Kleinste Mikrochips, die nicht ins Schwitzen kommen
In der Geothermie oder der Erdölförderung herrschen oft Temperaturen über 200 Grad – konventionelle Mikroelektronik stößt hier an ihre Grenzen. Forscher haben jetzt kompakte Mikrochips realisiert, die auch bei 300 Grad noch »cool« bleiben.
In den Tiefen unseres Planeten schlummert ein riesiger Schatz: Temperaturen von bis zu 7000 Grad Celsius vermutet man im Erdkern – in einer Tiefe von 4 bis 6 Kilometern ist es immer noch 150 bis über 200 Grad heiß. Diese gigantischen Wärmereserven lassen sich mittels der Geothermie als regenerative Energiequelle nutzen. Die Bohrköpfe und Sonden, die dabei zum Einsatz kommen, sind Hightech-Maschinen: Für ihre Expedition ins Erdinnere sind sie mit diversen Sensoren und Steuerungsmechanismen ausgestattet. Auf diese Weise können sie sehr exakt gesteuert werden oder selbstständig die Umgebungsparameter vor Ort analysieren und so beispielsweise geeignete – also besonders warme – Bereiche für die Förderung ausfindig machen. Einen Haken hat die Sache jedoch: Bei Temperaturen von über 200 Grad Celsius stoßen die Mikrochips an ihre Belastungsgrenze.
Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius aushalten
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme IMS haben jetzt einen neuartigen Hochtemperaturprozess entwickelt. »Damit wird es möglich, äußerst kompakte Mikrochips zu realisieren, die auch bei Temperaturen von bis zu 300 Grad Celsius einwandfrei funktionieren«, so Holger Kappert, Leiter Hochtemperaturelektronik am Fraunhofer IMS. Zwar halten vereinzelt auch herkömmliche Halbleiter-Chips (CMOS) Temperaturen bis zu 250 Grad Celsius aus – allerdings nehmen Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit rapide ab. Oftmals müssen Unternehmen nach dem Trial-und-Error-Prinzip eine ganze Reihe von Standard-Chips testen, bis sie ein annehmbares Ergebnis erhalten – ein mühseliges Unterfangen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die hitzeempfindliche Mikroelektronik permanent zu kühlen, was jedoch kaum bzw. nur mit großem Zusatzaufwand zu realisieren ist. Auch spezielle Hochtemperaturchips gibt es schon am Markt – diese sind mit Strukturgrößen von rund einem Mikrometer aber sehr groß. »Derzeitige Lösungen sind immer mit gewissen Abstrichen verbunden: Entweder haben sie verhältnismäßig große Bauteile, oder sie müssen mit eingeschränkter Leistung leben«, resümiert Kappert.
Anders dagegen die Mikrochips aus dem IMS: Mit einer Strukturgröße von 0,35 µm sind sie deutlich kleiner als die heute verfügbaren Hochtemperaturchips. Der Vorteil solch komplexer Strukturen lässt sich mit der Formel »mehr Funktion auf weniger Fläche« zusammenfassen. Das ist die Voraussetzung, um die Chips leistungsfähiger oder auch intelligenter zu machen. Um die hitzetoleranten Mini-Chips zu realisieren, nutzen die Duisburger Forscher einen speziellen Hochtemperatur SOI CMOS Prozess: »SOI steht für Silicon-on-Insulator – das bedeutet, wir führen eine Schicht ein, die die Transistoren im Chip gegeneinander isoliert«, erklärt Kappert. Diese Isolierung verhindert, dass auftretende Leckströme die Funktionalität des Chips beeinträchtigen. Leckströme sind elektrische Ströme, die abseits der vorgesehenen Wege fließen. Sie werden insbesondere durch erhöhte Temperaturen verursacht, bzw. verstärkt. Darüber hinaus verwenden die Forscher für ihre Chips eine Wolfram-Metallisierung, die temperaturunempfindlicher als das üblicherweise eingesetzte Aluminium ist. Das erhöht die Lebensdauer der Hochtemperaturchips.
Umweltfreundlicheres Fliegen
Die Förderung von Erdwärme, Gas oder Öl ist nicht das einzige potenzielle Einsatzgebiet: Auch in der Luftfahrt könnten die Mikrochips gute Dienste leisten – etwa, wenn es darum geht, Sensorik möglichst nahe an den Triebwerkturbinen zu positionieren, um Betriebszustände beobachten zu können. Hierdurch könnte die Turbine zuverlässiger und effizienter betrieben werden, um Kerosin einzusparen und so das Fliegen umweltfreundlicher zu machen. Erste Feldtests mit den neuen Chips sind positiv verlaufen. Im Laufe des Jahres wollen die Forscher den Prozess als Service anbieten.