetzen, relevante Schlüsseltechnologien im globalen Wettbewerb zu entwickeln. Startende Leitprojekte AMMONVEKTOR – Grünes Ammoniak als sektoren- übergreifender Vektor der Energiewende Das Fraunhofer-Konsortium setzt auf Ammoniak als elementa- ren Baustein der Wasserstoffwirtschaft. Aufgrund seiner volumetrischen Energiedichte weist Ammoniak im Vergleich zu Wasserstoff eine höhere Effizienz bei der Speicherung und beim Transport auf. Damit eignet sich Ammoniak als kohlen- stofffreier und ökonomisch sinnvoller Wasserstoffträger zur Deckung des immensen industriellen Bedarfs an Strom und Prozesswärme. Dies gilt insbesondere für mittelständische, energieintensive Unternehmen, die aufgrund der hohen Energiepreise abzuwandern drohen und perspektivisch nicht direkt an einer Wasserstoffpipeline angeschlossen sein werden. Ammoniak kann sowohl für motorische Anwendungen als auch in der Brennstoffzellen-Kraft-Wärme-Kopplung zur dezentralen Stromerzeugung genutzt werden. Entwicklungsziele des Projekts adressieren die gesamte Wertschöpfungskette für Ammoniak als Energievektor. Hierzu gehört die Entwicklung von Reaktoren und Katalysatoren für eine flexible energieeffiziente Ammoniak-Synthese und von Technologien für eine kleinskalige Spaltung von Ammoniak, um dezentral reinen Wasserstoff verfügbar zu machen. Zudem werden Speicher- und Logistikkonzepte für eine dezentrale Nutzung von Ammoniak erstellt und technoökonomische Analysen eingesetzt, um neue Geschäftsmodelle zu entwi- ckeln. Die Technologieentwicklungen adressieren die wichtigs- ten Hürden, um Ammoniak als Energievektor einsetzen zu können (siehe S. 51). ORCHESTER – Ökosystem für eine resiliente und nachhaltige Werkstoffversorgung Das Forschungsteam adressiert die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft und der Versorgungssicherheit. Im Fokus stehen Resilienz, Nachhaltigkeit und Funktionssicherheit von Werkstoffen. Ziel ist es, die Auswahl an Werkstoffen durch eine genauere Kenntnis der Wechselwirkung zwischen Chemie, Prozess, Mikrostruktur und Eigenschaften zu erhöhen. Zudem soll der Recyclinganteil gesteigert werden: Indem Verunreinigungen in Sekundärmetallen besser beherrscht werden und indem der Anteil herkunftskritischer Seltener Erden in der Rohstoffproduktion reduziert wird. Dabei soll die Werkstoffspezifikation nicht länger über die Materialzusam- mensetzung und Prozessroute definiert werden, sondern über 8181

Aus der Fraunhofer-Forschung I Initiativen eine funktionsbasierte Spezifikation. Dies erlaubt eine schnellere Substitution kritischer Materialien und damit eine resilientere Materialversorgung. Gezeigt werden soll dies u. a. an Bipolarplatten für Elektroly- seure und Brennstoffzellen, deren Kosten wesentlich durch den Nickelanteil bestimmt werden. Nickel zählt zu den kritischen Elementen mit einem hohen Versorgungsrisiko bei hoher wirtschaftlicher Bedeutung. In einem Krisenszenario müsste der Nickelanteil reduziert werden, ohne die wesent- lichen funktionellen Eigenschaften der Bipolarplatten zu gefährden. Bei Verdichterrädern für Wasserstoffpipelines, Brennstoffzellen und Wärmepumpen soll der Sekundärmate- rialanteil der Aluminium-Legierung maximiert werden, um den energetischen Fußabdruck zu minimieren. Für Anwendungen in E-Motoren und Windkraftanlagen werden die Forschenden das Recycling und die Wiederverwertung von Permanentma- gneten betrachten. Der Einfluss von Materialzusammensetzun- gen auf deren Wirkung soll mithilfe von Simulationsmodellen und Maschinellem Lernen vorhergesagt werden. ORCHESTER nutzt für den Aufbau eines eigenen digitalen Ökosystems die Erfahrung aus bereits bestehenden Initiativen wie Gaia-X und Materials Data Space®. Endende Leitprojekte EVOLOPRO – Evolutionäre Selbstanpassung von komplexen Produktionsprozessen und Produkten Über 50 Forschende aus sieben Fraunhofer-Instituten haben verschiedene evolutionsbiologische Elemente der Flexibilität und Selbstanpassung analysiert und auf die Fertigung komple- xer Bauteile übertragen. Diese Elemente dienten als Grundlage für eine neue Generation von »Biological Manufacturing Sys- tems« (BMS). BMS passen sich, wie biologische Organismen, selbstständig an neue Anforderungen und Umgebungsbedin- gungen an – dank Technologien und Prinzipien der Industrie 4.0 in kürzester Zeit. Dazu entwickelten die Forschenden biologieinspirierte Algorithmen und Digitale Zwillinge, die mit einer digitalen Umwelt interagieren. Die Validierung der Konzepte erfolgte in den drei Pilotketten Aviation, Optics und Automotive. Für die Fräsbearbeitung von Blade-Integrated Disks wurde auf Basis biologisierter Algorith- men eine neuartige Simulationsumgebung errichtet, durch die der Aufwand für die Prozessplanung und den Einfahrprozess deutlich reduziert wird. Für die Fertigung komplexer Glasoptiken digitalisierte das Team die gesamte Herstellkette und entwickel- te ein selbstlernendes Verfahren zur automatisierten Montage optischer Komponenten. In der Pilotkette Automotive wurde eine modellbasiert geregelte Karosseriefertigung mit vollständi- ger Ausnutzung von Industrie-4.0-Potenzialen etabliert. 888222 Für die riesige Menge an Prozessdaten wurde eine cloudba- sierte »Data-Lake-Architektur« geschaffen, die einheitliche Datenschnittstellen und spezifische Beschreibungsmodelle zur eindeutigen Zuordnung der hochgeladenen Daten bereithält. Aufbauend auf den Ergebnissen werden in weiteren For- schungsprojekten die Konzepte des Digitalen Zwillings und der digitalen Umwelt vertieft. Die Maßnahmen aus den Pilotketten sollen gezielt in Richtung Marktreife für den konkreten Einsatz in der Industrie weiterentwickelt werden. Zum Video QMag – Quantenmagnetometrie Quantenmagnetometer sind hochsensitive Sensoren, die kleinste Magnetfelder messen können und damit enormes Potenzial zur Optimierung industrieller Prozesse bieten. Das Konsortium des Leitprojekts QMag untersuchte und entwi- ckelte Quantenmagnetometer. Dafür nutzten die Forschenden zwei Prinzipien: Stickstoff-Vakanz-Zentren in Diamant und optisch gepumpte Magnetometer. Die beiden Messverfahren ergänzen sich perfekt in Bezug auf höchste Ortsauflösung und extreme Empfindlichkeit. Dem Projektteam ist es gelungen, maßgeschneiderte Mess- systeme für verschiedene industrielle Anwendungen zu entwickeln. Insbesondere bei der Werkstoffcharakterisierung wurden beide Sensortypen eingesetzt, um beispielsweise Mikroschädigungen in ferromagnetischen Werkstoffen zu detektieren. In der Automobilindustrie sowie der Luft- und Raumfahrttechnik können die Messsysteme dazu beitragen, Materialien widerstandsfähiger und sicherer zu machen. Ebenso können Quantenmagnetometer in der Chipherstellung eingesetzt werden, um die magnetischen Felder elektronischer Schaltungen auf der Nanoskala abzubilden. Zudem haben die Forschenden neue Messverfahren entwickelt: z. B. die magne- tometrische Durchflussmessung, die die Fließgeschwindigkeit von fluiden Medien in einem Rohr misst, und das Weitfeld- magnetometer für schnelle bildgebende Messungen großer Bereiche. Diese Messverfahren eignen sich für Anwendungen in der Qualitäts- und Prozesskontrolle bzw. in der Biomedizin. Zum Video Weitere Beiträge zu endenden Fraunhofer-Leitprojekten auf S. 47 (Produktionsarchitektur für die Fabrik der Zukunft – SWAP) und S. 53 (Damit Therapien optimal wirken – MED²ICIN).

Finanzen I Bilanz zum 31. Dezember 2023 Bilanz zum 31. Dezember 2023 Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., München Treuhandvermögen 8484 ähnliche Rechte und Werte AKTIVA A. Anlagevermögen I. Immaterielle Vermögensgegenstände 1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und 2. Geleistete Anzahlungen II. Sachanlagen 1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken 2. Technische Anlagen und Maschinen 3. Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung 4. Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau III. Finanzanlagen 1. Anteile an verbundenen Unternehmen 2. Beteiligungen 3. Wertpapiere des Anlagevermögens 4. Sonstige Ausleihungen B. Umlaufvermögen I. Vorräte 1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe 2. Unfertige Leistungen 3. Geleistete Anzahlungen II. Forderungen und sonstige 1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 2. Ausgleichsansprüche und Forderungen 3. Forderungen gegen verbundene Unternehmen 4. Sonstige Vermögensgegenstände III. Sonstige Wertpapiere IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben C. Rechnungsabgrenzungsposten 529.330.556,60 –476.053.145,87 an Bund und Länder a) aus der institutionellen Förderung 374.260.757,04 b) aus Projektabrechnungen 354.808.691,19 c) wegen Pensions- und 109.263.100,00 Urlaubsrückstellungen Vermögensgegenstände und Guthaben bei Kreditinstituten – erhaltene Anzahlungen einschließlich Aufträgen 2023 in € 34.407.776,83 3.438.261,26 1.597.243.700,26 603.033.050,60 123.188.551,17 595.415.346,92 92.782,82 31.455.699,62 8.238.664,30 890.000,00 41.502,79 53.277.410,73 131.202,06 326.725.490,88 838.332.548,23 402.527,82 105.385.304,68 2023 in € 37.846.038,09 2.918.880.648,95 40.677.146,74 53.450.115,58 1.270.845.871,61 459.184.505,91 18.231.862,53 2023 in € 2.997.403.833,78 1.801.712.355,63 56.367.938,45 4.855.484.127,86 83.371.518,07 Vorjahr in T€ 38.394 1.102 39.496 1.596.631 597.863 75.441 453.751 2.723.686 93 9.136 8.239 1.245 18.713 2.781.895 102 523.039 –404.279 118.760 266 119.128 271.741 27.835 335.161 106.515 469.511 7.627 130.984 879.863 512.137 293.416 1.804.544 30.470 4.616.909 65.669

Finanzen I Bilanz zum 31. Dezember 2023 Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., München Zuwendungen satzungsgemäße Zwecke Vortrag Jahresergebnis Vortrag Entnahme Einstellung PASSIVA A. Eigenkapital I. Vereinskapital II. Rücklagen für satzungsgemäße Zwecke B. Sonderposten 1. Rücklage aus Lizenzerträgen für 2. Zuwendungen zum Anlagevermögen 3. Zur Finanzierung des Umlaufvermögens verwendete 4. Sonderposten Zahlungen aus Patentverkäufen 5. Zur Finanzierung von Restrukturierungen C. Rückstellungen 1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche 2. Sonstige Rückstellungen D. Verbindlichkeiten 1. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 2. Noch zu verwendende Zuschüsse von Bund und 3. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen 4. Sonstige Verbindlichkeiten E. Rechnungsabgrenzungsposten Ländern a) aus der institutionellen Förderung b) aus Projektabrechnungen Verpflichtungen Unternehmen 2023 in € 15.525.289,24 113.457,54 15.725,00 5.000,00 500,00 392.113.362,54 169.370.509,32 2023 in € 15.638.746,78 11.225,00 372.237.826,83 2.986.183.710,74 320.427.662,86 103.227.488,63 16.845.800,00 9.133.100,00 267.852.296,93 134.788.727,24 561.483.871,86 1.070.579,63 58.605.929,45 2023 in € 15.649.971,78 3.798.922.489,06 276.985.396,93 755.949.108,18 7.977.161,91 4.855.484.127,86 Vorjahr in T€ 15.453 72 15.525 15 – 1 16 15.541 404.402 2.770.535 379.726 128.372 21.145 3.704.180 8.765 233.814 242.579 120.015 319.916 164.316 484.232 769 44.550 649.566 5.043 4.616.909 Treuhandverbindlichkeiten 83.371.518,07 65.669 8585

Finanzen I Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023 Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023 Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., München Sonstige Aufträge Sonstige Erlöse Projektförderung Aufträge Eigene Erträge Erlöse aus Forschung und Entwicklung Erhöhung des Bestands an unfertigen Leistungen (Vj.: Verminderung) Erträge aus institutioneller Förderung Bund Länder 1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.1.1 Bund: 2.1.2 Länder: Projektförderung 2.1.3 Industrie, Wirtschaft und Wirtschaftsverbände 2.1.4 Einrichtungen der Forschungsförderung und 2.2 Summe Umsatzerlöse 2.3 2.4 Andere aktivierte Eigenleistungen 2.5 2.6 2.7 Summe Zuwendungen und eigene Erträge 3. 3.1 3.1.1 Einstellung 3.1.2 Verbrauch 3.2 3.2.1 Einstellung (betrifft Investitionen) 3.2.2 Auflösung (betrifft Abschreibungen) 3.3 Aus der Finanzierung des Umlaufvermögens freige- wordene Zuwendungen (Vj.: Aus der Finanzierung des Umlaufvermögens verwendete Zuwendungen) Zur Finanzierung von Restrukturierungen Einstellung Verbrauch Sonstige betriebliche Erträge Erträge aus Beteiligungen Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge Veränderung der Sonderposten Rücklage aus Lizenzerträgen für satzungsgemäße Zwecke Zuwendungen zum Anlagevermögen Für die Aufwandsdeckung zur Verfügung stehende Zuwendungen und eigene Erträge 3.4 4. 8686 2023 in € 906.318.110,02 23.867.480,40 240.105.627,32 4.927.691,62 821.256.260,02 213.288.574,07 2023 in € 848.171.234,03 169.047.913,62 2.209.763.743,45 7.194.496,20 6.292.062,01 8.343.791,48 75.397.181,92 8.099.776,33 12.477.610,97 – 17.638.314,28 – 579.967.938,87 378.835.088,44 59.297.920,23 – 4.298.900,00 2023 in € 1.017.219.147,65 2.216.958.239,65 110.610.422,71 3.344.787.810,01 –119.897.715,92 3.224.890.094,09 Vorjahr in T€ 876.651 173.603 1.050.254 767.393 29.347 265.358 9.913 756.401 192.161 2.020.573 6.706 2.027.279 –3.990 6.143 38.817 12.058 2.901 55.929 3.133.462 – 23.821 34.927 – 482.260 345.822 –84.233 –46 3.512 –206.099 2.927.363

Finanzen I Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023 Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., München Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Aufwendungen für bezogene Forschungs- und Entwicklungsleistungen Personalaufwand Gehälter Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung davon für Altersversorgung: € 64.343.023,25 (Vj.: T€ 67.948) Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen Sonstige betriebliche Aufwendungen Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens Zinsen und ähnliche Aufwendungen Übertrag 5. Materialaufwand 5.1 5.2 6. 6.1 6.2 7. 8. 9. 10. Summe der Aufwendungen 11. 12. 13. 14. 15. Jahresüberschuss Jahresergebnis Entnahme aus den Rücklagen Einstellung in die Rücklagen Zuführung zum Vereinskapital 2023 in € 256.735.492,34 270.404.409,89 1.565.592.599,78 354.021.032,34 2023 in € 527.139.902,23 1.919.613.632,12 378.507.219,39 398.741.213,04 497.041,03 282.128,74 2023 in € 3.224.890.094,09 3.224.781.136,55 108.957,54 5.000,00 – 500,00 113.457,54 –113.457,54 – Vorjahr in T€ 2.927.363 197.204 241.061 438.265 1.438.172 321.202 1.759.374 344.375 382.832 2.166 278 2.927.290 73 – –1 72 – 72 – 8787

Finanzen I Auszüge aus dem Anhang 2023 Auszüge aus dem Anhang 2023 1. Allgemeine Erläuterungen Die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. mit Sitz in München wird im Vereinsregister des Amtsgerichts München unter der Registernummer VR 4461 geführt. Die Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2023 erfolgt freiwillig unter Beachtung der Vorschriften des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften. Die Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgt nach dem Gesamtkostenverfahren. Kernstück der Rechnungslegung der Fraunhofer-Gesellschaft ist die Leistungsrechnung, aus der sich nach Überleitung der kaufmännische Jahresabschluss ergibt. Die Leistungsrechnung ist den Anforderungen der öffentlichen Zuwendungsgeber in Gliederung und Überleitung angepasst. Sie beinhaltet Betriebs- und Investitionshaushalte auf den Ebenen der Institute, der Zentrale und der Gesamtgesellschaft. Die Zahlen des Betriebshaushalts sind im kaufmännischen Sinn als Aufwand und Ertrag dargestellt. Die Investitionen in die Sach- und Finanzanlagen hingegen werden in Höhe der Aus- gaben zum Zeitpunkt der Anschaffung dargestellt. Abschrei- bungen sind daher im Betriebshaushalt nicht enthalten. Für die Abrechnung gegenüber den Zuwendungsgebern wird die Leistungsrechnung der Gesamtgesellschaft durch Neutrali- sierung von nicht kassenwirksamen Erträgen und Aufwendun- gen zur kameralistischen Einnahmen- und Ausgabenrechnung übergeleitet. Die Gewinn- und Verlustrechnung enthält diese erfolgswirksamen Veränderungen der Forderungen und Ver- bindlichkeiten gegenüber dem Vorjahr sowie die Abschreibun- gen. In der Bilanz werden diese Überleitungen unter der Posi- tion Sonderposten »Zur Finanzierung des Umlaufvermögens verwendete Zuwendungen« ausgewiesen bzw. im Sonderpos- ten »Zuwendungen zum Anlagevermögen« mitberücksichtigt. Im Lagebericht werden die Zahlen getrennt nach den drei Bereichen Vertragsforschung, Zusätzliche Forschungsförderung und Ausbauinvestitionen erläutert. Jahresabschluss der Fraunhofer-Gesellschaft Gewinn- und Verlustrechnung Überleitung auf kaufmännische Rechnungslegung Leistungsrechnung Überleitung auf kameralistische Einnahmen- und Ausgabenrechnung Betriebs- und Investitionshaushalt auf Ebene Fraunhofer-Gesellschaft »Finanzvolumen« Einzelabschlüsse der Institute/Zentrale Betriebshaushalt – Aufwand (ohne Abschreibung) – Ertrag Investitionshaushalt – Ausgaben – Ertrag Bilanz Lagebericht Anhang 8888

Finanzen I Auszüge aus dem Anhang 2023 2. Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden Immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen sind zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vermindert um planmäßige, lineare Abschreibungen bewertet. Immaterielle Vermögensgegenstände werden über eine Nut- zungsdauer von 3 Jahren abgeschrieben. Institutsbauten auf eigenen und fremden Grundstücken werden wie folgt abgeschrieben: Zugang vor April 1985 mit 2 Prozent Zugang zwischen 1. April 1985 und 31. Dezember 2000 mit 4 Prozent Zugang ab dem 1. Januar 2001 mit 3 Prozent Für bewegliche Sachanlagen wird eine Nutzungsdauer von 5 Jahren zugrunde gelegt. Abweichend davon wird für Kom- munikations-, Video- und Audioanlagen eine Nutzungsdauer von 4 Jahren und bei EDV-Hardware eine Nutzungsdauer von 3 Jahren unterstellt. Kraftfahrzeuge werden über eine Nut- zungsdauer von 4 Jahren abgeschrieben. Die Finanzanlagen sind zu Anschaffungskosten bzw. mit dem niedrigeren beizulegenden Wert angesetzt. Da das Anlagevermögen der Ordentlichen Rechnung zuwen- dungsfinanziert ist, erfolgt eine Auflösung des Sonderpostens »Zuwendungen zum Anlagevermögen« in Höhe der Abschrei- bungen, sodass die Anpassungen erfolgsneutral sind. Die Bewertung der unfertigen Leistungen erfolgt zu Herstel- lungskosten bzw. zum niedrigeren beizulegenden Wert. Die Herstellungskosten umfassen Personal- und Sacheinzelkosten, Gemeinkosten sowie Abschreibungen. Die erhaltenen Anzah- lungen (einschließlich Umsatzsteuer) sind unter den Vorräten offen abgesetzt. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonsti- ge Vermögensgegenstände werden mit dem Nominalwert angesetzt. Uneinbringliche Forderungen werden zum Stichtag wertberichtigt. Das allgemeine Forderungsrisiko wird durch eine pauschale Wertberichtigung in Höhe von 2 Prozent des Forderungsbestands berücksichtigt. Wertpapiere des Umlaufvermögens sind zu Anschaffungskos- ten angesetzt. Die liquiden Mittel sind zu Nominalwerten angesetzt. Die Fraunhofer-Gesellschaft nutzt das im Rahmen ihrer Bewirt- schaftungsgrundsätze verfügbare Instrument der Rücklagenbil- dung insbesondere zur Liquiditäts- und Risikovorsorge. Die zur Finanzierung des Anlagevermögens verwendeten Zuwendungen werden dem Sonderposten »Zuwendungen zum Anlagevermögen« zugeführt. Die zur Finanzierung des Umlaufvermögens verwendeten Zuwendungen sind in einem eigenen Sonderposten eingestellt. Die Bewertung der Pensionsrückstellungen bei bestehender Rückdeckungsversicherung erfolgt zum Bilanzstichtag mit den von der Versicherungsgesellschaft ermittelten Aktivierungs- werten. Die Berechnung der Aktivierungswerte erfolgt gemäß Mitteilung der Versicherungsgesellschaft unter Zugrunde- legung der »Richttafeln DAV 2004 R«. Eine Anpassung der laufenden Renten sowie der anrechenbaren Bezüge wird nicht zugrunde gelegt. Besteht keine Rückdeckungsversicherung bzw. ist der Erfüllungsbetrag der Pensionsverpflichtung höher als der Aktivierungswert der Rückdeckungsversicherung, wird eine Bewertung in Höhe des Betrags der Pensionsver- pflichtung laut versicherungsmathematischem Gutachten vorgenommen. Die Bestimmung des Erfüllungsbetrags der Pensionsverpflichtung erfolgt nach dem Barwertverfahren (Methode der laufenden Einmalprämien). Für die Bewertung wurde ein Rechnungszins aus 10-jähriger Durchschnittsbil- dung von 1,82 Prozent gemäß § 253 Abs. 2 HGB verwendet sowie die »Heubeck-Richttafeln 2018 G« herangezogen. Die sonstigen Rückstellungen berücksichtigen alle erkennbaren Risiken und ungewisse Verbindlichkeiten. Die Bewertung der sonstigen Rückstellungen erfolgt gemäß § 253 Abs. 1 HGB mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendi- gen Erfüllungsbetrag. Sonstige Rückstellungen mit einer Lauf- zeit von mehr als einem Jahr wurden gemäß § 253 Abs. 2 HGB mit den von der Deutschen Bundesbank im Dezember 2023 ermittelten laufzeitabhängigen durchschnittlichen Marktzins- sätzen abgezinst. Die Altersteilzeitrückstellung wurde auf Basis der abgeschlossenen Verträge berechnet. Die Verbindlichkeiten sind mit dem Erfüllungsbetrag angesetzt. Nicht ertragswirksame Einnahmen vor dem Bilanzstichtag werden als passiver Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesen. Geschäftsvorfälle in fremder Währung werden mit den jewei- ligen Sicherungskursen in Ansatz gebracht. Fremdwährungs- konten werden im Jahresabschluss mit dem am Bilanzstichtag geltenden Devisenkassamittelkurs umgerechnet. Geleistete Ausgaben vor dem Bilanzstichtag, die erst nach dem Bilanzstichtag aufwandswirksam werden, werden als Rech- nungsabgrenzungsposten aktiviert. Durchlaufende Posten sind als Treuhandvermögen bzw. Treu- handverbindlichkeiten unter der Bilanz der Fraunhofer-Gesell- schaft vermerkt. 8989

Finanzen I Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers Grundlage für die Wiedergabe des nachfolgenden Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers ist neben der Bilanz zum 31. Dezember 2023 und der Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023 auch der vollständige Anhang 2023 sowie der Lagebericht 2023. »An die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., München Prüfungsurteile Wir haben den Jahresabschluss der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., München, – bestehend aus der Bilanz zum 31. Dezember 2023 und der Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 sowie dem Anhang, einschließlich der Darstellung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden – geprüft. Darüber hinaus haben wir den Lagebericht der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., München, für das Geschäftsjahr vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 geprüft. Nach unserer Beurteilung aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse Gemäß § 322 Abs. 3 Satz 1 HGB erklären wir, dass unsere Prü- fung zu keinen Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses und des Lageberichts geführt hat. Grundlage für die Prüfungsurteile Wir haben unsere Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts in Übereinstimmung mit § 317 HGB unter Beach- tung der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) festgestell- ten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung durchgeführt. Unsere Verantwortung nach diesen Vorschriften, Grundsätzen und Standards ist im Abschnitt »Verantwortung des Abschlussprüfers für die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts« unseres Bestätigungsvermerks weiter- gehend beschrieben. Wir sind von dem Verein unabhängig in Übereinstimmung mit den deutschen handelsrechtlichen und berufsrechtlichen Vorschriften und haben unsere sonstigen deutschen Berufspflichten in Übereinstimmung mit diesen Anforderungen erfüllt. Wir sind der Auffassung, dass die von uns erlangten Prüfungsnachweise ausreichend und geeignet sind, um als Grundlage für unsere Prüfungsurteile zum Jahres- abschluss und zum Lagebericht zu dienen. entspricht der beigefügte Jahresabschluss in allen wesent- lichen Belangen den deutschen, für Kapitalgesellschaften geltenden handelsrechtlichen Vorschriften und vermittelt unter Beachtung der deutschen Grundsätze ordnungs- mäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft zum 31. Dezember 2023 sowie ihrer Ertragsla- ge für das Geschäftsjahr vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2023 und vermittelt der beigefügte Lagebericht insgesamt ein zutref- fendes Bild von der Lage der Gesellschaft. In allen wesentli- chen Belangen steht dieser Lagebericht in Einklang mit dem Jahresabschluss, entspricht den deutschen gesetzlichen Vor- schriften und stellt die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dar. Verantwortung der gesetzlichen Vertreter und des Senats für den Jahresabschluss und den Lagebericht Die gesetzlichen Vertreter sind verantwortlich für die Aufstel- lung des Jahresabschlusses, der den deutschen, für Kapital- gesellschaften geltenden handelsrechtlichen Vorschriften in allen wesentlichen Belangen entspricht, und dafür, dass der Jahresabschluss unter Beachtung der deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Ver- hältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Vereins vermittelt. Ferner sind die gesetzlichen Vertreter verantwortlich für die internen Kontrollen, die sie in Übereinstimmung mit den deutschen Grundsätzen ordnungs- mäßiger Buchführung als notwendig bestimmt haben, um die Aufstellung eines Jahresabschlusses zu ermöglichen, der frei von wesentlichen falschen Darstellungen aufgrund von dolosen 9090

Finanzen I Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers Handlungen (d.h. Manipulationen der Rechnungslegung und Vermögensschädigungen) oder Irrtümern ist. Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses sind die gesetzlichen Vertreter dafür verantwortlich, die Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu beurteilen. Des Weiteren haben sie die Verantwortung, Sachverhalte in Zusam- menhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, sofern einschlägig, anzugeben. Darüber hinaus sind sie dafür verantwortlich, auf der Grundlage des Rechnungslegungs- grundsatzes der Fortführung der Vereinstätigkeit zu bilanzie- ren, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenhei- ten entgegenstehen. Außerdem sind die gesetzlichen Vertreter verantwortlich für die Aufstellung des Lageberichts, der insgesamt ein zutref- fendes Bild von der Lage des Vereins vermittelt sowie in allen wesentlichen Belangen mit dem Jahresabschluss in Einklang steht, den deutschen gesetzlichen Vorschriften entspricht und die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend darstellt. Ferner sind die gesetzlichen Vertreter ver- antwortlich für die Vorkehrungen und Maßnahmen (Systeme), die sie als notwendig erachtet haben, um die Aufstellung eines Lageberichts in Übereinstimmung mit den anzuwendenden deutschen gesetzlichen Vorschriften zu ermöglichen und um ausreichende geeignete Nachweise für die Aussagen im Lage- bericht erbringen zu können. Der Senat beschließt die der Mitgliederversammlung vorzule- gende Jahresrechnung. Verantwortung des Abschlussprüfers für die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts Unsere Zielsetzung ist, hinreichende Sicherheit darüber zu erlangen, ob der Jahresabschluss als Ganzes frei von wesent- lichen falschen Darstellungen aufgrund von dolosen Hand- lungen oder Irrtümern ist, und ob der Lagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von der Lage des Vereins vermittelt sowie in allen wesentlichen Belangen mit dem Jahresabschluss sowie mit den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen in Ein- klang steht, den deutschen gesetzlichen Vorschriften entspricht und die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend darstellt, sowie einen Bestätigungsvermerk zu ertei- len, der unsere Prüfungsurteile zum Jahresabschluss und zum Lagebericht beinhaltet. Hinreichende Sicherheit ist ein hohes Maß an Sicherheit, aber keine Garantie dafür, dass eine in Übereinstimmung mit § 317 HGB unter Beachtung der vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) festgestellten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung durchgeführte Prüfung eine wesentliche falsche Darstellung stets aufdeckt. Falsche Darstellungen können aus dolosen Handlungen oder Irrtümern resultieren und werden als wesentlich angesehen, wenn vernünftigerweise erwartet werden könnte, dass sie einzeln oder insgesamt die auf der Grundlage dieses Jahresabschlusses und Lageberichts getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen von Adressaten beeinflussen. Während der Prüfung üben wir pflichtgemäßes Ermessen aus und bewahren eine kritische Grundhaltung. Darüber hinaus identifizieren und beurteilen wir die Risiken wesentlicher falscher Darstellungen im Jahresabschluss und im Lage- bericht aufgrund von dolosen Handlungen oder Irrtümern, planen und führen Prüfungshandlungen als Reaktion auf diese Risiken durch sowie erlangen Prüfungsnachweise, die ausreichend und geeignet sind, um als Grundlage für unsere Prüfungsurteile zu dienen. Das Risiko, dass aus dolosen Handlungen resultierende wesentliche falsche Darstellungen nicht aufgedeckt werden, ist höher als das Risiko, dass aus Irrtümern resultierende wesentliche falsche Darstellungen nicht aufgedeckt werden, da dolose Handlungen kollusives Zusammenwirken, Fälschungen, beabsichtigte Unvollstän- digkeiten, irreführende Darstellungen bzw. das Außerkraft- setzen interner Kontrollen beinhalten können. gewinnen wir ein Verständnis von dem für die Prüfung des Jahresabschlusses relevanten internen Kontrollsystem und den für die Prüfung des Lageberichts relevanten Vorkehrun- gen und Maßnahmen, um Prüfungshandlungen zu planen, die unter den gegebenen Umständen angemessen sind, jedoch nicht mit dem Ziel, ein Prüfungsurteil zur Wirksam- keit dieser Systeme des Vereins abzugeben. beurteilen wir die Angemessenheit der von den gesetzli- chen Vertretern angewandten Rechnungslegungsmethoden sowie die Vertretbarkeit der von den gesetzlichen Vertretern dargestellten geschätzten Werte und damit zusammenhän- genden Angaben. ziehen wir Schlussfolgerungen über die Angemessenheit des von den gesetzlichen Vertretern angewandten Rech- nungslegungsgrundsatzes der Fortführung der Unter- nehmenstätigkeit sowie, auf der Grundlage der erlangten Prüfungsnachweise, ob eine wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit Ereignissen oder Gegebenheiten besteht, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Ver- eins zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwer- fen können. Falls wir zu dem Schluss kommen, dass eine wesentliche Unsicherheit besteht, sind wir verpflichtet, im Bestätigungsvermerk auf die dazugehörigen Angaben im Jahresabschluss und im Lagebericht aufmerksam zu machen oder, falls diese Angaben unangemessen sind, unser jeweiliges Prüfungsurteil zu modifizieren. Wir ziehen unsere 9191

Finanzen I Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers Schlussfolgerungen auf der Grundlage der bis zum Datum unseres Bestätigungsvermerks erlangten Prüfungsnach- weise. Zukünftige Ereignisse oder Gegebenheiten können jedoch dazu führen, dass der Verein seine Vereinstätigkeit nicht mehr fortführen kann. beurteilen wir Darstellung, Aufbau und Inhalt des Jahres- abschlusses insgesamt einschließlich der Angaben sowie ob der Jahresabschluss die zugrunde liegenden Geschäftsvor- fälle und Ereignisse so darstellt, dass der Jahresabschluss unter Beachtung der deutschen Grundsätze ordnungsmä- ßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen ent- sprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Vereins vermittelt. beurteilen wir den Einklang des Lageberichts mit dem Jah- resabschluss, seine Gesetzesentsprechung und das von ihm vermittelte Bild von der Lage des Vereins. führen wir Prüfungshandlungen zu den von den gesetzli- chen Vertretern dargestellten zukunftsorientierten Angaben im Lagebericht durch. Auf Basis ausreichender geeigneter Prüfungsnachweise vollziehen wir dabei insbesondere die den zukunftsorientierten Angaben von den gesetzlichen Vertretern zugrunde gelegten bedeutsamen Annahmen nach und beurteilen die sachgerechte Ableitung der zukunftsorientierten Angaben aus diesen Annahmen. Ein eigenständiges Prüfungsurteil zu den zukunftsorientierten Angaben sowie zu den zugrunde liegenden Annahmen geben wir nicht ab. Es besteht ein erhebliches unvermeid- bares Risiko, dass künftige Ereignisse wesentlich von den zukunftsorientierten Angaben abweichen. Wir erörtern mit den für die Überwachung Verantwortlichen unter anderem den geplanten Umfang und die Zeitplanung der Prüfung sowie bedeutsame Prüfungsfeststellungen, einschließ- lich etwaiger bedeutsamer Mängel im internen Kontrollsystem, die wir während unserer Prüfung feststellen. Nürnberg, den 18. April 2024 Rödl & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gez. Grässle Wirtschaftsprüfer gez. Hahn Wirtschaftsprüfer (An dieser Stelle endet die Wiedergabe des Bestätigungs- vermerks des Abschlussprüfers.)« 9292

Service I Mitglieder, Organe, Gremien Mitglieder, Organe, Gremien Mitglieder Die Fraunhofer-Gesellschaft zählt 1199 Mitglieder, die sich aus 44 juristischen Mitgliedern, 63 natürlichen Mitgliedern, 95 ehemaligen Vorständen und Instituts- leitungen, 989 Mitgliedern von Amtswe- gen und 8 Ehrenmitgliedern zusammen- setzen. Einige Mitglieder haben mehrere Funktionen. Ehrenmitglieder Dr.-Ing. Peter Draheim Dr.-Ing. Horst Nasko Dr. Dirk-Meints Polter Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Ekkehard D. Schulz Prof. Dr. rer. nat. Erwin Sommer Prof. Klaus-Dieter Vöhringer Dr. rer. pol. Hans-Ulrich Wiese Dr. Markus Söder Senat Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichem Leben Hildegard Müller Vorsitzende des Senats der Fraunhofer- Gesellschaft, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie e. V. Kerstin Grosse Stellvertretende Vorsitzende des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft, Geschäfts- führerin der DEROSSI invest GmbH 9494 Prof. Dipl.-Ing. Oliver Zipse Stellvertretender Vorsitzender des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft, Vorstands- vorsitzender der BMW AG Dr.-Ing. Anna-Katharina Wittenstein Mitglied des Aufsichtsrats der WITTENSTEIN SE Dr. Oliver Blume Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG Dr. Roland Busch Vorstandsvorsitzender der Siemens AG Anja-Isabel Dotzenrath Executive Vice President Gas and Low Carbon Energy und Mitglied des Vorstands der bp p.l.c. Sabine Herold Geschäftsführende Gesellschafterin DELO Industrie Klebstoffe GmbH & Co. KGaA Reiner Hoffmann Vorsitzender des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE) Pär Malmhagen Senior Advisor Bernard Meyer Geschäftsführer MEYER WERFT GmbH & Co. KG Dr.-Ing. Katrin Sternberg President Medical und Mitglied der Geschäftsleitung der CeramTec GmbH Prof. Dr. Ulrich Rüdiger Rektor RWTH Aachen University Prof. Dr. Vanessa Wood Vizepräsidentin für Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich Mitglieder aus dem staatlichen Bereich Vertreterinnen und Vertreter der Bundesebene Parlamentarischer Staatssekretär Mario Brandenburg Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) MinDirig Dr. Ole Janssen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) MinDirig Alexander Schott Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) Rita Schutt Bundesministerium der Finanzen (BMF) Vertreterinnen und Vertreter der Länder Staatssekretärin a. D. Ayse Asar Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst Dr.-Ing. Karl Tragl Vorstandsvorsitzender und CEO der Wacker Neuson SE Staatssekretär Dr. Henry Marx Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege Berlin Grazia Vittadini Rolls-Royce Chief Technology Officer and Member of the Executive Team Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

Mitglieder aus dem Wissenschaftlich- Technischen Rat (WTR) Prof. Dr.-Ing. Albert Heuberger Leiter des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS Staatssekretär Thomas Wünsch Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt Dipl.-Ing. Stefan Schmidt Stellvertretender Vorsitzender des WTR, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML Prof. Dr. rer. nat. habil. Andreas Tünnermann Vorsitzender des WTR, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF Ehrensenator Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Dr. h. c. Ekkehard D. Schulz Ständige Gäste Prof. Dr. Patrick Cramer Präsident der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. Staatsrätin Dr. Eva Gümbel Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke Hamburg Staatssekretär Dr. Andreas Handschuh Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla Vorsitzende des Vorstands des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) Dipl.-Phys. Doris Rösler Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Fraunhofer-Gesellschaft, Fraunhofer- Institut für Bauphysik IBP Dipl.-Inform. Stefan Rughöft Stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Fraunhofer- Gesellschaft, Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS Prof. Dr. med. Wolfgang Wick Vorsitzender des Wissenschaftsrats Kuratorien Für die Institute der Gesellschaft sind 864 Kuratorinnen und Kuratoren tätig; einige davon gehören mehreren Institutskuratorien zugleich an. Wissenschaftlich-Technischer Rat (WTR) Der WTR zählt 220 Mitglieder, 107 davon als Mitglieder der Instituts- leitungen und 113 als gewählte Vertretungen der wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitenden. Vorsitzender des WTR: Prof. Dr. rer. nat. habil. Andreas Tünnermann Leiter des Fraunhofer-Instituts für Ange- wandte Optik und Feinmechanik IOF Präsidium Das Präsidium der Fraunhofer-Gesell- schaft besteht aus den Vorständen und den im Folgenden aufgeführten 9 Vor- sitzenden der Fraunhofer-Verbünde: Prof. Dr. Karsten Buse Fraunhofer-Verbund Light & Surfaces Prof. Dr.-Ing. Welf-Guntram Drossel Fraunhofer-Verbund Produktion Prof. Dr. Jakob Edler Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger Fraunhofer-Verbund Gesundheit Prof. Dr. Peter Gumbsch Fraunhofer-Verbund Werkstoffe, Bauteile – Materials Service I Mitglieder, Organe, Gremien Prof. Dr. Hans-Martin Henning Fraunhofer-Verbund Energietechnologien und Klimaschutz Prof. Dr.-Ing. Albert Heuberger Fraunhofer-Verbund Mikroelektronik Prof. Dr.-Ing. Boris Otto Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie Dr. Markus Wolperdinger Fraunhofer-Verbund Ressourcen- technologien und Bioökonomie Präsidiumsmitglied mit beratender Stimme Prof. Dr.-Ing. Jürgen Beyerer Fraunhofer-Leistungsbereich Verteidigung, Vorbeugung und Sicherheit VVS Ständiger Gast Prof. Dr. rer. nat. habil. Andreas Tünnermann Vorsitzender des WTR, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF Vorstand Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka (Präsident) Elisabeth Ewen Dr. rer. pol. Sandra Krey Prof. Dr. rer. nat. habil. Axel Müller-Groeling Auflistung der Gremienmitglieder mit Stand vom 31. Dezember 2023 9595

Service I Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft Einrichtungen und Aufgaben Der Vorstand besteht aus dem Präsidenten und weiteren hauptamtlichen Mitgliedern. Zu seinen Aufgaben zählen die Geschäftsführung, die Vertretung der Fraunhofer-Gesellschaft nach innen und außen, die Erarbeitung der Grundzüge der Wissenschafts- und Forschungspolitik, die Ausbau- und Finanzplanung, die Akquisition der Grundfinanzierung und ihre Verteilung auf die Institute sowie die Berufung der Institutsleitungen. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist dezentral organisiert, weist aber auch Strukturen auf, die eine strategische Ausrichtung und wirksame Steuerung von zentraler Seite aus möglich machen. Verschie- dene Organe und Gremien sorgen organisationsweit für Koordination, Beratung und Führung. Unter dem Dach von Fraunhofer arbeiten 76 Institute und Forschungseinrichtungen an Standorten in ganz Deutsch- land. Sie agieren selbstständig auf dem Markt und wirtschaf- ten eigenverantwortlich. Sie sind in neun thematisch orientier- ten Fraunhofer-Verbünden organisiert. Deren Ziele sind die fachliche Abstimmung innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft und ein gemeinsames Auftreten am Markt. Die Vorsitzenden der Verbünde bilden zusammen mit dem Vorstand das Präsi- dium der Fraunhofer-Gesellschaft. Das Präsidium beteiligt sich an der Entscheidungsfindung des Vorstands und hat ein Vorschlags-, Empfehlungs- und Anhörungsrecht. 9696 Der Senat umfasst insgesamt 26 stimmberechtigte Mitglieder aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichem Leben, staat- liche Vertreter des Bundes und der Länder sowie Mitglieder des Wissenschaftlichen-Technischen-Rats (WTR). Der Senat beruft den Vorstand und legt die Grundzüge der Wissen- schafts- und Forschungspolitik fest. Er beschließt Errichtun- gen, Wandlungen oder Auflösungen von Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft. Die Mitgliederversammlung besteht aus den Mitgliedern der Fraunhofer-Gesellschaft. Mitglieder von Amts wegen sind die Senatorinnen und Senatoren, der Vorstand, die Institutslei- tungen und die Kuratorinnen und Kuratoren. Ordentliche Mit- glieder können natürliche und juristische Personen werden, die die Arbeit der Fraunhofer-Gesellschaft fördern wollen. Forscher und Förderer der Gesellschaft können für besondere Verdienste zu Ehrenmitgliedern ernannt werden. Die Mit- gliederversammlung wählt die Senatorinnen und Senatoren, entlastet den Vorstand und beschließt Satzungsänderungen. Der Wissenschaftlich-Technische Rat (WTR) ist ein internes Beratungsorgan. Zu ihm gehören die Institutsleitungen und pro Institut eine vom wissenschaftlichen und technischen Per- sonal gewählte Vertretung. Der WTR berät den Vorstand und die übrigen Organe bei Fragen von grundsätzlicher Bedeu- tung. Er spricht Empfehlungen bezüglich der Forschungs- und Personalpolitik aus, nimmt zu Institutsgründungen und -schließungen Stellung und wirkt bei der Berufung von Insti- tutsleitungen mit. Die Kuratorien sind externe Beratungsorgane der Institute. Sie umfassen Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichem Leben. Die etwa zwölf Mitglieder pro Institut werden vom Vorstand im Einvernehmen mit der Institutsleitung berufen. Die Kuratorien beraten die Instituts- leitung und den Vorstand in Fragen der fachlichen Ausrich- tung und strukturellen Veränderung des Instituts.

Service I Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft Satzungsgemäße Struktur und Rechtsperson beruft berät Senat wählt entlastet Mitglieder- versammlung Vorstand berät Präsidium* Vorstandsmitglieder Verbundvorsitzende stellen 9 Verbünde und 1 Leistungsbereich (VVS) berät Wissenschaftlich- Technischer Rat (WTR) stellen 76 Fraunhofer-Institute und -Forschungs- einrichtungen organisieren sich beraten Kuratorien Externe Beratungsorgane der Institute Die Fraunhofer-Gesellschaft ist als eine Rechtsperson organisiert, alle Institute sind daher rechtlich unselbständig. Rechtsform: Eingetragener Verein (e. V.) Steuerlicher Status: Gemeinnützigkeit * Beratungsgremium, kein erweiterter Vorstand 9977

Impressum Redaktion Josef Oskar Seitz (verantw.) Tanja Schmutzer (Ltg.) Eva Bachmann Mandy Bartel Gestaltung Silke K. Schneider Bildquellen Seite 2: Dr. Ursula von der Leyen: dpa picture alliance Christian Lindner: Bundesministerium der Finanzen/Photothek Anke Rehlinger: Oliver Dietze/Staatskanzlei Dr. Markus Söder: Joerg Koch/Bayerische Staatskanzlei Bettina Stark-Watzinger: Guido Bergmann/Bundesregierung Michael Kretschmer: Pawel Sosnowski/Sächsische Staatskanzlei Anschrift der Redaktion Fraunhofer-Gesellschaft Hansastraße 27 c 80686 München Josef Oskar Seitz Wissenschaftskommunikation Corporate Media Telefon +49 89 1205-1310 josef.seitz@zv.fraunhofer.de Bei Abdruck ist die Einwilligung der Redaktion erforderlich. © Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. München 2024 99

Titelblatt

Bericht des Vorstands

Der Vorstand

Lagebericht 2023

Bericht des Senats

Bericht des Senats zum Geschäftsjahr 2023

Neu im Senat

Aus der Fraunhofer-Forschung

Fraunhofer-Weltrekorde

Projekte und Ergebnisse

Auszeichnungen

Menschen in der Forschung

Ausgewählte Transferaktivitäten

Initiativen

Finanzen

Bilanz zum 31. Dezember 2023

Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 2023

Auszüge aus dem Anhang 2023

Wiedergabe des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers

Service

Mitglieder, Organe, Gremien

Struktur der Fraunhofer-Gesellschaft

Fraunhofer Deutschland

Impressum