Faserverbundwerkstoffe bald für die Großserie

Forschung Kompakt /

Endlosfaserverstärkte Verbundwerkstoffe mit thermoplastischen Kunststoffmatrixen sind für den Automobilbau sehr gut geeignet. Sie herzustellen ist jedoch umständlich. Eine neue Herangehensweise nähert sich nun dem Einsatz im Spritzgussverfahren an.

Bild: ENGEL e-victory 120
© ENGEL
Mit der ENGEL e-victory 120 lassen sich endlosfaserverstärkte thermoplastische Verbundstrukturen im Spritzgussverfahren fertigen.

Bislang war es sehr aufwändig, endlosfaserverstärkte Verbundwerkstoffe mit einer thermoplastischen Matrix in großen Stückzahlen herzustellen. Zum einen lassen sich textilähnliche dichte Endlosfaserstrukturen nur sehr schwer in Form bringen, zum anderen ist das Zusammenbringen der Endlosfasern mit einem hoch viskosen thermoplastischen Matrixwerkstoff ein sehr komplexer Prozess. Eine wirtschaftlich rentable Produktionstechnik für große Bauteilserien fehlt deshalb bisher.

Spritzgussverfahren angepasst

Gemeinsam mit dem Spritzgussmaschinenbauer ENGEL AUSTRIA GmbH haben die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT in Pfinztal nun erstmals eine Technologie entwickelt, die eine Fertigung solcher endlosfaserverstärkter thermoplastischer Verbundstrukturen im Spritzgussverfahren erlauben soll. Bisher war es lediglich möglich, Faserverbundwerkstoffe aus Kurzfasern oder Langfasern zu spritzgießen. »Endlosfaserverstärkte Verbundstrukturen mit einer thermoplastischen Matrix werden immer beliebter und werden zukünftig immer häufiger im Automobilbereich zum Einsatz kommen«, erklärt Dr.-Ing. Lars Fredrik Berg, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am ICT. »Mittels des Spritzgießverfahrens können Bauteile mit einem hohen Faservolumengehalt und daher exzellenten mechanischen Eigenschaften effizient hergestellt werden.«

Aufbauend auf den eigenen Forschungsergebnissen haben die Forscher des ICT zusammen mit ENGEL eine Prototypenanlage für das Spritzgießen entworfen. Die ENGEL e-victory 120 kann alle notwendigen Arbeitsschritte innerhalb einer Anlage erledigen. Die reaktiven Komponenten werden aufbereitet und vermischt und der Werkstoff in das Formwerkzeug injiziert. Dort findet auch die Polymerisation (in-situ) nach der Infiltration der textilen Verstärkungsstrukturen statt. »Das ICT und ENGEL haben eine kompakte Anlagentechnik entwickelt, die gleichzeitig flexibel und schnell ist. Der Prozess, der vorher auf mehrere Anlagen verteilt war, soll jetzt auf einer möglich werden. Das neue Konzept erlaubt die Ausweitung des Prozessfensters bei gleichzeitiger Optmierung des Energieeinsatzes«, so Dipl.-Ing. Peter Egger, Leiter des Technologiezentrums für Leichtbau-Composites bei ENGEL. Ihre erste Feuertaufe hat die e-victory bereits bestanden: Für den Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen fertigte ENGEL im Rahmen einer Hausmesse exemplarisch einen Bremspedal-Einleger aus glasfaserverstärktem Polyamid.

Endlosfaserstrukturen ideal benetzt

Im Unterschied zu bisherigen Spritzgussverfahren für Faserverbundwerkstoffe, bei denen sich lediglich Kurzfasern verarbeiten ließen, kann man in der Prototypenanlage direkt endlosfaserverstärkte Verbundstrukturen einlegen und mit einer sehr niedrigviskosen Kunststoffmatrix infiltrieren. »Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem die in-situ Polymerisation von thermoplastischen Matrixmaterialien funktioniert. Dazu lassen wir Monomere, also sehr reaktionsfähige Moleküle, direkt in der Anlage polymerisieren. Die Monomere verfügen über kürzere Molekülketten als Polymere und damit über eine niedrigere Viskosität. Die reaktive Kunststoffmatrix ist bei der Verarbeitung ähnlich viskos wie Wasser. Somit können die Faserstrukturen ideal benetzt werden, ohne die Strukturen in der Form zu verschieben«, erklärt Berg. Die Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe (AVK) hat das ICT und ENGEL für die neue Technologie im Oktober mit einem AVK Innovationspreis in der Kategorie »Verfahren« ausgezeichnet.