Sensoren, die sich dehnen lassen
Ist der Beifahrersitz im Auto besetzt? Tritt jemand in den Sicherheitsbereich vor einer Industriemaschine? Die Einsatzgebiete von Dehnungs- und Drucksensoren sind vielfältig. Forscher haben nun Sensoren entwickelt, die sich im Extremfall auf die doppelte Länge ziehen lassen und die so biegsam sind, dass man sie selbst in Kleidung eingenäht kaum spürt. Zu sehen sind die intelligenten Systeme auf der Messe Sensor+Test in Nürnberg vom 7. bis 9. Juni 2011.
Viel zu schnell rast das Auto auf das Stauende zu – ein Crash ist nicht mehr zu vermeiden. Der Airbag, der nun auslöst, kann die Insassen schützen. Wenn sich der Beifahrer jedoch zu weit nach vorne beugt, weil er etwa gerade etwas in der Tasche im Fußraum sucht, kann die Wucht des Airbags ihn verletzen.
Forscher vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg haben nun Sensoren entwickelt, die dabei helfen sollen, eine solche Situation zu vermeiden. Sie lassen sich beispielsweise in den Autositz einbringen und messen dort, ob dieser belegt ist und wie die Person sitzt. Vornübergebeugt oder angelehnt? Handelt es sich um ein Kind oder einen Erwachsenen? »Die Folien können zum einen Dehnungen messen, zum anderen Drücke«, sagt Dr. Holger Böse, wissenschaftlich-technischer Leiter des Centers Smart Materials am ISC. »Sie bestehen aus einer stark dehnbaren Elastomerfolie, die auf beiden Seiten mit flexiblen Elektroden beschichtet ist. Wird der Sensor gedehnt, etwa durch die Verformung des Sitzes, ändert sich seine Dicke und damit die elektrische Kapazität, was wir messen können.« Im Gegensatz zu den herkömmlichen, recht starren Dehnungsmessstreifen lassen sich die neuen dielektrischen Elastomersensoren im Extremfall um 100 Prozent dehnen – man kann sie also auf die doppelte Länge ziehen.
Je nach Einsatzgebiet der »Smart Materials« kann es sinnvoll sein, mehrere Elektrodenpaare auf die Elastomerfolie aufzubringen. So etwa, wenn die Forscher Druckverteilungen messen wollen wie bei der Sitzplatzbelegung. Jedes Elektrodenpaar dient dann quasi als eigener Sensor und misst den lokal auftretenden Druck. »Auf diese Weise können wir genau sagen, an welcher Stelle sich der Druck in welchem Maße ändert«, berichtet Böse.
Das Material, aus dem die Sensoren hergestellt werden, passen die Forscher an die jeweilige Anwendung an. Die Elastomerfolie besteht aus einem Polymer, bei dem die einzelnen Moleküle chemisch miteinander verknüpft sind. Je besser vernetzt die Moleküle sind, desto härter wird das Material – ähnlich wie ein feinmaschiges Fischernetz fester ist als ein grobmaschiges. In welchem Maß sich das Polymer verknüpft, können die Wissenschaftler steuern. »Soll der Sensor hohe Drücke messen, stellen wir eine härtere Elastomerfolie als Trägermaterial her, bei geringen Drücken dagegen weichere«, erläutert Böse.
Die Anwendungen für die Sensoren sind zahlreich: Beispielsweise können sie Gasdrücke messen. Dazu spannt man die Elastomerfolie wie eine Membran über einen Ring. Drückt das Gas gegen die Sensormembran, verformt sich diese – was der Sensor registriert. In der Sicherheitstechnik sind Drucksensoren ebenfalls sinnvoll: Tritt etwa eine Person in einen Bereich, der sich zu nah an einer gefährlichen Maschine befindet, könnten im Boden eingelassene Sensoren dies wahrnehmen und eine Warnung abgeben. Es ist auch denkbar, die intelligenten Materialien in Kleidung zu integrieren. Hier könnten sie Bewegungsabläufe analysieren und Sportlern so dabei helfen, ihr Training zu optimieren. Da die Sensoren sehr biegsam sind, spürt man sie in der Kleidung kaum.
Auf der Messe Sensor+Test vom 7. bis 9. Juni 2011 stellen die Forscher verschiedene Demonstratoren vor (Halle 12, Stand 202). In einigen Jahren – so hoffen die Experten – könnten die Sensoren marktreif sein.