Schiffsrümpfe bewuchsfrei halten
Spezielle Unterwasseranstriche verhindern, dass Muscheln und andere Organismen am Schiffsrumpf anwachsen – doch biozid wirkende Lacke sind ökologisch bedenklich. Forscher haben mit Industriepartnern eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt.
Liegt ein Schiff längere Zeit vor Anker, siedeln sich an seinem Rumpf Algen, Muscheln und Seepocken an. Dieses Problem – man bezeichnet es als Biofouling – verursacht jedes Jahr wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe: Der biologische Bewuchs der Unterwasserfläche begünstigt deren Korrosion. Die Ablagerungen erhöhen die Rauheit des unter Wasser liegenden Rumpfes und bremsen dadurch die Fahrt des Schiffes. Je nachdem, wie stark der Bewuchs ist, steigt dadurch der Treibstoffverbrauch um bis zu 40 Prozent. Bei einem größeren Containerschiff können so jährliche Mehrkosten im millionenstelligen Bereich entstehen.
Bisherige Gegenmaßnahmen haben alle erhebliche Nachteile: Eine Möglichkeit ist, den Rumpf im Abstand von etwa drei bis fünf Jahren im Trockendock mit Sandstrahlgebläsen zu reinigen. Dabei wird jedoch auch die Lackierung entfernt und muss danach erneuert werden. Biozide Anstriche unterbinden zwar einen Bewuchs, gefährden jedoch auch die Umwelt, da sie sich in Wasser und Sedimenten anreichern. Die besonders giftigen Organozinn-Verbindungen sind deshalb seit einigen Jahren verboten und auch die bislang noch zulässigen Kupferanstriche sollen in absehbarer Zeit durch giftfreie Lösungen ersetzt werden.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM am Standort Halle haben im Rahmen des vom BMWi geförderten Projektkonsortiums »Gesteuertes Antifoulingschichtsystem aus Nanokompositen für die Schifffahrt« (GANaS) eine umweltfreundlichere Alternative entwickelt. »Das elektrochemisch aktive Anstrichsystem erzeugt an der Schiffsrumpfoberfläche regelmäßig wechselnde pH-Werte. Damit lässt sich eine Besiedelung wirksam verhindern, ohne auf Biozide zurückgreifen zu müssen«, erklärt Prof. Manfred Füting vom IWM in Halle, der das Projekt koordiniert.
Elektrisch geladene Lacke
Der neuartige Anstrich basiert auf Nanokompositlacken der Firma NTC, die mit unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten versehen wurden und in einem Mehrschichtsystem auf den Schiffsrumpf aufgebracht werden. Wird das System »angeschaltet«, fließen schwache Ströme im Bereich von 0,1 Milliampere (mA) pro Quadratzentimeter durch diese Schichten. In bestimmten Zeitintervallen werden diese dann umgepolt. Aufgrund wasserelektrolytischer Prozesse ändert sich dadurch der pH-Wert des Wassers in der unmittelbaren Umgebung. Muscheln, Algen und Seepocken fühlen sich jedoch nur bei bestimmten, konstanten Bedingungen wohl und wachsen deshalb nicht am Schiffsrumpf an. Das Grundprinzip der ständig wechselnden pH-Werte geht auf eine patentierte Entwicklung des Projektpartners bioplan GmbH zurück. Dabei ist es egal, ob das Schiff in der rauen Ostsee oder in karibischen Gefilden unterwegs ist: Stromdichte und Zeitintervalle können über eine Benutzerschnittstelle eingestellt und so der jeweiligen Gewässersituation angepasst werden. Die Energieversorgung wird über Photovoltaikmodule oder über Landstrom sichergestellt. »Mit den Lackentwicklungen im GANaS-Projekt sind wir auf dem Weg zu einer praktikablen Lösung«, so Füting.
Füting und seine Kollegen haben bei ihrer Entwicklung in erster Linie Behördenschiffe, etwa Ölhavarie- oder Feuerlöschboote im Blick: Diese liegen die meiste Zeit im Hafen, müssen aber bei Bedarf sofort einsatzbereit sein. »Wenn so ein Schiff stark bewachsen ist, erreicht es die Geschwindigkeit gar nicht mehr, die es eigentlich bräuchte, um schnell zum Einsatzort zu gelangen«, gibt Füting zu bedenken.
Tests mit den ersten Prototypen in der Schiffswerft Barth verliefen vielversprechend: Ein Boot der Fischereiaufsicht in Mecklenburg-Vorpommern testet derzeit die Lackentwicklungen und hat bisher den Nachweis für Bewuchsfreiheit und Haltbarkeit erbracht. Nachfolgeprojekte sind bereits in Planung: »Da wird es dann vor allem darum gehen, unser System zu vervollkommnen und für die industrielle Fertigung und den Praxiseinsatz zu optimieren«, so Füting.