Tarnkappe für Hörgeräte und Implantate
Mikrosysteme sind das Herzstück von tragbaren Hörgeräten oder Implantaten. Forscher entwickeln ein miniaturisiertes und energiesparendes Funkmikrosystem, das solche Medizinprodukte kleiner, komfortabler und effizienter macht.
Vogelgezwitscher im Garten lauschen, sich mit Freunden und Bekannten unterhalten: Für Menschen mit beeinträchtigtem Hörvermögen ist das nicht selbstverständlich. Sie nehmen insbesondere höhere Töne nicht mehr wahr und haben Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO gehört Schwerhörigkeit in den Industrienationen zu den sechs häufigsten Erkrankungen. In Deutschland muss etwa jeder fünfte Bundesbürger über 14 Jahren wegen Schwerhörigkeit behandelt werden. Oftmals bringt nur ein Hörgerät die verlorenen Töne zurück und macht es möglich, wieder ein normales Alltagsleben zu führen. Meist wird das Gerät hinter dem Ohr getragen. Einige Ausführungen lassen sich sogar direkt ins Ohr einsetzen.
Fraunhofer-Forscher entwickeln im EU-Projekt WiserBAN ein neues Mikrosystem. Es soll Hörgeräte künftig so klein machen, dass sie völlig unsichtbar im Ohr verschwinden. Auch für Implantate, Herzschrittmacher oder Insulinpumpen ist die Technologie geeignet. Das System kommt dabei mit einem Bruchteil der Energie aus, die herkömmliche Geräte verbrauchen. Lästige Batteriewechsel werden so auf ein Minimum reduziert. »Im Idealfall sollte der Patient über einen längeren Zeitraum gar nicht mehr daran denken, dass er ein Hörgerät trägt«, so Dr. Dionysios Manessis vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin.
19 Bauteile verpackt in einem Mikropaket
Mit nur 4x4x1 Kubikmillimetern ist das neue Mikrosystem fünfzigmal kleiner als aktuelle Modelle für BAN-Anwendungen (Body Area Network) – Elektronik, die direkt am Körper getragen wird. Um das zu erreichen, haben die Projektpartner zunächst besonders kleine Bauteile entwickelt, etwa neuartige Miniatur-Antennen, integrierte Schaltkreise oder Hochfrequenzfilter. Die Forscher des IZM sind dafür zuständig, alle verwendeten Bauteile – insgesamt 19 Stück – platzsparend auf einem Modul unterzubringen. »Das ist eine echte Herausforderung, da die Komponenten alle unterschiedlich groß und dick sind. Mit Hilfe unterschiedlichster Einbetttechnologien ist es uns jedoch gelungen, alle Bauteile auf kleinstem Raum zu verstauen – wie in einem Paket«, erklärt Manessis. Von außen betrachtet ist von den Einzelbauteilen nichts mehr zu sehen. Doch das ist noch nicht alles: Die Berliner »Verpackungskünstler« haben ein modulares 3D-Stapelkonzept entworfen, mit dem sich zusätzlicher Platz einsparen lässt. Das bedeutet, sie integrieren die Bauteile in mehreren kleineren Modulen und stapeln diese dann übereinander.
Darüber hinaus entwickeln die Projektpartner spezielle Antennen und Funkprotokolle. Diese übermitteln wichtige Parameter – etwa Puls, Blutdruck oder Glukosewerte – direkt an das Tablet oder Smartphone des behandelnden Arztes. Dabei kommt das WiserBAN-Funksystem ohne eine Relay-Station aus – ein zusätzliches Gerät, das der Patient bisher am Körper tragen muss, um die Kommunikationsreichweite zu erhöhen. Ein weiterer Vorteil: Die im Projekt entwickelten Funkprotokolle basieren auf den wenig störanfälligen Standards IEEE 802.15.4 und 802.15.6. Bei herkömmlichen Geräten erfolgt die Kom- munikation meist über Bluetooth, wo es oft zu Interferenzen mit anderen Geräten kommt.
Auch das Energiemanagement wollen die Projektpartner optimieren: Im Fall von Hörgeräten, die hinter dem Ohr getragen werden, kommt der Strom von einer Batterie mit einer Kapazität von 160 mAh (Milliamperestunden). Sie muss typischerweise nach rund 7-10 Tagen gewechselt werden. Ziel ist es, den Energieverbrauch des Wiserban RF-Funksystems auf cirka ein Milliwatt (mW) zu minimieren und so die Betriebsdauer des gesamten Hörgeräts trotz Funksystems nicht unwesentlich zu verringern.
Auf Basis der neuen Technologie sollen künftig komfortablere und zuverlässigere Produkte für die Gesundheitsfürsorge entstehen – vom Langzeit-EKG bis hin zur Insulinpumpe. Aber auch bei Implantaten und Herzschrittmachern könnte das Mikrosystem zum Einsatz kommen.