Gesundes Training
Viele Menschen trainieren im Fitnessstudio, um nach einer Verletzung wieder in Form zu kommen. Forscher entwickeln ein Verfahren, das Ärzten die Daten über die absolvierten Übungen an den Geräten zur Verfügung stellt. Damit ließe sich das Training noch besser planen.
Die Schmerzen im rechten Knie kann Marianne nicht vergessen. Bei einer Skitour in den Schweizer Bergen blieb sie in einem Schneehaufen hängen. Dann ging alles sehr schnell: nach dem Skiunfall mit dem Helikopter ins Krankenhaus, am nächsten Tag schon auf dem Operationstisch und eine Woche später mit Krücken daheim im Liegesessel. Jetzt geht es darum, das operierte Kniegelenk zu mobilisieren und die volle Beweglichkeit wieder herzustellen – ein gezieltes Gerätetraining mithilfe eines physiotherapeutischen Plans.
Um das Training richtig planen zu können, brauchen Physiotherapeuten und Mediziner detaillierte Informationen über den Fortschritt beim Muskelaufbau, den Beweglichkeitsgrad und die Gesamtverfassung der Patientin. Insbesondere der behandelnde Arzt muss wissen, wie gut Mariannes Knie sich entwickelt. Das aber ist schwierig. Denn qualifizierte Daten über das absolvierte Gerätetraining stehen dem Arzt nicht automatisch zur Verfügung. Zwischen den Softwaresystemen in der Physiotherapie oder der Rehabilitation und den Arztpraxen fehlt die direkte Verbindung. Dabei wird viel Potenzial verschenkt: »Durch die medizinische Auswertung von Trainingsdaten lässt sich die Qualität der Behandlung deutlich steigern«, sagt Sven Meister, Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST in Dortmund. Der Informatiker hat zusammen mit seinem Team eine Schnittstelle entwickelt, die Fitnessdaten eines trainierenden Patienten an ein Praxissystem des niedergelassenen Mediziners oder ein Krankenhausinformationssystem übertragen kann.
Mit dem »eTraining« wollen die ISST-Wissenschaftler den Informationsfluss zwischen Ärzten, Krankenkassen, Trainern und dem privaten Gesundheitsengagement vieler Menschen in Gang bringen. Der entscheidende Ansatzpunkt für die Fraunhofer-Informatiker ist eine standardisierte Informationsplattform, die den Austausch individueller Messdaten wie Pulsschlag, benutztes Gewicht, Geschwindigkeit, Dauer oder der »Range of Motion« bei orthopädischen Reha-Maßnahmen mit den Informationssystemen der Ärzte möglich macht. »eTraining führt sowohl den Trainingsplan, als auch die aktuellen Trainingsdaten eines Patienten zusammen und macht diese Information den autorisierten Teilnehmern zugänglich«, erläutert Meister. Die Wissenschaftler setzen auf Standards, um die entwickelte Lösung für alle IT-Systeme im Gesundheitswesen nutzbar zu machen. Vorbild für das Anbinden der externen Trainingsdaten an ein medizinisches Krankenhausnetzwerk ist der US-amerikanische Standard Health Level Seven (HL7). In Zusammenarbeit mit dem Fitnessgeräte-Hersteller Ergo-Fit ist daraus ein Datenmodell entstanden, das trainingsbezogene Messwerte und medizinische Behandlungsdaten auf Basis der »HL7 Clinical Document Architecture (CDA)« zusammenführt. Gemeinsam mit Ergo-Fit entwickelte das ISST einen CDA-basierten Trainingsplan, mit dem Fachärzte den medizinischen Behandlungserfolg eines Fitnesstrainings beurteilen können.
Doch welche Informationen werden überhaupt benötigt, um den Trainingsverlauf medizinisch beurteilen zu können? »Hier sind wir mit verschiedenen Expertenkreisen im Gespräch, um eine branchenweite Standardisierung auch mit Blick auf die Krankenkassen zu erreichen«, unterstreicht ISST-Informatiker Meister. Die Weiterentwicklung des Informationsaustauschs könnte neue Geschäftsmodelle ermöglichen und beispielsweise Reha-Leistungen verstärkt auf ein Fitnessstudio übertragen. Ergo-Fit und das ISST sind davon überzeugt, dass »die Vernetzung der Gesundheitsmärkte eine Qualitätssteigerung gerätegestützter Trainingsansätze in der Rehabilitation und Prävention zur Folge hat«, so Projektleiter Meister.