Effektiver Privatsphärenschutz in sozialen Netzwerken
Neue Verfahren machen es möglich, die Nutzungsgewohnheiten der Teilnehmer von sozialen Netzwerken besser zu verstehen. Die Ergebnisse sollen in die Entwicklung anwenderfreundlicher Werkzeuge zum Privatsphärenschutz einfließen.
Prinzipiell sind soziale Netzwerke wie Facebook eine feine Sache: Sie ermöglichen es, sich rund um den Globus mit Menschen auszutauschen, die engsten Freunde an jedem Ort und zu jeder Zeit zu kontaktieren und mit ihnen zeitnah Erfahrungen zu teilen. Viele Nutzer haben jedoch Probleme, Posts und Fotos gezielt zu veröffentlichen und sich dabei vor unerwünschten Nebenwirkungen für die Darstellung ihrer Person im Netz zu schützen. Um diesen Wunsch der Nutzer nach »interactional privacy« – also dem Privatsphären- schutz im Online-Umgang mit anderen Menschen – zu unterstützen, gibt es bereits Verbesserungsvorschläge für Netzwerke wie Facebook. In der praktischen Umsetzung sind diese jedoch entweder zu starr, um den vielschichtigen Gewohnheiten der Nutzer gerecht zu werden, oder sie sind zu kompliziert zu handhaben, da sie versuchen, viele verschiedene Anliegen gleichzeitig abzudecken.
»Um wirklich anwenderfreundliche Tools zu entwickeln, müssen wir die User besser verstehen«, ist Andreas Poller vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT in Darmstadt überzeugt. Gemeinsam mit Forschern der Goethe-Universität in Frankfurt am Main arbeitet er seit nunmehr fünf Jahren im Projekt »Software Design for Interactional Privacy within Online Social Networks« an neuen Verfahren zur Sammlung und Auswertung von Daten über Nutzungsgewohnheiten in Sozialen Online-Netzwerken (http://dipo.sit.fraunhofer.de/). Im Gegensatz zu bisherigen Studien wollen die Forscher nicht nur Schwachstellen im Privatsphärenschutzmanagement aufzeigen, sondern mit ihrer Arbeit das Design wirkungsvoller Privatsphären-Werkzeuge unterstützen.
Ausgeklügeltes Studiendesign
Anfangs konzentrierten sich die Forscher ausschließlich auf qualitative Interviews. Mittlerweile kombinieren sie die Nutzerbefragungen mit einer am SIT entwickelten Analyse-Software, welche die Facebook-Aktivitäten der Studienteilnehmer dokumentiert (http://code.google.com/p/rose-browser-extension/). »Damit wir mit diesem Tool nicht das Nutzerverhalten beeinflussen – etwa, weil sich ein Studienteilnehmer durch die Software überwacht fühlt – haben wir es bewusst so konzipiert, dass die Probanden die volle Kontrolle über ihre Daten haben«, erklärt Poller. So läuft die Software auf dem Rechner des Nutzers und nicht auf einem externen Server. Es werden keine Inhalte mitgeschnitten, sondern nur die technischen Funktionen, die benutzt werden. Eine spezielle Kommentar- funktion der Software klinkt sich in die Bedienoberfläche von Facebook ein, damit Nutzer ihr Verhalten und ihre Erfahrungen sofort »vor Ort« für das Projekt kommentieren können. Die Daten werden nicht automatisch übermittelt, sondern die Studienteilnehmer müssen sie an die Wissenschaftler weiterleiten. In einer Art Protokoll können sie vorab die Dokumentation überprüfen und auf Wunsch modifizieren.
»Dank der engen Verzahnung der beiden Forschungsmethoden können wir die technischen Fakten aus der Perspektive des Anwenders interpretieren«, erläutert Poller. Denn die qualitativen Interviews legen zwar oft interessante Aspekte und Problem- stellungen offen, diese lassen sich aber nicht eins-zu-eins in konkretes Software-Design umsetzen. »Dazu muss man wissen, welche Probleme spezifisch durch die Technik bestimmt sind«, so Poller. Designs, die rein aus einem technischen Fachwissen heraus entwickelt werden, fehlt wiederum der Bezug zu den Gewohnheiten der Nutzer. Fehlendes Wissen darüber, wie Mensch und Technik zusammenspielen, kann zudem schnell zu falschen Schlüssen führen – wie beim »privacy paradox«: Dabei geben die Nutzer in Befragungen an, viel Wert auf Privatsphäre zu legen, haben jedoch in ihrem Facebook-Account sehr offene Einstellungen gewählt. »Das sieht zunächst wie ein Widerspruch aus. Tatsächlich ist es aber vielleicht so, dass der Nutzer nur wenige Informationen in seinem Profil bereitstellt und nichts postet und deshalb gar keine restriktiven Schutzeinstellungen benötigt«, erklärt Poller.
Mit ihrer Arbeit wollen die Wissenschaftler dazu beitragen, den Designprozess der Software für soziale Netzwerke zu optimieren. Die Studienergebnisse werden regelmäßig in der Forschungsgemeinschaft vorgestellt und auch das Analysetool steht als Open-Source-Software zur Verfügung. Im vergangenen März erhielt das Projektteam für seine Bemü- hungen um einen besseren Privatsphärenschutz einen begehrten Google Faculty Research Award.